Obamas Besuch in Schweden:Knäckebrot statt Kaviar

A palace guard stands in front of the Royal Palace while the sun sets over the Grand Hotel in downtown Stockholm

Stockholm wartet auf den Besuch des US-Präsidenten Obama.

(Foto: REUTERS)

Eigentlich wollte US-Präsident Obama an diesem Mittwoch Präsident Putin in Moskau besuchen, sagte dann aber ab - wegen der Spannungen zwischen den Großmächten. Stattdessen reist Obama nun nach Stockholm. Damit will er einen treuen Verbündeten belohnen - und sich selbst.

Von Gunnar Herrmann

Weltpolitisch mag der Stockholm-Ausflug des US-Präsidenten Barack Obama im Schatten des möglichen Eingreifen des Westens in den Syrien-Krieg eine Randnotiz sein. Für Schwedens Außenminister Carl Bildt ist der Besuch an diesem Mittwoch trotzdem eine Sternstunde. Der konservative Außenpolitiker wird in diesen Tagen nicht müde in Interviews und auf Twitter die "historische Bedeutung" der Stippvisite zu betonen, die kaum 24 Stunden dauern wird.

Noch nie war ein amerikanischer Präsident zu bilateralen Gesprächen im Land. Dabei fiel die Ehre den Schweden auf den ersten Blick eher zufällig in den Schoß: Eigentlich hatte Obama für den Mittwoch einen Besuch in Moskau bei Präsident Wladimir Putin geplant, dann aber wegen der Spannungen zwischen den Großmächten abgesagt. Auslöser war Anfang August das russische Asyl für den NSA-Enthüller Edward Snowden. Nun also Knäckebrot statt Kaviar - ein Verlegenheitsbesuch?

Seit dem Mauerfall sind die Beziehungen gut

Tatsache ist, dass Schwedens Verhältnis zu den USA sich stark gewandelt hat. Im Kalten Krieg lavierte das Land unter dem Markenzeichen der Neutralität zwischen den Blöcken. Unter Olof Palme war das Verhältnis so gespannt, dass Verschwörungstheoretiker bis heute munkeln, die CIA habe den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten ermordet.

Doch spätestens seit dem Mauerfall sind die Beziehungen überaus gut. Schweden ist, obwohl kein Nato-Mitglied, ein treuer Verbündeter und kämpfte an der Seite der Amerikaner in Afghanistan ebenso wie in Libyen. Und kein anderer verkörpert die neue amerikafreundliche Strömung in Schwedens Außenpolitik so konsequent wie Bildt. Er hört es darum nicht gern, wenn der Obama-Besuch als Zufall gewertet wird. Aus seiner Sicht ist der 4. September 2013 die Krönung jahrelanger Diplomatenarbeit.

Per Jönsson, der sich für das Außenpolitische Institut in Stockholm mit Amerika befasst, meint ebenfalls, dass der Präsidentenbesuch eine fällige Belohnung ist. "Als der Termin frei wurde, hat es einfach gut gepasst", sagt er. Bequem ist es auch, im Norden: Unangenehme Fragen wie etwa in Berlin wegen der NSA-Affäre muss Obama in Stockholm nicht befürchten. "In dieser Sache ist die schwedische Regierung bislang verblüffend still gewesen", sagt Jönsson. Mit Großbritannien habe Schweden sogar verhindert, dass die EU eine gemeinsame Kritik an den Ausspähaktionen formuliert.

Bildt sicherte zu, die NSA-Affäre werde beim Staatsbesuch kein Thema sein. Stattdessen wird Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt mit Obama über das Freihandelsabkommen mit der EU sprechen, das ein Ziel der Obama-Administration ist. Schweden gehört zu den EU-Ländern, die sich besonders stark dafür einsetzen.

Das Weiße Haus porträtiert Schweden als Vorreiter

Jönsson findet, der Besuch sei in mancher Hinsicht typisch für diesen US-Präsidenten. Obama versuche solche Reisen oft mit innenpolitischen Zielen zu verbinden, dies könne man in Stockholm gut beobachten. So wird der Präsident am Mittwoch auch über Klimaschutz diskutieren und sich an einer Hochschule über grüne Technologie informieren. Das Weiße Haus und amerikanische Medien porträtierten Schweden im Vorfeld des Besuchs als Vorreiter in Sachen Umweltschutz und als einen Star der globalisierten Weltwirtschaft, der Wachstum, Liberalismus und Wohlfahrtsstaat zu vereinbaren weiß.

So ein Vorbild lässt sich in innenpolitischen Debatten immer gut einsetzen, wenn es um die Gesundheitsreform oder den Ausbau alternativer Energien geht. Obama erinnert da ein wenig an deutsche Familienpolitiker, die oft nach Schweden fahren und Kindertagesstätten besichtigen, wenn sie Argumente für die heimische Krippendiskussion brauchen. So betrachtet wollte er mit dem Besuch vielleicht nicht nur die Schweden belohnen, sondern auch sich selbst. Oder hatte die Entscheidung, Moskau mit Stockholm zu vertauschen, am Ende doch vor allem etwas mit Russland zu tun? Auch dafür spricht einiges.

Ein reiner Verlegenheitsbesuch sieht anders aus

Nach dem Gespräch mit Reinfeldt wird Obama in der Stockholmer Synagoge eine Gedenkfeier für Raoul Wallenberg besuchen. Der Diplomat rettete im Zweiten Weltkrieg Tausende Juden vor den Nazis, wurde von der Roten Armee gefangen genommen und starb vermutlich in einem Moskauer Gefängnis. Er ist Schwedens bekanntestes Opfer des Kalten Krieges.

Anschließend steht ein Abendessen mit Staats- und Regierungschefs aus Finnland, Norwegen, Island und Dänemark auf dem Programm. Die Staatschefs der baltischen Länder hatte Obama schon am Freitag im Weißen Haus empfangen. Bildt sagte, man müsse diese Treffen als "ein gutes Ganzes" betrachten. Obama gehe es eben auch um die gesamte nordeuropäische Region. Um die Ostsee, um die Arktis, um Weltgegenden also, die für Russland seit jeher von großer wirtschaftlicher und geostrategischer Bedeutung sind. Ein reiner Verlegenheitsbesuch sähe wohl anders aus.

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