Obama und Romney im US-Wahlkampf:Kümmerer gegen Kassenwart

Der Eine will die größten Härten abfedern, der Andere Tabellen bereinigen: Bevor Barack Obama und Mitt Romney bei ihren Parteitagen zu Einzelheiten ihres Programms kamen, endete meist die Redezeit. Am Ende bleibt aber eine Ahnung davon, was die beiden Lager mit dem Land vorhaben.

Nicolas Richter

Amerikas Parteitage sind seltsame Rituale. Zwei Wochen lang haben Politiker in abgeriegelten Innenstädten erzählt, dass sie hart arbeiten und ihre Familie lieben. Bevor sie zu Einzelheiten ihres Programms kamen, endete zwar meist die Redezeit. Am Ende aber bleibt doch eine Ahnung davon, was die beiden Lager jeweils mit dem Land vorhaben, sollten sie die Präsidentschaftswahl gewinnen.

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Die Demokraten sind eine bunte Gefühlspartei, die überwiegend weißen Republikaner dagegen haben sich in Tampa streng und ziemlich verbiestert gezeigt.

(Foto: AFP)

Die Demokraten sind eine bunte Gefühlspartei, sie bitten Tausende zur Präsidentenrede in ein Stadion, um den Auftritt dann in eine kleine Halle zu verlegen, weil es regnen könnte. Der einst unwiderstehliche Mann in ihrer Mitte ist ein nüchterner Mann geworden: Präsident Barack Obama ersetzt sein altes Motto "Hoffnung" durch das neue Motto "Geduld".

Einst wollte er Amerika mit sich versöhnen, heute spricht er von Solarzellen. Anders als vor vier Jahren ist seine Rede bereinigt von kühnen Visionen. Doch Obama und die Demokraten weisen immerhin einen ungefähren Weg zur Besserung; und vor allem vermitteln sie das Gefühl, dass sie, siehe Autoindustrie, die größten Härten abfedern werden.

Die überwiegend weißen Republikaner dagegen haben sich in Tampa streng und ziemlich verbiestert gezeigt. Ihr Kandidat Mitt Romney und sein Vize Paul Ryan bieten - anders als Obama - eine Vision, wenn auch eine sonderbare: Sie würden den Vorsitz der Regierung anstreben, um diese dann weitgehend abzuschaffen, weil "Staat" an sich sozialistisch, gar europäisch klingt.

Das wäre schlimm für Arme und Schwache, aber die Republikaner glauben, dass die Fleißigen es schon schaffen werden. Romney und Ryan haben nicht erläutert, wer die Zumutungen ertragen und welche mathematischen Wunder geschehen müssten, um gleichzeitig Steuern zu senken und den Haushalt zu sanieren. Doch das ist nicht ihre größte Schwäche - sondern der Eindruck, den sie vermitteln: Romney und sein emsiger Kassenwart Ryan wirken wie zwei Männer, die ihren Ehrgeiz allein auf das Bereinigen von Tabellen richten. Amerikas Soldaten in Afghanistan würdigte Romney in Tampa mit keinem Satz.

Für ein Land, das wirtschaftlichen Erfolg zum Maß fast aller Dinge erhebt, sind die USA zurzeit nicht erfolgreich genug. So gesehen könnte eine Partei von Wirtschaftsexperten schon überzeugen, allerdings nur dann, wenn sie dabei nicht jede Empathie spart. Obama hat es lange zugelassen, dass ihn die Rechte nur als Geldverschwender definierte.

Seine Antwort - soll man sagen: Rache? - ist es jetzt, Romney als sanierenden Sonderling zu definieren, der intellektuell und emotional nicht auf der Höhe ist. Das ist unfair, aber Romney hat Obama dabei geholfen, indem er sich Ryans Spar-Agenda zu eigen machte.

Die Arbeitslosenzahlen sind nicht ermutigend, aber sie sind es auch nicht unbedingt für Romney. Die Amerikaner sind bis heute nicht überzeugt, dass es ihnen mit seinen Kürzungsexperimenten besser ginge. Mit Obama können sie immerhin darauf hoffen, dass sich im schlimmsten Fall jemand um sie kümmert.

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