Süddeutsche Zeitung

Obama und der Krieg in Afghanistan:Verluste an der Heimatfront

Zermürbt im Spannungsfeld zwischen seiner kriegsmüden Partei und den Forderungen des Militärs verliert US-Präsident Obama seine wichtigste Waffe: Die Unterstützung der Amerikaner.

W. Jaschensky

Ein kleines bisschen konnte Barack Obama am Dienstag aufatmen. Afghanistans Präsident Hamid Karsai beugte sich dem massiven Druck, den nicht zuletzt die US-Regierung aufgebaut hatte, und stimmte einer Stichwahl zu. Der zweite Urnengang soll nach der manipulierten Präsidentschaftswahl die Hoffnung auf einen demokratischen Wiederaufbau des Landes aufrechterhalten.

Doch die Probleme des US-Präsidenten sind damit nicht gelöst. Im Gegenteil: An der Heimatfront bröckelt die Unterstützung für den Oberbefehlshaber Obama gewaltig.

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Im April dieses Jahres waren noch knapp zwei Drittel der Amerikaner zufrieden mit Obamas Afghanistanpolitik. In einer aktuellen Umfrage der Washington Post und des US-Fernsehsenders ABC sind es nurmehr 45 Prozent. Allein im vergangenen Monat brach die Zustimmung um zehn Prozentpunkte ein.

Die gewaltigsten Verluste verzeichnet Obama unter den Republikanern. Während sich im September noch die Mehrheit von ihnen mit der Arbeit des Oberbefehlshabers zufrieden zeigte, sind es heute nur noch 22 Prozent.

Für diesen Absturz gibt es mehrere Gründe. Obama hatte im Wahlkampf einen Erfolg in Afghanistan zu seiner Priorität erklärt und kurz nach seinem Amtsantritt bereits zusätzlich 21.000 Soldaten in das Kriegsgebiet entsandt. Erst vor wenigen Tagen berichteten US-Medien, dass Obama 13.000 Mann zusätzlich als unterstützende Einheiten in die Region verlegt haben soll - ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren.

Doch seit der US-Oberkommandierende in Afghanistan, Stanley McChrystal im August öffentlich die Entsendung von 40.000 weiteren amerikanischen Soldaten nach Afghanistan gefordert hat, steht Obama erneut unter Zugzwang. Die Mission in Afghanistan, so die Analyse des Generals, drohe ohne die Verstärkung zu scheitern.

McChrystal hat mit dieser Forderung das Militär und die Republikaner hinter sich. Dort an forderster Front: Obamas Widersacher aus dem Wahlkampf, Senator John McCain, der zuletzt lautstark gegen die Afghanistanpolitik des US-Präsidenten polterte.

Für die Befürworter der Truppenaufstockung geht es in Afghanistan nicht nur um den Kampf gegen die Terrorgruppe al-Qaida, sondern ebenso um einen Sieg über die radikal-islamischen Taliban. Würden sich die Taliban in Afghanistan weiter ausbreiten, so die Argumentation, würde das Land über kurz oder lang auch wieder zum Paradies für Terroristen.

Auf der anderen Seite steht Obamas kriegsmüde demokratische Partei. Hier sammelt sich eine breite Allianz von Friedensbewegten bis zu Gewerkschaftern, die eine deutliche Truppenreduzierung oder sogar den Abzug aller Truppen fordert.

Auch Obamas Vizepräsident Joe Biden und sein nationaler Sicherheitsberater James Jones sind gegen eine Truppenaufstockung. Biden sprach sich sogar öffentlich dafür aus, sich mit weniger Soldaten auf einen Antiterrorkrieg gegen al-Qaida zu beschränken.

In diesem Spannungsfeld versucht Obama nun seit Wochen, eine Entscheidung über eine neue Strategie für Afghanistan zu finden. Mehrere Male hat sich Obama in den vergangenen Wochen mit seinem Sicherheitsrat im fensterlosen Situation Room getroffen, um die Lage zu erörtern. Die lange Entscheidungsfindung mag angesichts der komplexen Situation in Afghanistan gerechtfertigt sein. Doch viele Amerikaner legen Obama dies offenbar als Führungsschwäche aus.

Egal ob sich Obama nun für oder gegen eine Truppenerhöhung entscheidet: Er kann kaum darauf hoffen, die große Mehrheit der Amerikaner für seine Entscheidung zu gewinnen. Die Bevölkerung ist tief gespalten in dieser Frage. 47 Prozent der Amerikaner befürworten die Entsendung zusätzlicher Soldaten, 49 Prozent sind dagegen.

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