Süddeutsche Zeitung

Obama zu Ölkatastrophe:"Ein beispielloses Desaster"

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Während der BP-Konzern fieberhaft versucht, das Bohrloch im Golf von Mexiko zu schließen, zieht Präsident Obama Konsequenzen - und verbietet für mindestens sechs Monate Ölbohrungen vor den Küsten.

Christian Wernicke, Washington

Präsident Barack Obama hat einen vorläufigen Stopp aller neuen Tiefsee-Bohrungen vor Amerikas Küsten verfügt. Zudem wird die US-Regierung die Versteigerung von Lizenzen zur Erschließung neuer Öl- und Gasvorkommen in Alaska, im Golf von Mexiko und im Atlantik aussetzen.

Derweil versuchte der BP-Konzern fieberhaft, in 1500 Meter Tiefe jenes Bohrloch zu schließen, aus dem seit dem 20. April tonnenweise Öl ausströmt. Mindestens 160 Kilometer Küste sind inzwischen verseucht.

Gemäß neuer Untersuchungen des angesehenen Geologischen Diensts der USA droht die Umweltkatastrophe weitaus größer auszufallen als bisher befürchtet. Zwei unabhängige Forschergruppen schätzen nun, dass seit der Explosion der BP-Bohrinsel "Deepwater Horizon" am 20. April täglich 1,9 bis 3,8 Millionen Liter Rohöl ins Meer geströmt seien. Das wäre mehr als das Vierfache der bisher unterstellten Menge. Mit einer Gesamtmenge von bis zu 148 Millionen Litern wäre das Unglück damit weitaus größer als bei der Havarie der "Exxon Valdez" 1989 vor Alaska, bei der 42 Millionen austraten. Es sei ein "beispielloses Desaster", das ihn ständig umtreibe, sagte Obama am Donnerstagabend. "Damit wache ich auf und damit gehe ich zu Bett."

Die Küstenwache verbreitete am Donnerstag Erfolgsmeldungen von Versuchen, das Bohrloch zu schließen. BP erklärte nur, seine Notoperation "Top Kill", bei dem mit Hochdruck ein Spezialschlamm in das alte Ventilsystem unmittelbar über der alten Bohrung gepresst wird, verlaufe "strikt nach Plan". Aussagen von Admiral Thad Allen, dem Einsatzleiter der Regierung, wonach das Leck in 1500 Metern Tiefe gestopft sei, bestätigte BP nicht. Auch Nachrichtenagenturen hatten berichtet, es sei gelungen, das Loch vorerst zu schließen.

"Über Jahre von Korruption geplagt"

Als Konsequenz aus der Umweltkatastrophe ist am Donnerstag die Leiterin der Bundesbehörde, Liz Birnbaum, zurückgetreten. Sie war mit der Aufsicht der Öl- und Bohrindustrie beauftragt. Obama warf der Bush-Regierung vor, sie habe die Ölkonzerne nur mangelhaft kontrolliert. Bei Amtsantritt habe seine Regierung eine Aufsichtsbehörde vorgefunden, "die über Jahre von Korruption geplagt war." Zwischen staatlichen Inspektoren und der Ölindustrie habe eine "zu vertraute Beziehung" bestanden

Obama kündigte am Donnerstagabend in einer Pressekonferenz an, vorerst zwei neue Ölbohrungen in arktischen Gewässern nördlich von Alaska zu untersagen. Damit steht fest, dass die von Shell geplanten Bohrungen in diesen ökologisch sensiblen Gewässern um mindestens ein Jahr verzögert werden.

Im Golf von Mexiko würden zudem 33 laufende Bohrungen vorsorglich gestoppt und alle neuen Tiefsee-Explorationen nach Öl und Gasfeldern für mindestens sechs Monate verboten. Zudem ließ Obama zwei Auktionen absagen, bei denen die US-Regierung die Bohrrechte für jeweils ein Ölfeld vor der Ostküste und im Golf von Mexiko versteigern wollte.

Obama trat der wachsenden Kritik an seinem Krisenmanagement entgegen. Die Regierung kontrolliere jeden Schritt der Rettungsarbeiten. Er fügte hinzu, die Ölpest am Golf sei "ein Weckruf" gewesen. Die Krise verdeutlichte, dass Amerika "einen Übergang zu sauberer Energie" brauche.

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Quelle:
SZ vom 28.05.2010
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