Obama in Hannover:Obama in Hannover: Mehr als nur ein Abschiedsbesuch

Der US-Präsident wirbt für TTIP, lobt die Kanzlerin und umschmeichelt die Hannoveraner. Die Stadt ist ein passender Schauplatz für seinen letzten Staatsbesuch in Deutschland.

Von Lars Langenau, Hannover

Vor acht Jahren trat Barack Obama, damals Bewerber um das Amt des US-Präsidenten, vor der Siegessäule in Berlin auf. Es war Sommer, Hunderttausende jubelten ihm zu. Man hat die Bilder vor Augen, an diesem typischen Apriltag in Hannover. Ein paar Hhundert Menschen stehen an den Absperrungen zu den Herrenhäuser Gärten, aber sie sind so weit entfernt, dass kein Augenkontakt zum US-Präsidenten möglich ist. Die Schaulustigen harren aus, während sich Sonnenschein, Schnee- und Hagelschauer abwechseln. Immerhin einen Blick auf The Beast, den Cadillac des Präsidenten, können sie gegen 18 Uhr erhaschen, als die Entourage vom Schloss zum Kuppelsaal jagt. Das war's aber auch.

Barack Obama ist am Sonntag zu seinem fünften und wohl letzten Besuch in Deutschland eingetroffen. Der führt ihn nicht etwa in die Metropole Berlin, sondern ins ziemlich dröge Hannover. Bislang wusste man noch nicht einmal, dass der Flughafen Langenhagen genug Platz für die Air Force One hat. Warum nur Hannover?

Natürlich, es gibt einen Anlass. Obama eröffnet hier am Sonntagabend die Hannover Messe. Am Montagmorgen will er sich mit einer riesigen amerikanischen Delegation über den Stand des Maschinenbaus und der Elektrotechnik informieren. Zum ersten Mal in der 70-jährigen Geschichte der Hannover Messe sind die USA Partnerland der weltgrößten Industrieschau.

Und doch passt diese Stadt auch jenseits der Messe ganz gut zu Obamas Präsidentschaft, die in ihrer weltpolitischen Zurückhaltung ja oft wie Hannover war: irgendwie bieder und provinziell.

Dass Hannover Schauplatz der Weltpolitik ist, scheint viele zu verstören

Die Stadt mit ihren 500 000 Einwohnern ist an diesem Wochenende ein einziges Sperrgebiet. Und das, was für die Niedersachsen von diesem Staatsbesuch bleiben wird, sind wohl vor allem die Kosten, die einschränkenden Sicherheitsmaßnahmen, das massive Polizeiaufgebot. Und natürlich, dass sie als Otto-Normal-Bürger sowieso keinen Blick auf Obama werfen durften. Dass ihre Stadt für kurze Zeit Schauplatz der Weltpolitik wird, ist für viele eher verstörend. Okay, dass Gullydeckel zugeschweißt werden, das hätten sie noch so hingenommen. Aber dass die Anwohner dort, wo der US-Präsident mal kurz vorbeifährt, nicht aus dem Fenster schauen und nicht vor die Tür gehen dürfen, dass Besucher von Anwohnern angemeldet werden mussten - das geht vielen dann doch zu weit.

Vielleicht hat Obama den Unmut gespürt. Einer seiner ersten Sätze ist in jedem Fall Balsam auf die Seele der Hannoveraner: "Diese prachtvolle Umgebung ist ein Zeugnis der Geschichte und Schönheit dieser Stadt", sagt er. Später umschmeichelt er nach der Hannoveraner auch noch die gesamtdeutsche Seele - und kündigt an, an den Feierlichkeiten zum 500. Geburtstag des Reinheitsgebotes für Bier teilzunehmen. Na ja, möglicherweise zumindest.

Obamas Präsidentschaft neigt sich dem Ende zu, doch dieser Besuch ist weit mehr als eine Verabschiedung. Der US-Präsident und Bundeskanzlerin Angela Merkel machen dies auf der Pressekonferenz im Schloss klar: Sie reden über ihre gemeinsamen turbulenten Zeiten und die vielen Herausforderungen in den vergangenen acht Jahren. Aber der Blick ist nach vorn gerichtet. Es geht um den Kampf gegen den Terrorismus, die Bekämpfung der Fluchtursachen, die Genfer Verhandlungen um eine Lösung für Syrien und um die Flüchtlingspolitik im Allgemeinen.

"Sie ist auf der richtigen Seite der Geschichte"

Obama umschwärmt die Kanzlerin, lobt die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Sagt mit Blick auf die Tatsache, dass sie länger im Amt sein wird als er: "Ich bin sehr froh, dass Angela noch da ist, denn die Welt wird davon profitieren." Und: "Es ist die wichtigste Beziehung, die wichtigste Freundschaft, die ich in meiner Amtszeit hatte." Mehrfach würdigt Obama die Führungsrolle Merkels. In der europäischen Flüchtlingspolitik habe sie mutig Haltung gezeigt - vielleicht, weil sie selbst einmal hinter einer Mauer gelebt habe. "Sie ist auf der richtigen Seite der Geschichte."

Aber es geht in den bilateralen Gesprächen auch um das deutsche Engagement weltweit, von Irak über Syrien, Mali bis nach Afghanistan und Libyen. Es geht um Lösungen des Konfliktes zwischen der Ukraine und Russland. Es geht um höhere Rüstungsausgaben und es geht an diesem Abend vor allem um Wirtschaftsfragen wie die Transatlantische Handels- und Investitions-Partnerschaft (TTIP) zwischen den USA und der Europäischen Union.

Inzwischen wird seit drei Jahren verhandelt, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnete die Gespräche gerade als "festgefressen". Jetzt sitzt er am Sonntagabend zwei Plätze neben Obama im Kuppelsaal zur Eröffnung der Messe und sieht irgendwie kleinlaut aus.

Laut einer aktuellen Umfrage lehnt jeder dritte Deutsche das Freihandelsabkommen ab, lediglich jeder fünfte befürwortet TTIP. Zehntausende Demonstranten trieb das zumindest in Deutschland schwer umstrittene transatlantische Handelsabkommen am Samstag auf die Straßen von Hannover, auch am Sonntag sind noch ein paar vereinzelte Grüppchen von Demonstranten zu sehen.

Obama wirbt für TTIP

In ihrer Pressekonferenz heben Obama und Merkel die Vorteile des Freihandelsabkommen hervor. Obama verweist auf die Folgen der Globalisierung und die Pflicht, darauf zu reagieren. Auch mit TTIP. Die ihm verbleibenden neun Monate als US-Präsident wolle er aktiv nutzen, sagt er. Er glaube zwar nicht mehr daran, selbst die Unterschrift unter dieses Abkommen setzen zu können. Er hoffe aber, dass zum Ende seiner Amtszeit zumindest die Inhalte des Abkommens so weit abgearbeitet seien, dass Parlamente sich damit befassen können.

Auch Merkel spricht sich für einen schnellen Abschluss der Verhandlungen aus. "Wir sollten uns sputen", sagt sie. Sie glaube, dass das Freihandelsabkommen aus europäischer Perspektive "absolut hilfreich ist, um die Wirtschaft in Europa besser wachsen zu lassen. Das ist für die deutsche Wirtschaft und die gesamte europäische Wirtschaft gut."

Er liebe seinen Job, sagt Obama dann noch. Und: "Wenn ich die Schlüssel zu meinem Büro übergebe, werde ich sicherstellen, dass mein Schreibtisch völlig aufgeräumt ist. Dass die Welt nicht in Aufruhr ist und dass ich ein wenig zur Verbesserung der Welt beigetragen habe."

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