Obama und die arabische Welt:Vom Visionär zum verzagten Taktiker

In der arabischen Welt hat Obama wenig zu gewinnen. In den USA ist man auch gar nicht interessiert an einem aktivistischen Präsidenten, der sein Land in neue Problemzonen zieht. Die labile Situation lässt Washington ratlos zurück: Worte von Liberalität und Demokratie sind nutzlos. Es bleibt eine Politik von der Resterampe.

Von Stefan Kornelius

Wenig mehr als hundert Tage hat Barack Obama gebraucht, um seine Politik gegenüber der arabischen und persischen Welt auszubreiten. Es waren die ersten hundert Tage der ersten Amtszeit. Seither wurde diese Weltregion geschüttelt von Revolutionen und Kriegen - ohne dass Obama einen Versuch unternommen hätte, seiner Politik einen neuen Rahmen zu verpassen. Auch deswegen hätte die Israel-Reise von so großer Bedeutung sein können: Für den Nahen Osten ist dieser Präsident zuletzt so wenig greifbar gewesen, so wenig festgelegt. Doch selbst wenn Barack nun in Ramallah erneut von einer Zwei-Staaten-Lösung sprach - seine Worte verblassen gemessen an der Vision, die er zu Beginn seiner Amtszeit ausgebreitet hat.

Kairo, 4. Juni 2009, Obamas wohl wichtigste außenpolitische Rede. Der Präsident sprach im geistigen Zentrum der islamischen Welt, an der Universität in Kairo. Er hat sein Amt mit zwei klaren Zielen begonnen: Amerika muss im Inneren wieder stärker werden, um in der Welt handeln zu können. Und Amerika muss wieder glaubwürdig werden, besonders in der arabischen Welt. Es geht um Amerikas Überzeugungskraft und Vorbild. Die Kairoer Rede diente dem zweiten Ziel, die Zuhörer waren begeistert, die Weltpresse applaudierte.

Die Rede stand unter dem Titel "Ein neuer Anfang", und Obama schlug einen Ton an, der ihm Respekt und Zustimmung eintrug. Er zitierte den Koran, pries die kulturellen und politischen Leistungen der arabischen Völker, er sprach von Würde und Respekt. Vermutlich war es diese Rede, die Amerikas Bild im Nahen Osten am stärksten zu verbessern half. Und es war die Rede, in der sich Obama am deutlichsten von seinem Vorgänger George W. Bush distanzierte. Als Obama ein halbes Jahr später den Friedensnobelpreis für seine Außenpolitik bekam, wurde vor allem dieser Auftritt ausgezeichnet - und die Fähigkeit des Präsidenten, das Image Amerikas binnen kürzester Zeit neu zu prägen.

Vom Visionär zum Taktiker

Die Kairoer Rede stand in einer Linie mit zwei anderen strategischen Entscheidungen, die Obama zuvor verkündet hatte. Im März 2009 ging er geradezu offenherzig-naiv auf Iran zu und bot dem Land in einer Botschaft zum persischen Neujahrsfest Nouruz die offene Hand. Und schließlich versprach er das Ende der Kampfhandlungen im Irak bis August 2010 und den Truppenabzug zwei Jahre später.

Heute, zehn Jahre nach Beginn der Irak-Invasion und mitten in einem letzten, ernsthaften Verhandlungsversuch der Weltgemeinschaft mit Iran über dessen Nuklearprogramm, ist aus dem Visionär Obama ein verzagter Taktiker geworden. Kritiker seiner Nahost-Politik gibt es viele, besonders im Ausland. In den USA selbst aber ist die Mehrheit gar nicht interessiert an einem aktivistischen Präsidenten, der sein Land in immer neue Problemzonen der arabischen Welt zieht.

Iran bleibt das große strategische Ziel

Diese Krisenherde gab es in der Zeit nach der Kairoer Rede in Hülle und Fülle, weshalb Obama immer wieder Kurzsichtigkeit und Naivität vorgeworfen wurde. Den ägyptischen Potentaten Hosni Mubarak hofierte er noch im Jahr 2009, in der Rede findet sich nur eine versteckte Mahnung an die Autokraten inklusive Hinweis auf Menschenrechte und Demokratie. Als im Januar 2011 die Proteste in den großen Städten Ägyptens begannen, waren die USA eines der letzten Länder, die sich vom alten System abwendeten und den Autokraten fallenließen.

Wenige Monate später, in Libyen, trieben Frankreich und Großbritannien den Westen in den Krieg gegen Muammar al-Gaddafi. Die USA schlossen sich zwar an, wollten aber keine Führung übernehmen. Dass sie am Ende doch den Krieg maßgeblich steuerten, hatte vor allem mit den unzureichenden militärischen Kapazitäten der Europäer zu tun. Zu Hause, in Washington, ließ Obama keinen Zweifel daran, dass dies nicht sein Krieg war. Er hätte dafür auch keine Unterstützung der Öffentlichkeit gefunden.

Dem Idealismus der ersten Wochen ist nun ein defensiver Pragmatismus gefolgt. Die Regierung Obama mischte sich durchaus ein in die Krisendiplomatie in Nahost, aber sie exponierte sich nicht. Außenministerin Hillary Clinton zog es mehr nach Asien als in den Nahen Osten. Und der Präsident selbst ließ nach den Reden der ersten Tage jede große Initiative vermissen. Unterwegs sind freilich die hohen Beamten, die vermitteln und reden.

Noch immer importieren die USA 23 Prozent ihres Rohölbedarfs von der arabischen Halbinsel, weshalb sie das saudische Herrscherhaus unverändert stützen und als Bollwerk gegen den schiitische Iran gar stärken. Noch immer schwimmt die 5. Flotte im Persischen Golf und schützt mit dem Flugzeugträger John C. Stennis die Straße von Hormus.

Gegenüber dem syrischen Gewaltherrscher zeigt Obama sich ratlos - die USA zögern mit Waffenlieferungen (auch wenn es wohl verdeckte Hilfe gibt), allerdings bilden sie Aufständische aus. Bleibt Iran, das große strategisch Ziel: die Eindämmung der Möchtegern-Nuklearmacht. Hier investieren die USA am meisten politisches Kapital, allerdings vor allem mit dem Ziel, nicht in einen neuen Krieg hineingezwungen zu werden.

In der arabischen Welt hat Obama wenig zu gewinnen. Die labile Situation in den Revolutionsstaaten mit ihren starken islamistischen Gruppen lässt Washington ratlos: Hehre Worte von Liberalität und Demokratie sind nutzlos. Was bleibt, ist Politik von der Resterampe.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: