Völlig überraschend hat es der Supreme Court abgelehnt, über die Rechtmäßigkeit von gleichgeschlechtlichen Ehen in fünf US-Bundesstaaten zu entscheiden. Weil die Richter ihr Grundsatzurteil weiter aufschieben, bleiben die Gesetze dort in Kraft. Alle Umfragen zeigen, dass dies für die Mehrheit der Amerikaner völlig in Ordnung ist.
In den vergangenen Wochen hatten Rechtsexperten und Journalisten darüber gerätselt, welchen der fünf möglichen Fälle die neun obersten Richter genauer unter die Lupe nehmen würden. Zuletzt hatten Bundesgerichte Gesetze, die die Homo-Ehe in den US-Staaten Indiana, Utah, Virginia, Wisconsin und Oklahoma explizit verboten, für rechtswidrig erklärt und die Fälle an den Supreme Court verwiesen. Weil sich dieser nun aber zurückhält, bleiben die Urteile der Bundesgerichte gültig, weshalb Schwule und Lesben in diesen fünf Bundesstaaten nun heiraten dürfen. Dieser "freudige Tag für Tausende Paare überall in Amerika", wie ihn die Menschenrechtsorganisation Human Rights Campaign feierte, hat weitreichende Auswirkungen:
- Mit Indiana, Utah, Virginia, Wisconsin und Oklahoma ist die Homo-Ehe in 24 der 50 US-Bundesstaaten sowie in der Hauptstadt Washington erlaubt. Allerdings steigt die Zahl bald auf 30: In West Virginia, North Carolina, South Carolina, Kansas, Colorado und Wyoming sind gleichgeschlechtliche Ehen derzeit untersagt. Weil für diese sechs Staaten genau jene Bundesgerichte zuständig sind, über deren Klagen der Supreme Court nicht urteilen wollte, können Schwule und Lesben auch dort bald heiraten.
- Damit lebt erstmals die Mehrheit der Amerikaner in Bundesstaaten, in denen gleichgeschlechtliche Partner eine Ehe eingehen können.
- Indem der Oberste Gerichtshof ein für das ganze Land gültige Grundsatzurteil aufschiebt, genießen Schwule, Lesen und Bisexuelle allerdings noch keine völlige Gleichstellung. Irgendwann wird der Supreme Court eine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Homo-Ehe treffen müssen, doch bis dahin wird die Akzeptanz für gleichgeschlechtliche Ehen weiter steigen. Während 2006 noch 60 Prozent der Amerikaner die Homo-Ehe ablehnten und nur 31 Prozent dafür waren, bezeichnen sich 2014 stolze 59 Prozent als Unterstützer.
Es liegt genau an diesen Daten, weshalb mutige Beobachter wie Chris Cillizza von der Washington Post nun verkünden, der politische Kampf um die gay marriage in der amerikanischen Politik sei nun vorbei. Cilliza verweist darauf, dass sich auch unter den konservativen Amerikanern die Stimmung ändert. Bereits heute unterstützen 61 Prozent der Anhänger der Republikaner, die 29 Jahre oder jünger sind, gleichgeschlechtliche Partnerschaften.
Bei jungen Amerikanern ist der Meinungsumschwung besonders stark, doch insgesamt wächst die Zustimmung in allen Altersgruppen. Diese Tatsache kennen auch die meisten republikanischen Strategen und Politiker, weshalb neben religiösen Gruppen "nur eine Handvoll republikanischen Abgeordneter" die Richter kritisierte.
Bereits im vergangenen Jahr hatten republikanische Spitzenpolitiker empörte Kommentare vermieden, als das Oberste Gericht den Defense of Marriage Act (DOMA) kippte, wonach eine Ehe per Definition nur von einem Mann und einer Frau geschlossen werden könne. Seitdem können auch homosexuelle Paare die gleichen Vorteile bei Steuern, Erbschaften oder Besuche im Krankenhaus geltend machen, wenn ihre Partnerschaft in ihrem Bundesstaat erlaubt ist.