Obama: Umzug ins Weiße Haus:Der Umzug der Macht

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Möbel muss Barack Obama nicht in sein neues Heim mitbringen: Wie die Bediensteten in kürzester Zeit das Weiße Haus für den neuen Präsidenten einrichteten und eine ganze Stadt den Wandel feiert.

Stefan Kornelius

George Bush, so sagen jene, die mit ihm telefoniert haben, mache einen entspannten, fast schon erleichterten Eindruck. Und er versuche es auch wieder mit Witzen. Er sei der einzige, so erzählte er unlängst, der in der Zeit der Immobilienkrise in Houston ein Haus gekauft habe. Somit sei er allein verantwortlich für das Wohlergehen der Stadt.

Barack Obama: Möbel muss er nicht mitbringen, wenn er ins Weiße Haus umzieht. (Foto: Foto: AFP)

Wie das Haus aussehe und wie viele Zimmer er habe, wisse er nicht - der von Laura ausgehandelte Preis habe ihm die Sprache verschlagen. Laura Bush war es auch, die am Ende die wichtigsten Umzugskisten selbst packte - schließlich muss sie selbst wieder auspacken. Das Leben mit Bediensteten hat für den Ex-Präsidenten und seine Familie ein abruptes Ende, es sei denn, sie leisten sich privat Hilfe.

Die Anzüge und Krawatten des ehemaligen Präsidenten werden ihren Weg nach Texas finden, wie schon Hunderte von Kisten, die im Weißen Haus seit Wochen gepackt und versiegelt wurden.

Die offiziellen Papiere der 43. Präsidentschaft gehören nun dem Nationalarchiv, das den für Historiker so wertvollen Schatz in einer Lagerhalle in Lewisville, Texas, hütet, ehe er in der Präsidentenbibliothek untergebracht wird.

George Bush hat sich entschieden, seinen Nachlass der Southern Methodist University in Houston zu vermachen, die gar nicht weit von seinem Wohnquartier auf einem Campus im neogotischen Stil residiert. Dort soll nun auch die Bush-Library entstehen, was natürlich die üblichen Zetereien in der eher liberalen Fakultät ausgelöst hat. Auch die Nachbarn sind nicht sehr glücklich - Bush könnte Terroristen anziehen.

Anders als sein vormaliger Chef entschied sich Ex-Vizepräsident Dick Cheney, beim Umzug selbst Hand anzulegen. Cheney zog nach McLean, einem Washingtoner Villenvorort in Virginia, nahe des CIA-Hauptquartiers und der saudischen Botschaft gelegen.

Beim Kistenschleppen muss dem willensstarken Cheney aber ein Malheur passiert sein. Sein Arzt attestierte einen eingeklemmten Muskel und empfahl, die nächsten Tage im Rollstuhl zu verbringen. Dem aufrechten Streiter wird dieser Rat besonders missfallen haben. Cheney hatte sich für seinen Logenplatz bei der Amtseinführung vor dem Kapitol einen anderen Auftritt vorgestellt.

Während die Bushs also auszogen, bereiteten die Bediensteten des Weißen Hauses, die Usher, auch schon den Einzug Obamas in das historischste Wohnquartier der Nation vor. Dafür blieben ihnen exakt sechs Stunden Zeit.

Die Erzählungen der Usher über diese Augenblicke sind legendär. Unter Tränen wird Abschied genommen - immerhin liegen acht Jahre Wohngemeinschaft hinter dem Commander in Chief und seiner Dienerschar. Dann fährt ein Umzugswagen vor, und binnen kurzer Zeit müssen die 93 Bediensteten das Hab und Gut des neuen Hausherren hineingetragen und verstaut haben.

Wer Präsident wird, muss seine Möbel nicht mitbringen, es sei denn, er hängt an einem besonderen Fernsehsessel oder einem Canapé der Großtante. Ansonsten lebt der erste Bürger Amerikas und seine Familie in hotelähnlicher Atmosphäre. Die Betten werden neu bezogen, vielleicht werden einige Möbel verrückt, andere aus der Lagerhalle des Weißen Hauses in Virginia geholt. Am Ende müssen lediglich die Schränke mit den Klamotten der first family gefüllt werden.

Als die Obamas am späten Nachmittag das Haus betraten, sollen auf den Kommoden bereits die Silberrahmen mit den Fotos ihrer Lieben gestanden haben. Die eigentlichen Möbel der Familie aber blieben im Haus in Chicago. Irgendwann wird Michelle Obama ihre Dekorationslust austoben und etwa 200.000 Dollar für neue Vorhänge, neue Wandfarben und Teppiche ausgeben dürfen.

Im Kern aber bleibt das Haus, wie es Jackie Kennedy einst dekorierte. Ihr sind die klassischen Möbel und wichtige Teile des präsidentiellen Geschirrs zu verdanken.

Vor dem neuen Präsidenten traf die politische Vorhut im Weißen Haus ein und nahm die Kommandozentrale der USA in Besitz. Rahm Emanuel, der Stabschef, verriet am Vorabend auf einer Party der Kolumnistin Maureen Dowd in Georgetown, dass er gleich nach der Einschwörungszeremonie mit einer Reihe anderer Mitarbeiter in schwarzen Minibussen zum East Wing, dem Bürotrakt neben dem Weißen Haus, gefahren werde - "weil ich telefonieren muss".

Steve Clemons, einer der Lieblingsblogger der neuen Demokraten, fragte neugierig nach dem Gesprächspartner und bekam eine lakonische Antwort: "Mit meiner Mutter." Das neue Weiße Haus soll so verschwiegen sein wie die alte Mannschaft unter Bush. Emanuel konnte bei seiner Gastgeberin auch den Hauch einer legendären Ära atmen. Die Kolumnistin Dowd bewohnt eines der Häuser, in dem John F. Kennedy vor der Präsidentschaft sein Unwesen trieb.

In guter Kennedyscher Tradition hat Barack Obama auch eine Lyrikerin auserkoren, die das Einschwörungs-Zeremoniell vor dem Kapitol mit ihrem Werk schmückte. Elizabeth Alexander, 46, eine schwarze Dichterin aus einem Demokraten-Haushalt (der Vater war Heeres-Staatssekretär unter Jimmy Carter), las ein eigens verfasstes Werk, wie vor ihr schon Amerikas lyrisches Gewissen Robert Frost und drei andere Poeten.

Frost war von Kennedy gebeten worden und rezitierte, so die berühmte Anekdote, ein Gedicht aus dem Kopf, weil er die für den Anlass geschriebenen Zeilen wegen der blendenden Sonne nicht vom Blatt ablesen konnten.

Nach Frost wurden noch drei mal mehr oder weniger bekannte Dichter aus der amerikanischen Poeten-Szene gebeten, zu den Amtseinführungen von Jimmy Carter und von Bill Clinton. Über die Reimkunst ist wenig Vorteilhaftes hängen geblieben. Republikanische Präsidenten hatten bisher auf den Lobgesang der Dichter verzichtet.

Neben dem Amtseinführungs-Poeten unterhalten die USA den Posten eines Nationaldichters, der - anders als sein britisches Pendant - nicht zum Geburtstag des Königs zur Feder greifen muss.

Obama kennt seine Hausdichterin schon seit Jahren, als beide an der selben Universität in Chicago lehrten. Heute unterrichtet Alexander an der Yale-Universität, und ihre Gedichte kreisen immer wieder um das Thema Gleichheit, Hautfarbe und Rassenprobleme. Es war anzunehmen, das Obama auch ihren Vortrag nicht dem Zufall überließ. Anders als bei der Amtseinführung Clintons sollten die Millionen auf der Mall nicht verzweifelt mit den Augen rollen ob der fürchterlichen Reimkunst eines Dichters.

Mit den Augen gerollt hat mit großer Wahrscheinlichkeit Barack Obama am Vorabend des großen Tages, als ihm die Nachricht vom Fernsehauftritt seines Stellvertreters und dessen Frau berichtet wurde. Vizepräsident Joseph Biden und Gattin Jill plauderten bei Oprah Winfrey in der Talkshow, als Frau Biden plötzlich indiskret wurde und verkündete, ihr Mann habe sich aussuchen können, ob er Vizepräsident oder Außenminister habe werden wollen.

Joe Biden entglitten die Gesichtszüge, das Publikum grölte, aber da war der Schaden schon angerichtet. Jill Biden, die der Vizepräsident Jilly ruft, ließ das Blut endgültig in den Adern gefrieren, als sie die Entscheidung für das Vize-Amt auch noch wortreich begründete: So könne die Familie besser beieinander bleiben und sich auf Veranstaltungen treffen.

Das Außenamt sei hingegen mühsam, man müsse viel reisen. Hillary Clinton wird sich über die Nachricht gefreut haben. Und die neue Regierung weiß nun, dass sie nicht nur auf einen geschwätzigen Vizepräsidenten aufpassen muss.

Künftig sollen diese Nachrichten hinter den Mauern des Weißen Hauses verborgen bleiben. In der Residenz, vor der nach Bushs erster Amtseinführung die Menschen noch demonstrierten, wurden die Kuscheltiere für die Obama-Kinder auf den Betten drapiert und der Hauskoch machte sich mit den Lieblingsspeisen der First Family vertraut.

Barack Obama wird am Ende des langen Tags sein Büro inspiziert haben, das George Bush wenige Stunden zuvor makellos hinterlassen hatte. Einzig in der Schreibtischschublade steckte ein Brief vom alten an den neuen Präsidenten, so wie es die Tradition will. In dem Brief sei vom "fabelhaften neuen Kapitel" die Rede, das Obama nun aufschlagen werde, sagte eine Sprecherin. Der Rest bleibt zwischen den beiden Männern.

© SZ vom 21.01.2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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