Obamas Kuba-Offensive:Aufbäumen eines Befreiten

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US-Präsident Barack Obama wirkt wie gelöst. Er scheint nur noch das machen zu wollen, was er für richtig hält.

(Foto: AFP)

US-Präsident Obama will normale Beziehungen mit Kuba, keine Feindschaft mehr. Für ihn ist die Kehrtwende in der jahrzehntealten Embargopolitik auch ein Signal an die Welt: Er will zeigen, dass er noch Historisches leisten kann.

Von Nicolas Richter

Am Dienstag hat US-Präsident Barack Obama mit Raúl Castro telefoniert, dem kubanischen Staatschef. Das Weiße Haus zeigte ein Foto: Obama sitzt lässig am Schreibtisch, im Hintergrund seine Berater, relativ jung, niemand hat weiße Haare. Hat Obama denn in dem Telefonat, so fragt man ihn später, irgendeine Garantie erhalten, dass sich das kommunistische Kuba ändern wird? Nun ja, antwortet Obama, er wisse nicht, ob sich Castro im Alter von "80 plus irgendwas" noch ändern werde. "Aber in Kuba", fügt er hinzu, "steht ein Generationswechsel bevor".

Obama sieht sich, wie so oft, als Anführer einer jugendlichen Revolution, als Politiker der neuen Generation, der sich lösen kann von vermeintlich unerschütterlichen Dogmen. Eines davon lautet, dass man mit dem kubanischen Regime nicht reden dürfe. Obama hat sich darüber hinweggesetzt: Am Mittwoch verkündet er, dass er normale Beziehungen mit Kuba anstrebe. Nach 50-jähriger Feindschaft möchte er in Havanna eine US-Botschaft eröffnen und das Embargo lockern, das die Zuckerinsel seit Jahrzehnten plagt und die politischen Verhältnisse doch nie zu ändern vermochte.

In Washington herrscht am Mittwoch erst einmal Staunen, dass sich der Präsident diese historische Wende zutraut - und dass diese Wende in der geschwätzigen Hauptstadt so lange geheim bleiben konnte. Inhaltlich fallen die Reaktionen so vorhersehbar aus, dass man sie wortwörtlich hätte vorhersagen können. Die Senatoren John McCain und Lindsey Graham, zwei republikanische Wortführer im Parlament, rügen den Präsidenten wegen der "Beschwichtigung gegenüber autokratischen Diktatoren und Strolchen". Es ist die Stimme der alten republikanischen Schule: Mit Feinden spricht man erst, wenn sie kapitulieren.

Obamas Politik beruhe auf einer Illusion

Jenseits der Falken gibt es eine zweite Kritikergruppe. Sie besteht aus Politikern, deren Machtbasis in Florida liegt, speziell bei den Exilkubanern - das sind eingebürgerte Amerikaner, die einst aus Kuba geflohen sind und Zugeständnisse an das verhasste Regime ablehnen. Für diese relativ kleine, aber einflussreiche Gruppe spricht etwa der junge Senator Marco Rubio: Obamas Politik beruhe auf der Illusion, dass mehr Handel zu mehr Freiheit führe. Auch Floridas Ex-Gouverneur Jeb Bush wirft Obama vor, er werfe die Kubaner in ihrem Streben nach Demokratie zurück.

Obama verteidigt sich nun damit, dass er den Gegensatz beschwört zwischen den "80 plus irgendwas"-Jährigen und der jüngeren Generation, und dieses Argument lässt sich nicht nur auf Kuba anwenden, sondern auch auf die Kritiker zu Hause. Zum Beispiel auf McCain, 78, der stark vom Kalten Krieg geprägt wurde. Schon im Wahlkampf 2008 hat Obama sich deutlich vom Mantra der Republikaner distanziert, Feinde müsse man anschweigen. "Die Vorstellung, dass wir Leute bestrafen können, indem wir nicht mit ihnen reden, ist lächerlich", sagte Obama, schon damals wollte er sich im Gegensatz zu Präsident George W. Bush als Versöhner profilieren.

Innenpolitische und wahltaktische Interessen

Aber es stehen sich hier nicht nur zwei außenpolitische Schulen gegenüber, sondern auch schlicht innenpolitische, wahltaktische Interessen. Die Republikaner Marco Rubio und Jeb Bush sind mögliche Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2016, beide sind dann auf die Stimmen der Exilkubaner angewiesen. Allerdings könnte ihr Kalkül von gestern stammen: In der kubanischen Exilgemeinde sind vor allem die Älteren unversöhnlich, während die Jüngeren eine Annäherung befürworten. Landesweit ist die Stimmung längst umgeschlagen, schon 2009 befürworteten zwei Drittel aller Amerikaner eine Versöhnung. Obama hat dies versprochen und trotzdem die Hauptwahlen für die Präsidentschaft in Florida gewonnen. Das Ende der Feindschaft mit Kuba erklärt er damit, dass etliche Bürger dem Kalten Krieg schlicht entwachsen seien: Die Sanktionen gründeten auf Ereignissen, "die passiert sind, bevor die meisten von uns geboren wurden".

Die Wende fällt nun in eine Zeit, da Obama so ungehemmt regiert wie noch nie. Im Alleingang hat er zuletzt das Umweltrecht verschärft, einen Klimapakt mit China geschlossen und die Einwanderungsgesetze reformiert. Spätestens seit der letzten Kongresswahl wirkt Obama wie befreit, er muss bis zum Ende seiner Amtszeit keine Rücksicht mehr nehmen auf Wähler, auf die öffentliche Meinung oder auf die Opposition. Die letzten beiden Jahre im Amt gelten für US-Präsidenten als die Zeit für bleibende diplomatische Erfolge, als letzte Gelegenheit, ein politisches Erbe zu hinterlassen.

Sein Coup mit Kuba fügt sich als spektakulärer Alleingang in diese Spätphase seiner Präsidentschaft, aber die Grundlage hat er viel früher geschaffen. Schon nach dem Amtsantritt 2009 verfügt Obama die erste Lockerung von Sanktionen, doch endet sein Annäherungsversuch, als Ende 2009 in Kuba der US-Bürger Alan Gross verhaftet wird.

Erst zu Beginn seiner zweiten Amtszeit 2013 unternimmt Obama einen neuen Vorstoß. Emissäre beider Seiten treffen sich in Kanada, verhandeln über den Austausch gefangener Spione. Weil die Kubaner misstrauisch bleiben, bittet Obama Papst Franziskus zu vermitteln. Der Durchbruch gelingt im Oktober 2014 bei Gesprächen im Vatikan, aber es dauert dann noch ein paar Wochen, bis letzte organisatorische Fragen geklärt sind.

Große Auseinandersetzungen stehen in Washington bevor

In Washington stehen nun zwei große Auseinandersetzungen bevor. Die erste gilt der US-Botschaft, die Obama in Havanna eröffnen möchte. Hochrangige Republikaner haben angekündigt, dass sie das Vorhaben mit ihrer Mehrheit in beiden Parlamentskammern verhindern werden. Über ihr Haushaltsrecht können sie schlicht Geld für das Projekt verweigern, außerdem kann der Senat jeden Kandidaten für den Botschafterposten ablehnen. Die Mehrheiten in dieser Frage sind ungewiss: Manche Republikaner haben Obama für die neue Kuba-Politik gelobt, sie könnten sich zusammen mit den Demokraten im Kongress gegen ihre eigene Partei stellen.

Die zweite Auseinandersetzung gilt der Nachfolge Obamas. Die Kandidaten werden eine Bilanz seiner Außenpolitik ziehen, und die meisten Republikaner dürften Obamas Ansatz der Annäherung für gescheitert erklären. Die mutmaßliche Kandidatin der Demokraten hingegen, Hillary Clinton, lobt den Kuba-Vorstoß, sie dürfte für Diplomatie und Dialog eintreten. Wer die Amerikaner am Ende überzeugt, hängt auch davon ab, wie sich das Verhältnis zu Kuba oder Iran bis dahin entwickelt.

Das Weiße Haus schließt nicht aus, dass Obama vor dem Ende seiner Präsidentschaft Kuba besucht. Die Bilder dürften für Furore sorgen, nicht zuletzt in kommenden Wahlkämpfen. Die Hand Raúl Castros hat Obama schon einmal geschüttelt, Ende 2013 bei der Trauerfeier für Nelson Mandela. Anschließend sagte der rechte Senator McCain, dies erinnere ihn an den britischen Premier Neville Chamberlain, als der Adolf Hitler die Hand reichte.

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