Obamas Top-Berater Slaby über Online-Kampagnen:Im Wahlkampf getestet, fürs Leben geeignet

Obamas Top-Berater Slaby über Online-Kampagnen: Michael Slaby kümmerte sich im Wahlkampf-Team von Barack Obama 2012 um das große Ganze.

Michael Slaby kümmerte sich im Wahlkampf-Team von Barack Obama 2012 um das große Ganze.

(Foto: Stephan Rumpf)

Lehren aus dem Hightech-Wahlkampf: Michael Slaby hat viel dazu beigetragen, dass Obama US-Präsident wurde. Nun besucht der Stratege Deutschland und verrät, wo Politiker und Firmen Technik sinnvoll einsetzen können und wo sie lieber altmodisch denken sollen.

Von Matthias Kolb

E-Mail, Twitter, Facebook und An-die-Tür-Klopfen: Obamas Wahlkampf-Team nutzte jede Möglichkeit, um für ihn zu werben. Als "Chief Integration and Innovation Officer" kümmerte sich Michael Slaby darum, den Datenberg zu verwalten und den "gläsernen Wähler" zu entschlüsseln. Dennoch argumentiert er, dass es vor allem auf einen guten Kandidaten ankommt - und nennt sechs Lehren, die Firmen und Politiker aus der Obama-Kampagne ziehen können.

Nach der Wiederwahl von Barack Obama hat sich Michael Slaby ausgeruht und einige Monate als Fellow an der Harvard-Universität verbracht. Nun ist der 1977 geborene Slaby in Deutschland, um von seiner Arbeit zu berichten. Zum Morgentermin im Wohnzimmer von William Moeller, dem US-Generalkonsul in München, kommt er mit einem Starbucks-Pappbecher, mittags spricht er in der Akademie der bayerischen Presse.

Allein wegen der unterschiedlichen Datenschutzgesetze und Wahlsysteme ist ein Transfer auf andere Länder schwierig, doch seine Erfahrungen können für Parteien, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen interessant sein. Viel war in den Medien (auch bei Süddeutsche.de) über den Hightech-Wahlkampf in den USA und den "gläsernen Wähler" zu lesen, doch Slaby rückt bei seinem Besuch in München einiges zurecht.

Es zählt die Botschaft und Technik ist kein Selbstzweck

Noch immer sei der Kandidat der Schlüssel zum Erfolg, beharrt Slaby. Obama habe deutlich gemacht, welche Vision er für Amerika habe und welche Werte er vertrete. Daraus hätte sein Team eine für alle verständliche Botschaft destilliert. Ausgerichtet auf das komplizierte US-Wahlsystem sei eine langfristige Strategie entwickelt worden, mit immer kleinteiligeren Taktiken. "Erst an diesem Punkt kamen Twitter, Facebook und unsere eigens entwickelten Programme ins Spiel", berichtet Slaby.

Auch wenn er selbst ein Technik-Freak sei, dürfen digitale Hilfsmittel nie als Selbstzweck angesehen werde. Digitale Hilfsmittel tragen nur dazu bei, dass die Maschinerie noch besser läuft. Viele Freiwillige mobilisieren, das Programm von Obama bekannter machen - dafür sei Social Media ideal. E-Mail habe sich bewährt, um Spendengelder einzusammeln und ein Werkzeug namens "Optimizer" sorgte dafür, dass die Demokraten ein Zehntel weniger für ihre TV-Spots zahlen mussten als die Republikaner, weil sie in Nischensendern und zu ungewöhnlichen Zeiten preiswerte Plätze fanden. Bei einem Werbe-Budget von Hunderten Millionen Dollar konnte so viel Geld in diesen Sparten eingespart und für andere Zwecke verwendet werden.

Dennoch: Ist der Kandidat nicht attraktiv und überzeugend, so hilft die schickste Website und das ausgeklügeltste Programm nicht. Politiker in anderen Ländern sollten also ein klares Profil entwickeln, das sie von anderen unterscheidet und erst dann überlegen, wie sie dieses so vielfältig wie möglich verbreiten können.

Sei authentisch, auf allen Kanälen

"Die Zeiten, in denen Politiker vor einem gewissen Publikum etwas anderes sagen als vor einer anderen Gruppe und damit durchkommen, sind vorbei", sagt Michael Slaby. Mitt Romney musste dies erfahren, als ein Geheimvideo enthüllte, dass er vor reichen Spendern erklärt hatte, dass sich Obamas Anhänger als Opfer empfinden würden. Die digitalen Aufnahmefunktionen von Smartphones tragen ebenso zu dieser neuen Form von Transparenz bei wie die Möglichkeiten eines jeden Bürgers, über Blogs, Twitter und Facebook selbst Botschaften zu senden; zudem sei der Medienmarkt heutzutage sehr diffus und ausdifferenziert.

Für Slaby ist die Konsequenz klar: Jeder Politiker und jede Firma sollte sich auf allen Kanälen so authentisch wie möglich verhalten und sich nicht widersprechen. Es sei ein Irrglaube, dass es ein konservativer Elder Statesman sich auf Twitter besonders cool präsentieren müsse oder sich vor einem Termin mit Jungwählern von einem Mitarbeiter etwas über vermeintliche Trends erzählen lasse. "Natürlich wirkt es peinlich, wenn ein altgedienter Politiker über Justin Bieber redet. Er sollte er selbst sein, das ist doch interessant genug, wenn die Botschaft stimmt."

Jeder Mitarbeiter ist wichtig für den Gesamterfolg

Wahlkampf in den USA funktioniert vor allem über freiwillige Helfer, die in den umkämpften Wechselwähler-Staaten an Haustüren klopfen und andere Bürger anrufen. "Es kommt darauf an, dass jeder das Gefühl hat, dass sein Beitrag wichtig ist", bilanziert Slaby. Also hätte sein Team viel Zeit und Energie darauf verwendet, dass möglichst viele der bereitgestellten Telefonnummern potenzieller Wähler korrekt waren und die Sympathisanten ihre Zeit nicht in Diskussionen mit überzeugten Republikanern verschwendeten. Dies sorge nur für Frust und führe dazu, dass die Helfer die gesteckten Ziele nicht erreichen, vorzeitig aufgeben oder sogar falsche Angaben machen.

"Wir hatten 2,2 Millionen Freiwillige im Einsatz, die Gespräche mit 150 Millionen Wählern geführt haben", berichtet Slaby und ergänzt stolz, dass vor allem bei jenen Amerikanern das Telefon klingelte, die für Obama gewonnen werden konnten und in Swing States wohnten. Gestützt auf seine Erfahrungen mit Helfern im ganzen Land empfiehlt Slaby, Mitarbeitern möglichst sinnvolle Aufgaben zu geben: "Nur weil du beschäftigt bist, heißt das noch lang nicht, dass du produktiv bist."

Erfolg muss definiert werden

In seinem Job als Wahlkampf-Manager war die Frage nach Erfolg leicht zu beantworten, gibt Slaby zu: "Am Wahltag muss Obama mindestens 270 Wahlmänner-Stimmen erhalten." Gewinner und Verlierer stehen schnell fest, das Ergebnis ist klar messbar und hübscherweise gibt es auch ein Ziel (Obama bleibt im Weißen Haus), auf das alle hinarbeiten.

Für Unternehmen, die Slaby nun auch berät, lassen sich Erfolge auch einigermaßen klar definieren. Schwieriger sei dies für Nichtregierungsorganisationen, die sich gern mal verzetteln. Slaby unterstützt eine NGO in Chicago namens Bright Pink, die das Brustkrebsrisiko von Frauen senken will. "Welche Ziele sind für Bright Pink sinnvoll? Geht es wirklich darum, so viel Geld wie möglich zu sammeln oder besonders viele Menschen zu Events zu locken? Oder ist es nicht effektiver, alles daran zu setzen, dass sich viele Frauen aus Risikogruppen rechtzeitig testen lassen und so früh reagiert werden kann?" Slaby ist überzeugt: Je genauer eine Organisation weiß, was sie erreichen will, umso erfolgreicher ist sie.

Alles lässt sich testen, alles lässt sich verbessern

Ein Erfolgsgeheimnis des Obama-Teams war eine ausgeprägte Testkultur: Ständig wurde ermittelt, ob eine von Michelle Obama abgeschickte E-Mail mehr Spenden-Dollars einbrachte als ein Aufruf vom Präsidenten. Die Mitarbeiter ließen auch analysieren, welche Assoziationen bestimmte Wörter auslösen. Hier verrät Slaby in München einige Details: "2008 war der Button, um zum Spenden-Bereich zu gelangen, rot. Vier Jahre später war die weiße Farbe effektiver." Über die Gründe kann auch er nur spekulieren: Womöglich hätten seither viele andere Kampagnen die rote Farbe verwendet, was zu einer Ermüdung geführt haben könnte.

Der frühere Chef-Innovator appelliert an Politiker, NGOs und Firmen, die eigenen Methoden immer wieder zu hinterfragen und sich dabei nach Möglichkeit auf Daten und Experimente zu stützen. Dass Slabys Lehren mitunter nach typischen Management-Lehrbuch-Sätzen klingen und daher angreifbar sind, wird immer wieder deutlich. Denn selbstverständlich ist jeder Fall unterschiedlich, weshalb der Amerikaner den Verantwortlichen rät, es auch nicht zu übertreiben: "Ständige Veränderungen können die Mitarbeiter aber auch verunsichern."

Konzentriere dich auf das Wesentliche

Über den Wahlkampf des Republikaners Romney äußert sich Michael Slaby in München recht wohlwollend: "Er hatte das gleiche Problem wie wir 2008. Der Vorwahlkampf hat lange gedauert und seine Berater konnten wenige Dinge langfristig planen." Im Obama-Team war Slaby für die großen Ideen zuständig - und oft war er gezwungen, "Nein" zu sagen.

Viele Parteien, Firmen und NGOs machten den Fehler, dass sie sich verzetteln und etwa versuchen würden, auf allen Plattformen im Web vertreten zu sein. Unter dem Slogan Avoid shiny objects fordert er, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sich nicht durch glänzende, aber doch nebensächliche Dinge ablenken zu lassen.

Welche Trends den Wahlkampf 2016 bestimmen werden, das kann auch Slaby nicht verraten. Mit deutscher Politik kenne er sich nicht besonders aus, verrät er grinsend: "Bisher hat mich noch keine Partei angerufen."

Linktipps: In einem Essay für die Stanford University beschreibt Michael Slaby, welche Lehren Parteien, Firmen und NGOs aus den Erfahrungen der Obama-Wahlkämpfer ziehen können. Ein Porträt über Slabys wichtigsten Mitarbeiter Harper Reed, den "Chef-Nerd des Präsidenten", erschien im November im US-Wahlblog von Süddeutsche.de.

Ein ausführliches Porträt über Michael Slaby erscheint in der Donnerstagsausgabe der SZ.

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