Obama unterzeichnet neues Sicherheitsgesetz:Guantanamo für immer

Der US-Präsident hat ein neues Sicherheitsgesetz gebilligt. Die Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo rückt damit in weite Ferne.

Christian Wernicke, Washington

Verschärfte Sicherheitsgesetze ermächtigen künftig Amerikas Behörden, terrorverdächtige Ausländer, die sich in den USA aufhalten, ohne Anklage oder richterliche Anhörung auf unbegrenzte Zeit in Militärhaft zu nehmen. Entsprechende Bestimmungen sind Teil eines Gesetzespakets, das Präsident Barack Obama trotz "ernsthafter Vorbehalte" nun unterzeichnet hat. Obama gab damit dem Druck aus dem Kongress nach, der prinzipiell alle Strafverfahren gegen mutmaßliche Terroristen vor Militärtribunale bringen will. Fortgeschrieben wird zugleich die Internierung der noch immer 171 Häftlinge im Lager auf dem US-Militärstützpunkt Guantanamo.

A demonstrator dressed as a prisoner protests against the U.S. prison at Guantanamo Bay outside the Ministry of Defence in London

Ein als Häftling verkleideter Demonstrant protestiert vor dem britischen Verteidigungsministerium gegen das Gefangenenlager Guantanamo.

(Foto: REUTERS)

Menschenrechtsorganisationen bemängelten die neuen Regeln als "Verstoß gegen Amerikas Prinzipien" und griffen den Regierungschef sogar persönlich an. "Obama wird in die Geschichte als der Präsident eingehen, der eine unbefristete Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren im US-Recht verankert hat", schimpfte Kenneth Roth, der Direktor von Human Rights Watch. Roth verglich das neue Gesetz mit der berüchtigten McCarthy-Ära. Damals hatte ein "Gesetz zur Inneren Sicherheit" ebenfalls eine unbegrenzte Internierung mutmaßlich kommunistischer Staatsfeinde ohne richterliches Gehör erlaubt. Der demokratische Präsident Harry Truman hatte zwar sein Veto gegen das Gesetz eingelegt, war aber vom Kongress überstimmt worden.

Auch Obama hatte wochenlang ein Veto gegen die neuen Anti-Terror-Bestimmungen erwogen. Nach zähen Verhandlungen und einigen Konzessionen des Kongresses gab der Präsident jedoch nach. Senat und Repräsentantenhaus hatten die verschärften Internierungsregeln in ein umfangreiches Gesetzespaket eingewoben, das 662 Milliarden Dollar zur Finanzierung der US-Streitkräfte im Jahr 2012 bereitstellte. Ein Veto hätte Obama im Wahljahr dem Vorwurf ausgesetzt, er gefährde die nationale Sicherheit. Zudem hatten auch die meisten Verteidigungspolitiker der Demokraten das Gesetz mitgetragen.

Konservative Kommentatoren wie das Wall Street Journal priesen die Paragraphen als "einen politischen Konsens", der zurückführe zum Anti-Terror-Kurs von Obamas Amtsvorgänger George W. Bush. Das neue Gesetz komme "den Regeln von Bush-Cheney-Rumsfeld weitaus näher als dies ihre Kritiker zugeben wollen", schrieb die Zeitung. Indirekt bestätigt dies auch die Bürgerrechtsorganisation ACLU, die Obama vorhielt, er habe nunmehr "jede Hoffnung ausgelöscht, dass seine Regierung die Exzesse des Anti-Terror-Kriegs von George W. Bush zurückdrängen werde".

Weißes Haus veröffentlicht Liste mit Vorbehalten

Im Wahlkampf 2008 hatte der Kandidat Obama, ein früherer Dozent für Verfassungsrecht, die Internierungspolitik der Bush-Regierung scharf kritisiert. Bei Amtsantritt im Januar 2009 hatte er angeordnet, das Gefangenenlager Guantanamo innerhalb von zwölf Monaten zu schließen.

Parallel zur Unterzeichnung des Gesetzes veröffentlichte das Weiße Haus nun eine Liste schriftlicher Vorbehalte ("Signing Statement") des Präsidenten. Darin kritisiert Obama vor allem eine Bestimmung "bezüglich der Inhaftierung von Bürgern der Vereinigten Staaten, Ausländern mit Aufenthaltsrecht oder jeder anderen Person, die innerhalb der Vereinigten Staaten gefangen oder festgenommen wird".

Der Präsident versichert, dass "meine Regierung nicht die unbegrenzte militärische Inhaftierung ohne gerichtliche Überprüfung eines amerikanischen Bürgers genehmigen wird". Dies würde, so argumentiert Obama, "mit den wichtigsten Traditionen und Werten unserer Nation brechen". Zum künftigen Rechtsschutz von in den USA ansässigen Ausländern oder von Geschäftsreisenden und Touristen äußert sich Obamas Erklärung jedoch nicht explizit. Zudem wäre kein Amtsnachfolger an Obamas Selbstbeschränkungen gebunden.

Außerdem verfügt das neue Gesetz, dass Terrorverdächtige künftig grundsätzlich von US-Militärgerichten abgeurteilt werden. Zu Beginn der Obama-Regierung hatte allen voran Justizminister Eric Holder darauf gedrängt, die Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 vor Zivilgerichten in New York anzuklagen. Nach Bürgerprotesten in Manhattan hatte Obama diese Idee aufgegeben. Nun konnte das Weiße Haus dem Kongress nur eine Klausel abringen, die es dem Präsidenten erlaubt, wenigstens in Ausnahmefällen einen Zivilprozess anzuordnen.

In den vergangenen zehn Jahren haben US-Zivilgerichte über 400 Terrorfälle zur Anklage gebracht; derweil konnten die Militärtribunale auf Guantanamo nur sechs Verfahren zum Abschluss bringen. Das neue Gesetz beschränkt zudem die Möglichkeiten der Regierung, weitere der 171 Gefangenen in Guantanamo in ihre Heimatstaaten oder in Drittländer zu entlassen.

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