Oberlandesgericht:NSU soll Synagoge ausgespäht haben

Mittels eines Zeugen will die Nebenklage den Druck auf Zschäpe erhöhen. In ihrer letzten Wohnung war antisemitisches Material gefunden worden.

Von Tanjev Schultz

Sie habe sich früher durchaus mit "Teilen des nationalistischen Gedankenguts" identifiziert, teilte Beate Zschäpe vorige Woche im Oberlandesgericht München mit. Diese Redeweise sei "verniedlichend", sagte am Donnerstag Yavuz Narin, der als Rechtsanwalt die Familie eines Mordopfers des "Nationalsozialistischen Untergrunds" vertritt. Er stellte im NSU-Prozess einen Beweisantrag, mit dem er offenbar den Druck auf die Angeklagte erhöhen will. Narin will einen Beamten als Zeugen geladen haben, der im Jahr 2000 an der großen Synagoge in der Berliner Rykestraße im Objektschutz eingesetzt war. An einem Tag im Mai 2000 will dieser Zeuge Beate Zschäpe und Uwe Mundlos zweimal nahe der Synagoge gesehen haben, beim ersten Mal vertieft in Kartenmaterial. Dies soll der Zeuge laut Narin bereits im Jahr 2000 bei der Polizei bekundet haben, nachdem er im Fernsehen einen Fahndungsaufruf zu dem untergetauchten Neonazi-Trio gesehen hatte. Angeblich habe Zschäpe dem Zeugen einen "giftigen Blick" zugeworfen.

Der Nebenklage-Anwalt interpretiert die damaligen Zeugenangaben so, dass Zschäpe und ihre Freunde die Synagoge als mögliches Anschlagsziel ausgespäht hätten. Lediglich ihrer "Feigheit", so Narin, sei es geschuldet, dass der NSU sich stattdessen wehrlose Opfer gesucht und keine Anschläge auf gut bewachte Einrichtungen wie die Synagoge verübt habe.

Die Ermittler fanden in der letzten Wohnung der Neonazis antisemitisches Material

Dass der heute 66 Jahre alte Zeuge damals tatsächlich Zschäpe gesehen hat, ist nicht erwiesen. Den Nachweis nach all den Jahren noch zu führen, könnte schwierig werden. Möglicherweise wird der Vorsitzende Richter Manfred Götzl den Antrag ohnehin zurückweisen - so wie er dies zuletzt sehr oft getan hat. Doch der Vorstoß Narins diente offenbar auch dazu, der Darstellung Zschäpes etwas entgegenzusetzen. Der Anwalt verwies darauf, dass die Angeklagte mitgeholfen habe, das antisemitische, den Holocaust verherrlichende Spiel "Pogromly" zu basteln. Zschäpe habe sich zudem 1996 an der Herstellung einer Puppe beteiligt, die mit einem sogenannten Judenstern auf der Brust an einer Autobahnbrücke aufgehängt und mit Bombenattrappen verbunden war. Das zeuge von weit mehr als nur einer gewissen Identifikation mit "nationalistischem Gedankengut".

Wie der Nebenklagevertreter darstellte, fanden die Ermittler in der letzten Wohnung Zschäpes in Zwickau, in der sie mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gelebte hatte, antisemitisches Material, wie ein Wahlwerbeplakat der NSDAP mit der Aufschrift "Die Juden sind unser Unglück" und den Propagandafilm "Der ewige Jude". In ihrer Erklärung hatte Beate Zschäpe gesagt, im Lauf der Zeit seien Themen wie "Angst vor Überfremdung" unwichtiger für sie geworden. Allerdings machte sie keine Angaben darüber, wie es zu ihrem angeblichen Sinneswandel gekommen sein soll.

Der Vorsitzende Götzl wirkt entschlossen, den langen Prozess auf die Zielgerade zu bringen. Am Donnerstag wies er in umfangreichen Beschlüssen mehrere Beweisanträge der Nebenkläger zurück. Diese betrafen unter anderem den V-Mann "Primus", der früher vom Bundesamt für Verfassungsschutz geführt wurde und der wie Zschäpe und ihre Freunde längere Zeit in Zwickau gelebt hatte. Götzl wies die Annahme, das Amt könnte von Primus den Aufenthaltsort des Trios erfahren haben, als spekulativ zurück.

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