Obamas Türkei-Vorstoß:Der EU-Club will selbst entscheiden

Zustimmung, Gelassenheit, Empörung: Der Ruf von US-Präsident Obama nach einem raschen EU-Beitritt der Türkei ruft geteilte Reaktionen hervor.

Die Aufforderung von US-Präsident Barack Obama an die Europäische Union (EU) beim EU-USA-Gipfel in Prag, die Türkei als Mitglied aufzunehmen, hat in Deutschland und Europa ein geteiltes Echo ausgelöst.

Obamas Türkei-Vorstoß: Wie auch immer sich das Verhältnis der EU zur Türkei gestaltet - die Europäer wollen es sich nicht von den USA vorschreiben lassen.

Wie auch immer sich das Verhältnis der EU zur Türkei gestaltet - die Europäer wollen es sich nicht von den USA vorschreiben lassen.

(Foto: Foto: dpa)

Die Bundesregierung zeigte sich unbeeindruckt von der Forderung des Präsidenten. "Die Verhandlungen mit der Türkei dauern an, sie werden auch noch geraume Zeit benötigen, noch einige Jahre absehbar", sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin.

"Die Verhandlungen werden (...) ergebnisoffen geführt", fügte er hinzu. Insofern werde auch das Ringen um die unterschiedlichen Varianten anhalten. Steg bekräftigte die Haltung von Kanzlerin Angela Merkel als CDU-Chefin. "Die Bundeskanzlerin als Parteivorsitzende hat immer für die privilegierte Partnerschaft eingestanden und dafür geworben."

Dagegen sprach sich der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, für einen Beitritt der Türkei zur EU aus. Der SPD-Politiker sagte im Deutschlandradio, die USA hätten großes Interesse an einer Integration der Türkei in die EU.

"Das ist ein geopolitischer Ansatz, den man nachvollziehen kann, den ich persönlich auch für richtig halte", sagte Erler. Auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD sei das Ziel erwähnt. "Da steht nichts von privilegierter Partnerschaft", sagte er.

"Die Türkei ist noch nicht fertig"

Mehrere Unionspolitiker unterstützten hingegen einmütig die Linie der Kanzlerin. Der Außenexperte der Unions-Bundestagsfraktion, Eckart von Klaeden (CDU), warnte nach dem Streit auf dem Nato-Gipfel vor einem EU-Beitritt der Türkei. Die Türkei hatte sich der Ernennung des Dänen Anders Fogh Rasmussen zum Nato-Generalsekretär lange Zeit widersetzt.

"Immer häufiger distanziert sich die Türkei in wichtigen Fragen von der EU oder ihren Mitgliedsstaaten", erklärte von Klaeden der Online-Ausgabe des Handelsblatts. Es werde "immer deutlicher, dass (...) eine privilegierte Partnerschaft sowohl für die Türkei wie die EU die bessere Alternative als eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU wäre", stellte er fest.

Der CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok warf Obama vor, sich mit seiner Forderung nach einer Vollmitgliedschaft der Türkei in ureigene Entscheidungen der EU einzumischen. Der Außenexperte sagte im rbb: "Das ist unsere Angelegenheit. Wir reden auch nicht darüber, ob die Vereinigten Staaten neue Mitglieder aufnehmen sollen."

Brok erklärte weiter, die EU würde sich mit einem Land wie der Türkei zum gegenwärtigen Zeitpunkt völlig übernehmen. "Dieses Land ist selbst noch nicht fertig im Bereich der politischen Entwicklung und der Rechtsstaatlichkeit und Fragen, die mit Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit zu tun haben."

Auch in der CSU rief das Werben Obamas für die Türkei deutlichen Unmut hervor. Der CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl, Markus Ferber sagte, es sei "allein Sache der Europäer", wie die EU ihre Beziehungen zur Türkei gestalte. Die US-Regierung habe zwar in der Nato "ein Wörtchen mitzureden". Über Mitgliedschaften "in ihrem eigenen Club" entscheide die EU aber alleine.

Türkei spricht von "Garantien"

Noch schärfer äußerte sich der CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt. Er betonte: "Die EU ist nicht der Spielball Obamas." Der US-Präsident versuche, "die Türken auf Kosten der Europäer zu belohnen und gleichzeitig die europäische Integration zu schwächen oder zu unterminieren".

Die Europäische Kommission betonte, dass Obamas Forderung keinerlei Auswirkungen auf die laufenden Verhandlungen mit der Türkei habe. "Es gibt nichts Neues", sagte eine Kommissionssprecherin in Brüssel. Der Verhandlungsrahmen sei Ende 2004 einstimmig von den EU-Mitgliedstaaten festgezurrt worden, und die Gespräche hätten 2005 begonnen.

Man sei in der "Mitte dieses Prozess". Am Ende werde es darum gehen, zu sehen, "ob die Türkei bereit ist, der Europäischen Union beizutreten und ob die EU für diesen Beitritt bereit ist".

Die Sprecherin von EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner fügte hinzu, der Beitritt der Türkei habe nichts mit Entscheidungen innerhalb der Nato zu tun. Beides seien absolut getrennte Organisationen.

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy bekräftigte seine Ablehnung einer türkischen EU-Mitgliedschaft. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso begrüßte Obamas Vorstoß dagegen.

Obama hatte die EU-Staats- und Regierungschefs am Sonntag in Prag aufgefordert, die Türkei als Mitglied aufzunehmen. Zuvor hatte Obama beim Nato-Gipfel dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül grünes Licht zur Nominierung des dänischen Regierungschefs Anders Fogh Rasmussen zum neuen Nato-Generalsekretär abgerungen. Später hatte es aus Ankara geheißen, dafür habe die Türkei "Garantien" von Obama erhalten.

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