Obama in Deutschland:Zwischen Fettbemme und Petticoat

US-Präsident Obama ist in Dresden angekommen. Die Stadt versucht, seinen Besuch zu einem Jahrhundertereignis zu machen.

Thorsten Denkler, Dresden

Barack Obama ist gelandet. Um 20.51 Uhr hat die Air Force One am Flughafen Dresden aufgesetzt. 20.57 wird die Tür der Boing 747-200 geöffnet. Dann dauert es noch wenige Minuten, bis der amerikanische Präsident heraustritt, dunkler Anzug, hellblaue Krawatte. Er winkt herunter von der Gangway, wem auch immer er da zuwinkt.

Obama, AFP

US-Präsident Barack Obama bei seiner Ankunft in Deutschland.

(Foto: Foto: AFP)

Außer einer Handvoll Reporter und einer noch kleineren deutschen Delegation, bestehend aus Vertretern des Freistaates Sachsen und dem Protokollchef des Bundeskanzleramts, wartet niemand an der Gangway auf ihn. Sie werden zu den wenigen Menschen gehören, denen Obama bei diesem Besuch überhaupt physisch begegnet.

Es ist eben kein Staatsbesuch, sondern lediglich eine Art Privatbesuch, ein Zwischenstopp auf dem Weg von Kairo nach Frankreich, wo er zu den D-Day-Feierlichkeiten erwartet wird. Immerhin ist es sein zweiter Besuch in diesem Jahr in Deutschland. So oft hintereinander hat es noch kein US-Präsident hierher geschafft.

Kurzes Händeschütteln, dann hat er drei Möglichkeiten in sein Hotel, das Taschenberg-Palais in der Dresdener Innenstadt, zu kommen. Entweder per Hubschrauber oder per Auto auf zwei geheimen Routen. Auto ist vielleicht etwas untertrieben. Zwei Stretch-Cadillacs stehen ihm in Deutschland zur Verfügung mit jeweils 500 PS. Spitzname: "The Beast", das Biest. Auf jeden Fall weit entfernt von deutschen Klimaschutzvorgaben.

Der Präsident wird 16 Stunden und 50 Minuten in Dresden verbringen. Das hat die Sächsische Zeitung ausgerechnet. Wenn der US-Präsident kommt, zählt in Sachsen jede Minute. Und die Dresdner bemühen sich redlich, aus dem Kurzbesuch des amerikanischen Präsidenten in ihrer Stadt einen Jahrhundertereignis zu machen.

"Winkelemente" und andere Scherze

Der Altmarkt am Rande der Altstadt ist der Ort für die "Welcome-Party". Ein gutes Dutzend Stände sind hier im Kreis aufgebaut. Lokale Spezialitäten gibt es zu kaufen. Fettbemme etwa oder Thüringer Rostbratwurst.

Ein Ungar verkauft Lángos, ein in Öl frittiertes Fladenbrot, das mit Wurst oder Käse belegt wird. Zur Feier des Tages gibt es eine "Yes-we-can"-Variante "with honey", mit Honig.

Amerikanisch ist an den Ständen nur, dass sie mit US-Fähnchen behangen sind. Einige Besucher tragen "Stars-and-Stripes"-Fähnchen mit sich herum. Auf der Bühne mit angeschlossener Großbildleinwand spricht die Moderatorin des Abends von "Winkelementen". Es wird jedoch nicht ganz klar, ob das nur ein Scherz gewesen sein soll.

Um 21.26 Uhr verkündet die Moderatorin auf dem halb gefüllten Platz, dass Obama nun gelandet sei. Verhaltenes Klatschen. Sie und ihr männlicher Kollege versuchen, die Stimmung etwas zu heben. "Wir wollen Obama sehen, wir wollen Obama sehen", skandieren sie. Einige wenige stimmen mit ein. Doch aus dem Präsidenten-Gucken wird wohl nichts.

Disput über den Ablauf

Viel näher ran an den US-Regierungschef werden der Dresdner nämlich nicht kommen als hier auf dem Altmarkt. Das Hotel, in dem Obama nächtigt, sowie die Frauenkirche, die er am Freitag noch besichtigen will, und das Residenzschloss mit der als "Grünes Gewölbe" berühmt gewordenen Schatzkammer - hier wird er sich eine Stunde mit Bundeskanzlerin Merkel unterhalten - liegen so dicht beieinander, dass die Polizei diesen Stadtteil Dresdens hermetisch abriegeln konnte.

Sichtschutzwände sollen dafür sorgen, dass potentiellen Scharfschützen kein Schussfeld gegeben wird. Was allerdings zur Folge hat, dass kein Dresdner den Gast aus Washington selbst in Augenschein nehmen kann. Ein "Bad in der Menge" ist auch nicht vorgesehen.

Im Grunde etwas wenig, gemessen an dem, wie sich die Stadt auf den Besuch vorbereitet hat. Sämtliche Straßenbahnen sind mit einem "Welcome-Mr.-President"-Schriftzug versehen. Die Innenstadt wirkt wie frisch gebadet, zumindest für jemanden, der gerade aus Berlin kommt.

Wenn es nach Obama gegangen wäre, dann wäre um den Besuch wohl auch eine Spur weniger Aufhebens gemacht worden. Die deutsche Seite musste ihm offenbar jeden weiteren Programmpunkt, der über den ohnehin geplanten Besuch im ehemaligen KZ Buchenwald hinausging, mühsam abringen.

Zuletzt soll es noch einen Disput darüber gegeben haben, ob Merkel ihm der schönen Bilder wegen am Freitag vor dem Hotel die Hand geben darf oder doch erst im Inneren. Obama soll sich durchgesetzt haben. Mehr als eine gemeinsame Pressekonferenz will er der Wahlkämpferin offenbar nicht zugestehen.

Dröhnende Bässe

Wie du mir, so ich dir, könnte man meinen. Im vergangenen Sommer war es Merkel, die dem Kandidaten Obama einen Auftritt vor dem Brandenburger Tor verwehrte. Er ging zur Siegessäule. Jetzt ist sie die Kandidatin, wenn auch eine amtierende.

An diesem Freitag will sich Obama Zeit für das KZ Buchenwald nehmen. Sein Großonkel war 1945 als amerikanischer GI an der Befreiung des Konzentrationslagers beteiligt gewesen. Es ist sozusagen auch ein Teil seiner Geschichte, wenn er sich am Nachmittag hier mit Überlebenden trifft. Und ein besonderes Zeichen an Israel, das der US-Präsident nicht besucht hat auf seiner kurzen Nahost-Reise.

Auf der Bühne auf dem Dresdner Altmarkt singt eine Band Rock'n'Roll-Schlager, die Sängerin ist im Petticoat. Amerika, wie Dresden es sieht. Obama wird davon nichts mitbekommen. Außer vielleicht die dröhnenden Bässe, die auch ihm das Einschlafen schwierig machen könnten. Vielleicht ist das Fest aber bis dahin vorbei. Es wäre ihm zu wünschen.

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