Süddeutsche Zeitung

Obama zur Abtreibungsdebatte:"Die Gegenseite nicht dämonisieren"

"Hör auf, unsere Kinder umzubringen": Trotz scharfer Angriffe von Abtreibungsgegnern hat US-Präsident Obama zu versöhnlicheren Tönen in der Debatte aufgerufen.

US-Präsident Barack Obama hat Gegner und Befürworter des Rechts auf Abtreibung zu gegenseitiger Toleranz aufgerufen. In einer Rede an der führenden katholischen Universität der USA, Notre Dame in Indiana, sagte er am Sonntag, er wisse, dass sich beide Lager unversöhnlich gegenüberstünden.

Doch müsse es einen Weg geben, "an unseren Prinzipien festzuhalten, ohne diejenigen zu dämonisieren, die auf der anderen Seite ebenso feste Überzeugungen haben". Man müsse vermeiden, die Andersdenkenden zu Karikaturen zu machen.

"Wenn wir uns denjenigen öffnen, die nicht so denken wie wir oder nicht dasselbe glauben wie wir - dann können wir vielleicht entdecken, dass Gemeinsamkeiten möglich sind", sagte Obama weiter.

Anlass der Rede war die Verleihung der Ehrendoktorwürde an Obama. Seit die Pläne bekannt wurden, herrschte in und um die Universität heller Aufruhr. Obamas liberale Haltung zu Abtreibungen erzürnt vor allem katholische und republikanische Gemüter.

Vor Obamas Ankunft wurden fast 40 Personen wegen unbefugten Betretens festgenommen. Bereits am Samstag gab es während Anti-Obama-Demonstrationen 19 Festnahmen. Die mehreren hundert Abtreibungsgegner trugen Plakate mit Aufschriften wie "Schande für Notre Dame" und "Stoppt Abtreibungen jetzt".

Als Obama den den Saal der Universität betrat, gab es donnernden Applaus und sogar stehende Ovationen von vielen der etwa 12.000 Anwesenden. Während seiner Ansprache wurde er von mindestens drei Abtreibungsgegnern unterbrochen.

Wandel in der öffentlichen Meinung

Einer rief: "Hör auf, unsere Kinder umzubringen." Anhänger Obamas im Publikum reagierten mit dem Ruf des Wahlkampfslogans des Präsidenten: "Yes, we can."

Obama schien von der lautstarken Kontroverse unbeeindruckt und sagte, die Amerikaner müssten auch in der Lage sein, mit Dingen umzugehen, die ihnen "unbehaglich" seien. Er sprach sich für wirksamere Maßnahmen zur Verhinderung ungewollter Schwangerschaften und zur Erleichterungen von Adoptionen aus.

Eingeführt wurde Obama von Universitätspräsident John Jenkins, der sich bereits heftige Kritik gefallen lassen musste. Studenten, Forscher und Bischöfen warfen ihm vor, er verrate die katholischen Wurzeln der Einrichtung. Jenkins lobte Obama als einen Mann, der auch mit denen spreche, die nicht der gleichen Meinung seien wie er.

Jüngsten Umfragen zufolge lehnen immer mehr Amerikaner Schwangerschaftsabbrüche ab. In einer am Freitag veröffentlichten Gallup-Erhebung bezeichneten sich 51 Prozent der Befragten als "Pro-Life"-Anhänger, also als Gegner des Rechts auf Abtreibung. 42 Prozent dagegen sahen sich auf der Seite der "Pro-Choice"-Bewegung.

Damit sprach sich erstmals seit 1995 eine Mehrheit der Befragten gegen das Recht auf Abtreibung aus. Noch vor einem Jahr lag der Anteil von "Pro- Choice" bei 50 Prozent und der von "Pro-Life" bei 44 Prozent.

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