Obama und die NSA-Reform:Keine Kompromisse mit Obama

Die Kommission also sucht den Mittelweg: Datenbank ja, aber nicht in staatlicher Hand. Immerhin läge darin große Symbolik -die Regierung gibt dem Volk zurück, was dem Volk gehört. Allerdings geht Obama anscheinend selbst dieser Kompromiss zu weit. Wie die New York Times berichtet, möchte er die Daten lieber dort lassen, wo sie sind - im Speicher der NSA. Aus Sicht der Geheimdienste sind sie nur dort schnell und leicht greifbar. Die Telefonfirmen möchten den Datenwust ohnehin nicht verwalten. Womöglich vermeidet es Obama, die Frage abschließend zu beantworten. Zum Teil kann er dies auch gar nicht, weil die Befugnisse der NSA per Gesetz geregelt sind, also vom Parlament. Wie schon im vergangenen Jahr, als der Präsident die letzte Entscheidung über einen Syrien-Angriff an den Kongress delegierte, könnte Obama auch diesmal das Parlament in die Pflicht nehmen.

Dort ist das Meinungsbild völlig uneinheitlich. Obamas Experten bekamen eine Ahnung davon, als sie am Dienstag vom Justiz-Ausschuss des Senats befragt wurden. Allein die republikanischen Senatoren widersprachen einander. Lindsey Graham, ein Falke der alten Schule, unterstellte, Obamas Fachleute hätten den Ernst der Lage nicht begriffen. "Wie viele von Ihnen glauben, dass wir uns im Krieg befinden?", forschte er. "In diesem Krieg muss man den Feind angreifen, bevor er uns angreift." Folglich müsse man wissen, wo er ist. Ganz anders klang der rechte Tea-Party-Senator Ted Cruz. Der Staat, sagte er, beobachte zu sehr gesetzestreue Bürger und zu wenig die gefährlichen Leute.

Die Weltöffentlichkeit wird sich vor allem für das interessieren, was Obama über Spionage bei ausländischen Verbündeten sagt. Seine Kommission zeigt sich hier relativ großzügig. "Die USA sollten die Privatsphäre von Nicht-Amerikanern besser schützen", verlangt sie. Die NSA solle zum Beispiel die E-Mails zwischen Ausländern im Ausland nur dann sammeln, wenn dies der Sicherheit der USA diene. Auf keinen Fall dürfe die NSA dabei Geschäftsgeheimnisse stehlen oder jemanden wegen seines Glaubens beobachten. Würde eine Akte angelegt über eine beobachtete Person, so müsse die Person Gelegenheit haben, die Akte zu sehen und zu korrigieren.

Jurist und Oberbefehlshaber

Das ist einerseits ein bemerkenswertes Zugeständnis, weil die US-Verfassung eigentlich keine Ausländer schützt und Amerikas Dienste außerhalb der US-Grenzen weitgehend freie Hand haben. Aber der Vorstoß der Kommission wirft viele neue Fragen auf: Wie merkt ein Europäer, dass die NSA seine Privatsphäre verletzt? Wie geht er dagegen vor? Ist es realistisch (und bezahlbar), vor ein US-Gericht zu ziehen?

Was Staats- und Regierungschefs betrifft, haben nicht alle Politiker so viel Glück wie Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die hatte zwar jahrelang die NSA in der Leitung, immerhin aber hat ihr Obama versprochen, dass der Lauschangriff nunmehr beendet ist. Andere hochrangige Politiker haben Obama vergeblich um solche Zusagen gebeten. Die Kommission hat empfohlen, dass künftig der Präsident selbst darüber entscheidet, welche seiner ausländischen Kollegen er belauschen lässt. So habe er die Möglichkeit, den Nutzen abzuwägen mit den möglichen politischen Kosten. Das bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass die NSA jeden Minister oder Beamten einer fremden Regierung ohne Weiteres belauschen darf.

An diesem Freitag wird der Jurist Barack Obama über das Recht sprechen und über die Grenzen staatlicher Macht. Aber er weiß, dass er anschließend als Oberbefehlshaber ins Oval Office zurückkehren wird. Wer dort sitzt, hat meistens das Gefühl, zu wenig zu wissen, nicht zu viel.

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