Fischsterben in der Oder:Verantwortlicher unbekannt

Fischsterben in der Oder: 25 bis 50 Prozent des Fischbestandes in der Oder und ihren Zuflüssen sind tödlich vergiftet worden, schätzt das Brandenburgische Umweltministerium.

25 bis 50 Prozent des Fischbestandes in der Oder und ihren Zuflüssen sind tödlich vergiftet worden, schätzt das Brandenburgische Umweltministerium.

(Foto: Patrick Pleul/DPA)

Die Ursachen für das gigantische Fischsterben in der Oder wollten Polen und Deutschland eigentlich gemeinsam untersuchen. Doch nun sind zwei getrennte Berichte erschienen - und die zentrale Frage bleibt weiter offen.

Von Viktoria Großmann und Jan Heidtmann, Berlin/München

Am Ende war ausgerechnet eine mikroskopisch kleine Alge das Wenige, worauf sich polnische und deutsche Behörden noch einigen konnten. Explosionsartig habe sich die sogenannte Goldalge in diesem Sommer in der Oder ausgebreitet, berichten Umweltexperten beider Seiten. Ihre Gifte hätten dann zu der bislang größten Umweltkatastrophe in dem Grenzfluss geführt: Hunderttausende Fische verendeten qualvoll, Muschelarten wurden ausgerottet. Die Bilder der Kadaver bestimmten die ersten Wochen im Monat August. Das war es dann aber auch mit den Gemeinsamkeiten.

Am Donnerstag stellte das polnische Institut für Umweltschutz IOŚ-PIB seinen Abschlussbericht zum massenhaften Fischsterben vor, am Freitag präsentierte das deutsche Umweltbundesamt seine Erkenntnisse. Die polnischen Forscher bemängeln den grundsätzlich schlechten Zustand des Flusses. Der zu hohe Salzgehalt verursacht durch Industrieeinleitungen habe in Verbindung mit der Trockenheit und hohen Sonneneinstrahlung zur rasanten Ausbreitung der Alge geführt. So steht es auch im deutschen Bericht.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kommentierte diesen Befund allerdings eindeutig: Die Verschmutzung der Oder "wurde durch menschliche Aktivitäten verursacht, das ist ein zentrales Ergebnis der Untersuchung". Unklar sei nur, woher das Salz gekommen ist. Genau diese Frage lässt auch die polnische Seite unbeantwortet. Die Forscher mahnen zwar eine stärkere Überwachung der Wasserqualität an. Was jedoch fehlte, war eine eindeutige Stellungnahme von Seiten des Ministeriums, welche Betriebe für die Schadstoffeinleitungen verantwortlich waren. Auch eine Zusage, solche Einleitungen zu reduzieren, fehlt bislang.

Ursprünglich war geplant, dass die Expertengruppen beider Länder ihre Ergebnisse teilen und zusammen einen Bericht verfassen würden. Lemke und ihre polnische Kollegin Anna Moskwa hatten die Gruppen als gemeinsame Kommission eingesetzt. "Anfangs war die Zusammenarbeit eigentlich ganz kooperativ", sagt Christoph Schulte, der die Untersuchung auf deutscher Seite koordiniert hat. Dann sei der Draht aber "nach und nach abgerissen", in den letzten Wochen habe es kaum mehr Kontakte zu der polnischen Seite gegeben. Am vergangenen Mittwoch wurde schließlich bekannt, dass die Gruppen zwei unterschiedliche Berichte publizieren. Die Stimmung sei so schlecht, dass nicht einmal mehr ein gemeinsames Vorwort möglich sei, berichtet der Spiegel.

"So etwas kommt in der Natur einfach mal vor", heißt es auf polnischer Seite

Die gescheiterte Zusammenarbeit an dem Abschlussbericht war nur der vorläufige Endpunkt einer Reihe von Kontroversen zwischen beiden Ländern, nachdem am 9. August massenhaft tote Fische in der Oder trieben. Sowohl deutsche als auch polnische Lokal- und Oppositionspolitiker warfen der rechtspopulistischen Regierung in Warschau damals vor, von dem Fischsterben bereits gewusst, aber nicht darüber informiert zu haben. International vorgeschriebene Meldungen solcher Vorkommnisse seien unterlassen worden. Polens Regierung erklärte daraufhin, alle Einleitungen in die Oder und die Berechtigungen der einleitenden Betriebe zu prüfen. Kurz darauf berichtete der Vorsitzende der polnischen Gewässerbehörde, es seien 282 illegale Abflüsse gefunden und 57 davon der Polizei gemeldet worden.

Zumindest in der Woiwodschaft Oberschlesien seien dabei keinerlei Unregelmäßigkeiten festgestellt worden, sagte Marschall Jakub Chełstowski bei einem Pressegespräch in Katowice Ende September auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung. Oberschlesien mit seinen Kohleminen und Industriebetrieben gilt als industrielles Herz Polens. Chełstowski, selbst Mitglied der regierenden PiS-Partei, erklärte weiter, die Ermittlungen liefen noch. Aber "so etwas kommt in der Natur einfach mal vor." Man habe derartiges in diesem heißen Sommer auch bei Fischteichen beobachtet. "Gegen die Natur kann man nicht gewinnen."

Die Suche nach den Ursachen ist auch deshalb so schwierig, weil die Oder für Polen eine große Bedeutung hat. Sie ist der wichtigste Fluss des Landes, am Ufer hat sich viel Industrie angesiedelt, Papierfabriken, Kupferminen, Bergbau, einige davon im Staatsbesitz. Zugleich wird der Mythos der sauberen Oder gepflegt, viele Polen sind Hobbyangler. Ein Umweltskandal könnte der regierenden PiS-Partei schaden, das Land befindet sich im Wahlkampf.

Parallel zu den Berichten deutscher und polnischer Behörden veröffentlichte die Umweltschutzorganisation Greenpeace am Donnerstag umfassende eigene Untersuchungen zum Fischsterben. "Diese Ergebnisse deuten daraufhin, dass die Umweltkatastrophe zu einem großen Teil menschengemacht ist und auf die starke Verschmutzung des Flusses zurückgeht", heißt es in dem Bericht. Dazu Marek Jozefiak, Sprecher von Greenpeace Polen: "Das Problem ist, dass in Polen die Oder verschmutzt wurde, weil es eben ging."

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