Obamas UN-Rede:Weltpolizist bekämpft "Krebs des Extremismus"

Entschlossen ruft Obama die Welt zum Kampf gegen den IS auf. Die Resolution des Sicherheitsrats stützt die US-Strategie. Ungewohnt deutlich nimmt der US-Präsident die Muslime weltweit in die Pflicht - und illustriert mit einem Beispiel, wieso auch Amerika "nicht perfekt" sei.

Von Matthias Kolb, Washington

Als sich Barack Obama im September 2013 an die UN-Vollversammlung wandte, hatte er eine klare Botschaft. "Die Welt ist stabiler als vor fünf Jahren", sagte der US-Präsident damals und erklärte, dass eine "Dekade des Kriegs" zu Ende gehe. Ein Jahr später klingt Obama ganz anders und geradezu martialisch: Die Terrorgruppe des sogenannten Islamischen Staats müsse "endgültig vernichtet" und möglichst viele Staaten der Welt sollten sich daran beteiligen.

Raum für Interpretationen lässt der Friedensnobelpreisträger von 2009 kaum zu: "Die einzige Sprache, die diese Mörder verstehen, ist die Sprache der Gewalt." Vor den Vertretern der 193 UN-Mitgliedsstaaten appelliert er an jene Kämpfer, die sich dem IS im Irak und Syrien angeschlossen haben, "das Schlachtfeld zu verlassen, solange dies noch möglich sei".

Wenige Stunden später leitet Obama eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats, in der einstimmig die Resolution 2178 verabschiedet wird (Details hier). Die rechtlich bindende Resolution gemäß Kapitel VII der UN-Charta enthält umfangreiche Maßnahmen, um diese Terror-Touristen zu stoppen:

  • Die Regierungen der UN-Mitglieder sollen ihre Gesetze so anpassen, dass eine Reihe von Verhaltensweisen von der Staatsanwaltschaft verfolgt werden kann.
  • Künftig soll es strafbar sein, ins Ausland zu reisen, um Terrorakte zu begehen oder sich dafür ausbilden zu lassen.
  • Bereits der Versuch einer solchen Reise wäre strafbar.

Auch vor dem höchsten UN-Gremium macht Obama nochmals deutlich, wieso er momentan keine Alternative zu seinem Kurs sieht, mit Luftangriffen gegen den IS vorzugehen. "Mehr als 15 000 Terroristen aus etwa 80 Ländern sind nach Syrien gekommen." Diese Kämpfer seien eine enorme Gefahr für die Menschen der Region. "Und sie könnten zurückkehren in ihre Heimatländer und da Anschläge verüben." Der Auftritt des US-Präsidenten war so entschlossen, dass nicht nur Foreign Policy von der Rückkehr des amerikanischen "Weltpolizisten" spricht.

Anti-IS-Strategie mit fünf Punkten

Nach Obamas Rede in New York wird die US-Strategie gegen den IS klarer. Neben den Luftangriffen, an denen auch arabische Staaten beteiligt sind, soll vor allem der Zustrom ausländischer Kämpfer gestoppt und die Finanzierungsmöglichkeiten der Dschihadisten unterbunden werden. Die vielen Menschen, die vor dem IS geflohen sind, sollen humanitäre Hilfe erhalten, zudem will das Weiße Haus mit einer Medien-Offensive die Extremisten delegitimieren (mehr in der Washington Post).

Wie UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ("Diese Gruppen nehmen die Religion in Geiselhaft. Sie repräsentieren nicht den Islam.") bemüht sich Obama darum, dass die Militäreinsätze nicht als Krieg Amerikas gegen den Islam gesehen werden. Mehrmals ruft er die Weltgemeinschaft auf, sich am Kampf gegen den "Krebs des gewalttätigen Extremismus" zu beteiligen und betont: "Wir handeln nicht alleine."

Muslime sollen sich von IS und al-Qaida distanzieren

Zugleich nutzt der US-Präsident seinen Auftritt vor der UN-Generalversammlung für ungewöhnlich deutliche Worte: Die Muslime in aller Welt müssten sich "ausdrücklich, kraftvoll und konsequent" von der Ideologie von IS und al-Qaida distanzieren und zeigen, dass sie diese ablehnten. Kein Kind werde hassend geboren und kein Gott dulde Gräueltaten wie Enthauptungen.

Obama bezeichnet es als "scheinheilig", wenn manche Staaten Teile ihres großen Vermögens, das sie weltweit verdienten, an Dschihadisten spenden, die Jugendliche für den Terrorismus anwerben würden. Beobachter werten dies als ungewohnt klare Kritik an den Golf-Staaten, die als Finanziers vieler extremistischer Gruppen gelten.

Aus dem Mund von George W. Bush wären solche Sätze wohl als Provokation und als antimuslimisch interpretiert worden. Doch Obama kann sie wagen, weil sie in eine ausgewogene Rede eingewoben sind. Er erinnert in New York nicht nur - wie 2009 in Kairo - daran, welch große kulturelle Leistungen muslimische Gelehrte vollbracht haben; er appelliert an junge Muslime, in ihre Bildung zu investieren und so voranzukommen.

Ferguson zeige, dass Amerika "nicht perfekt" sei

Und Obama setzt bewusst auf selbstkritische Töne, indem er jene "rassistischen und ethnischen Spannungen" anspricht, die in Amerika weiterhin existierten. "Ich weiß, dass die Welt wahrgenommen hat, was in der Kleinstadt in Ferguson, Missouri geschehen ist. Dort wurde ein junger Mann erschossen und die Gesellschaft war gespalten." Allerdings hätten die USA nichts gegen "diesen prüfenden Blick" des Auslands. Denn er erinnere das Land daran, stets für seine Ideale zu kämpfen.

Ein Obama-Berater verrät anschließend, dass diese Passage in die Rede eingebaut worden sei, um dem Publikum folgende Botschaft zu verbreiten: "Auch wir sind nicht perfekt." Hier werden die Unterschiede zu den jüngsten Auftritten des US-Präsidenten deutlich. Anders als bei seiner Rede an die Nation, in der er die Luftangriffe mit der direkten Bedrohung Amerikas durch IS und der US-Verantwortung für die weltweite Sicherheit begründete, vermeidet Obama nun jeden Bezug auf eine amerikanische Sonderrolle und bittet stattdessen um internationale Unterstützung (mehr bei Politico).

Um diese angestrebte "breite Koalition" zu festigen, kommt noch viel Arbeit auf die Diplomaten aus Washington und den anderen Hauptstädten zu. Bevor Obama ins Weiße Haus zurückkehrt, beschäftigt er sich an diesem Donnerstag noch mit einigen jener Themen, die er in seiner Rede vor der Generalversammlung ebenfalls erwähnte. Der US-Präsident hat erneut die russische Aggression in Europa kritisiert und die Führung in Iran gemahnt, die Gelegenheit zu nutzen, den Streit um Teherans Atomprogramm friedlich beizulegen.

Es ist noch eine weitere Rede vorgesehen: Bei einem UN-Treffen zu der in Westafrika grassierenden Ebola-Epidemie wird Obama wohl ebenfalls für ein möglichst breites Bündnis werben. Auch der Kampf gegen diese Seuche offenbart, wie stark sich die globale Ordnung im vergangenen Jahr verändert hat - die Welt wird immer instabiler.

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