Obama und Schwarze in den USA:Der farblose Präsident

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Doch nicht der Vertreter des "post-racial America": US-Präsident Barack Obama (Foto: AFP)

Sie hatten große Hoffnungen in ihn gesetzt. Aber unter Obama hat sich für Afroamerikaner wenig getan. Stattdessen tritt der US-Präsident bisweilen als Erzieher der Schwarzen auf.

Von Nicolas Richter, Washington

Der Präsident weiß, wie sich Amerikas Schwarze fühlen, er hat es ja alles selbst erlebt. Wie Weiße in ihren Autos ihre Türen verriegeln, wenn sich ein Schwarzer nähert. Wie sich die alte Frau im Fahrstuhl an ihre Handtasche klammert, wenn ein Schwarzer einsteigt. Wie Weiße in Panik geraten, wenn ihnen ein Schwarzer im Kapuzenpulli begegnet.

Barack Obama hat im vergangenen Jahr davon erzählt, damals hatte die Justiz in Florida gerade einen hellhäutigen Nachbarschaftswächter freigesprochen, der den jungen, unbewaffneten Schwarzen Trayvon Martin für verdächtig hielt und erschossen hatte. Obama sagte: "Vor 35 Jahren hätte ich Trayvon Martin sein können."

Als Obama vor mehr als fünf Jahren in das Weiße Haus einzog, feierten ihn die Schwarzen in den USA frenetisch. Optimisten vermuteten, es breche nun die Zeit des "post-racial America" an, in dem Hautfarbe keine Rolle mehr spiele. Aber nicht erst die jüngsten Ereignisse in Missouri zeigen, dass diese Theorie nie mehr war als Träumerei.

Proteste im Vorort von St. Louis
:Eine getrennte Stadt

Der Vorort Ferguson im US-Bundesstaat Missouri kommt nach dem gewaltsamen Tod von Michael Brown nicht zur Ruhe. Mehrere Studien zeigen: Die Stadt St. Louis gehört zu jenen in den Vereinigten Staaten, in denen noch immer starke Rassentrennung vorherrscht.

Von Jürgen Schmieder

In Ferguson, einem Vorort von St. Louis, hat ein weißer Polizist vor gut einer Woche einen unbewaffneten, jungen schwarzen Mann erschossen. Die Umstände der Tat sind noch unklar, aber aus Sicht der Bewohner ist der Tod Michael Browns das bisher schlimmste Symptom einer kranken Gemeinde, in der vier Dutzend weiße Polizisten die mehrheitlich schwarzen Einwohner kontrollieren - oft genug mit Willkür, Schikanen, Respektlosigkeit.

Ferguson wiederum ist selbst Symptom einer US-Gesellschaft, in der die Weißen das Sagen haben, in der zwar ein schwarzer Präsident an der Spitze steht, die Schwarzen aber in allen Lebensbereichen benachteiligt sind. Der Frust ist geradezu explosiv: Leitende Polizisten erinnern jetzt daran, dass vielerorts ein Zwischenfall wie der in Ferguson reichen kann, um Unruhen auszulösen. Amerika, leicht entflammbar.

Hautfarbe bleibt wohl größtes Reizthema

Trotzdem spricht der Präsident selten über Hautfarbe, und noch seltener verbindlich. Mitfühlende Sätze wie der über Trayvon Martin "erklären nicht viel, versprechen nicht viel und sagen uns nicht, wie es weitergeht", bemerkte kürzlich der schwarze Rechtsprofessor Randall Kennedy, es fehle dem Präsidenten jede Agenda oder Vision.

Obama verhält sich wie jemand, der den Verdacht zerstreuen möchte, seine Hautfarbe mache ihn befangen. Er sieht sich wohl selbst nicht als Präsident der Schwarzen in Amerika, sondern eben nur als Amerikas erster schwarzer Präsident.

Hautfarbe bleibt in den USA bis heute das wohl größte Reizthema. Noch immer bekennt sich mehr als die Hälfte der Amerikaner dazu, abwertend über Schwarze zu denken und zu sprechen. Der Rassismus ist nicht ausgestorben, nur subtiler als früher. Nirgends ist dies so deutlich wie in den Begegnungen schwarzer Amerikaner mit der Polizei.

Hautfarbe hat Einfluss darauf, ob jemand angehalten, befragt, abgetastet, überprüft, festgenommen wird. In manchen Städten wie New York ist es eine langjährige Polizeitaktik, besonders dunkelhäutige Bürger anzuhalten und zu kontrollieren. Schwarze Amerikaner etwa rauchen nicht mehr Marihuana als weiße, aber sie werden öfter kontrolliert und überführt. Im Schnitt sitzen Schwarze vier Mal so viel im Gefängnis wie Weiße.

Auch wirtschaftlich sind die Schwarzen stark benachteiligt: Ihr Haushaltseinkommen ist deutlich niedriger als das der Weißen und ist selbst seit dem Ende der Rezession Mitte 2009 nochmals stark gesunken. Amerikas Schwarze sind überdurchschnittlich arm, sie haben Mühe, an frühkindliche Bildung zu gelangen, an die besseren Hochschulen und Arbeitsplätze.

Im vergangenen Jahr sprach Obama zum 50. Jahrestag der "I have a dream"-Rede Martin Luther Kings. Er würdigte die Erfolge der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, aber er beklagte auch die wirtschaftliche Ungerechtigkeit, die Schwarz und Weiß noch immer so hartnäckig trennt. Es komme nicht so sehr darauf an, ob ein Schwarzer Millionär werden könne, sondern ob es jeder Mensch in die Mittelschicht schaffe, sagte er.

Obama relativierte damit auch seinen eigenen Aufstieg: Ein schwarzer Präsident bedeutet nicht Fortschritt für alle. Obama sind ein paar kleine Erfolge geglückt, etwa gegen die unverhältnismäßigen Haftstrafen und zur Förderung junger schwarzer Männer. Aber aus Sicht seiner eigenen Wähler plädiert er zu selten dafür, dass selbst ein unparteiischer Staat einzelne Bevölkerungsgruppen unterstützen darf und muss, wenn sie so chronisch benachteiligt sind wie die Schwarzen.

"Keine Zeit für Ausreden"

Stattdessen ist Obama zuweilen als Erzieher anderer Schwarzer aufgetreten, er hat besonders die jüngeren in die Pflicht genommen, zu Fleiß und Disziplin aufgefordert. Vor schwarzen Studenten sagte er, junge schwarze Männer müssten Verantwortung übernehmen für ihre Familien. Als junger Mann habe er selbst die Gesellschaft für seine eigenen Fehler verantwortlich gemacht. Die Geschichte von Sklaverei und Diskriminierung sei zwar belastend, "aber wir haben keine Zeit für Ausreden".

Schon in seinem ersten Wahlkampf für das Weiße Haus rügte er andere Schwarze dafür, dass sie ihre Familien sitzen ließen und sich mit mittelmäßigen Erfolgen begnügten. Damals wie heute sehen schwarze Beobachter in diesen Worten nicht so sehr eine inhaltlich berechtigte Rüge als vielmehr politische Taktik: Obama müsse der weißen Bevölkerung und Wählerschaft eben beweisen, dass er zuverlässig sei.

Neue Unruhen nach der Tötung eines Schwarzen
:Gouverneur von Missouri schickt Nationalgarde nach Ferguson

Die Gewalt in Ferguson droht immer mehr zu eskalieren. Jetzt soll die Nationalgarde helfen, die öffentliche Ordnung in der Stadt wieder herzustellen. Zusätzlich verschärft wird die Situation durch ein Autopsie-Gutachten, dem zufolge der schwarze Jugendliche durch sechs Schüsse getötet wurde.

Es ist nicht absehbar, dass sich die Lage für Amerikas Schwarze rasch bessert. Längst hat sogar eine Debatte darüber begonnen, ob die Schwarzen nicht eh schon genug gefördert wurden, etwa durch den bevorzugten Zugang zu Hochschulen ( affirmative action), und ob dies nicht wiederum die Weißen diskriminiere und benachteilige.

Der Supreme Court, das höchste Gericht im Land, scheint die affirmative action immer kritischer zu sehen und setzt ihr immer öfter Grenzen. Erst im April haben die Richter ein Gesetz aus Michigan bestätigt, das die Bevorzugung von Minderheiten an Universitäten verbietet.

Sonia Sotomayor, die erste Latina auf der Richterbank, kritisierte die Entscheidung ihrer Kollegen scharf: Sie weigerten sich, die Wirklichkeit zu akzeptieren. "Hautfarbe spielt eine Rolle", sagte sie. "Man muss die Augen öffnen für die unglücklichen Folgen jahrhundertelanger Diskriminierung."

© SZ vom 18.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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