Obama in Athen:"Die Demokratie ist größer als jede Einzelperson"

  • In einer Grundsatzrede in Athen betont Noch-US-Präsident Obama die Stärke der Demokratie.
  • Auch zu seinem gewählten Nachfolger Trump äußert er sich und betont, dass Demokratie in den USA eben "mehr als nur eine Person" sei.
  • Vor seiner Rede hatte er die Akropolis besucht, nun reist Obama weiter nach Berlin.

Von Markus C. Schulte von Drach

Der scheidende US-Präsident Barack Obama hat in Athen gut gelaunt eine Grundsatzrede gehalten, in der er die Bedeutung der Demokratie eindringlich hervorgehoben hat. Zugleich wurde seine Rede eine Verteidigung seiner eigenen Politik und ein starkes Plädoyer für die Verteidigung universeller Werte wie der Menschenwürde und des Rechts auf Selbstbestimmung.

Die Rede im Kulturzentrum der Stavros-Niarchos-Stiftung in der Stadt, die als Wiege der Demokratie im Westen gilt, war mit großer Spannung erwartet worden. Zum einen dürfte es Obamas letzte große Rede als Staatsoberhaupt der USA sein. Zum anderen steht sie im Schatten des Wahlsieges von Donald Trump.

Immer wieder betonte Obama die Bedeutung Griechenlands und insbesondere Athens als Wiege der Demokratie. "Hier, in den Hügeln dieser Stadt, war es, wo vor 25 Jahrhunderten eine Idee aufgekommen ist: Demokratie." Hier sei der Glaube entstanden an Gleichheit vor dem Gesetz für alle: die Mehrheit und die Minderheiten. Zwar habe es immer auch Gegenmeinungen gegeben, etwa dass ein Führer mit eiserner Faust regieren müsste, oder dass einige aufgrund von Rasse oder Glaube anderen überlegen seien. Doch "im Laufe der Geschichte hat die Flamme, die hier in Athen zuerst entzündet wurde, immer geleuchtet und ist nie erloschen".

Ausdrücklich stellte sich der US-Präsident Behauptungen entgegen, dass die Ideale der Demokratie rein westliche Ideen wären, und manche Kulturen einfach nicht bereit seien für demokratische Regierungen. In den acht Jahren seiner Regierungszeit habe er auf seinen Reisen gelernt, dass jedes Land seine eigenen Traditionen habe, aber auch, dass es ein fundamentales Bedürfnis nach einem Leben in Würde gebe, den grundlegenden Wunsch, das Leben selbst kontrollieren zu können, und die Richtung mitzubestimmen, in die unsere Gemeinschaften und Nationen sich bewegen. "Dieses Verlangen", betonte Obama, "ist universell."

"Demokratien neigen dazu, gerechter zu sein"

Obama nutzte die Gelegenheit, seine eigene Politik noch einmal zu erklären und zu rechtfertigen. Seine Außenpolitik sei gerade davon geprägt gewesen, diesen Bedürfnissen zu entsprechen - durch die Zusammenarbeit mit anderen Demokratien, aber auch dort, wo diese sich noch nicht durchsetzen konnten. Denn "die Geschichte zeigt, dass Länder mit Demokratie dazu neigen, gerechter, stabiler und erfolgreicher zu sein." Und sie könnten den Menschen Wohlstand bringen. Deshalb arbeiteten die USA zwar mit allen Ländern zusammen - besonders aber würden jene unterstützt, die an Selbstbestimmung glauben.

Zwar seien die demokratischen Institutionen nicht perfekt, und die Kompromisse, die gefunden werden müssten, häufig nicht populär. Doch, zitierte Obama den früheren britischen Premier Winston Churchill, "die Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von allen anderen".

"Einige suchen Trost im Nationalismus"

Obama wies auch darauf hin, dass Demokratie einfach sei, wenn alle gleich aussehen würden und an denselben Gott glaubten. Schwieriger würde es, wenn Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln zusammen leben müssten. Wo sich in der globalisierten Welt so viele Ideen vermischen und so viele Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten über die neuen Informationskanäle verbreitet würden, könnte sich mancher bedroht fühlen, der sieht, dass andere anders leben als er selbst.

Angesichts dieser neuen Realität, in der Kulturen zusammenstoßen, sei es unvermeidlich, dass einige Trost suchten etwa im Nationalismus. Auch hegten immer mehr Menschen Misstrauen gegen ihre eigenen Regierungen, die ihnen weit weg erschienen, und von denen sie sich abgetrennt fühlten. In seine Kritik bezog er hier ausdrücklich auch die Europäische Union mit ein.

Diese sei zwar "eine der größten politischen und wirtschaftlichen Errungenschaften in der Geschichte der Menschheit". Aber alle Institutionen in Europa müssten sich fragen, wie sie dafür sorgen könnten, dass die Menschen in den einzelnen Ländern den Eindruck bekämen, dass ihre Stimmen auch gehört würden. "Wir müssen ihnen klar machen, dass der Staat den Bürgern zu dienen hat, nicht die Bürger dem Staat", forderte Obama. Vielerorts herrsche Unsicherheit und Unbehagen. "So viele Leute auf der ganzen Welt werden manchmal in Versuchung geführt, von Zynismus und davon, sich nicht einzubringen, weil sie glauben, dass Politiker und Regierung sich nicht um sie scheren." Dem müsse man entschieden entgegentreten, sagte Obama.

"Die amerikanische Demokratie ist größer als jede Einzelperson"

Immer wieder hörte sich seine Rede an wie eine indirekte Kritik an den Wahlkampfauftritten seines designierten Nachfolgers. Auch direkt bezog er sich auf Donald Trump, der "nicht verschiedener sein könnte als ich". Doch "die amerikanische Demokratie ist größer als jede Einzelperson". Nach dem Wahlkampf müsse der Übergang zwischen den Regierungen so reibungslos gestaltet werden wie möglich - darauf sei die Demokratie angewiesen. "Besonders dann, wenn man nicht die Ergebnisse bekommt, die man will."

Mit Hinblick auf die heutigen sicherheitspolitischen Herausforderungen sagte er: "Die Demokratie ist stärker als die Terroristen und der IS, weil wir Menschen in unsere Gemeinschaft aufnehmen und wertschätzen können." Er zeigte sich darüber hinaus überzeugt, dass die USA auch unter Donald Trump an ihren Verpflichtungen gegenüber der Nato festhalten werden.

Für die Zukunft, die in den USA in den kommenden vier Jahren durch die Politik der Republikaner geprägt sein wird, gab sich Obama optimistisch. "25 Jahrhunderte nachdem Athen den Weg gewiesen hat, 250 Jahre nach dem Beginn der großen amerikanischen Reise glaube ich und bin zuversichtlich, dass wir auf unsere demokratischen Werte bauen können." Hoffnung setzt er insbesondere auf die menschliche Empathie: "Denn trotz aller Unterschiede haben wir die Fähigkeit, die anderen in uns selbst zu sehen."

Eindringlicher Appell

Trotz der Probleme, unter denen gerade Griechenland leidet, verteidigte Obama die Globalisierung, zu der es ihm zufolge keine Alternative gibt. Er forderte die europäischen Länder jedoch auf, Athen stärker zu unterstützen, so wie es die USA auch schon getan hätten. Das Land müsse auf einen nachhaltigen Pfad zurückgeführt werden, insbesondere die Jugend brauche eine Perspektive.

Eine Folge der modernen Kommunikation, sagte Obama, sei die Möglichkeit der sozialen Überwachung. "Früher wurde Ungleichheit eher toleriert, jetzt wird sie nicht mehr toleriert, weil jeder, auch in den entlegensten Regionen Afrikas, ein Smartphone hat und sehen kann, wie die Leute in London oder New York leben."

Seine Rede schloss der US-Präsident mit einem eindringlichen Appell: "Fortschritt ist keine Garantie. Fortschritt muss sich jede Generation verdienen." Er glaube jedoch, dass die Geschichte Hoffnung gebe. "Letztlich liegt es an uns, nicht an irgendjemand anderem. Wir Bürger der Welt sind verantwortlich dafür, den Bogen der Geschichte hin zur Gerechtigkeit zu biegen. Das geht durch Demokratie." Der wichtigste Titel in jedem Land sei nicht der des Präsidenten. "Es ist der des Bürgers."

Obama besucht die Akropolis

Obamas Reise hätte eigentlich dazu dienen sollen, die Gemeinsamkeiten zwischen den USA und Europa noch einmal zu betonen und Hillary Clinton als nächster Präsidentin den außenpolitischen Weg zu bereiten. Nach deren Niederlage gegen Trump sah sich Obama hingegen nun gezwungen, zu versuchen, den europäischen Partnern der USA, insbesondere in der Nato, die Angst vor seinem designierten Nachfolger zu nehmen. Am Dienstag hatte er bereits die besondere Verbundenheit der Amerikaner mit Europa betont.

Vor seiner Rede hatte Obama, abgeschirmt von der Öffentlichkeit, die Akropolis in Athen besichtigt. Die Altertümer auf dem "heiligen Felsen", wie die Griechen den Hügel im Stadtzentrum nennen, blieben dafür den gesamten Mittwoch vollständig für die Öffentlichkeit gesperrt.

Obama ließ sich die Altertümer von der Archäologin Eleni Banou, einer Mitarbeiterin des Kultusministeriums erklären. Der Präsident hatte zudem die Erlaubnis, den Parthenon-Tempel zu betreten, was Touristen aus Sicherheitsgründen schon lange nicht mehr dürfen. Im Anschluss sah sich Obama das Akropolis-Museum am Fuße des heiligen Felsens an.

Ursprünglich hatte Obama seine Rede vor der Akropolis halten wollen. Aus Sicherheitsgründen wurde der Auftritt in das Kulturzentrum der Stavros-Niarchos-Stiftung verlegt.

Nächste Station: Berlin

Nach seiner Rede wird Obama nach Berlin reisen, wo er am Abend Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) treffen wird. Bei Gesprächen am Donnerstag wird es voraussichtlich um die Zukunft der transatlantischen Beziehungen unter dem designierten Präsidenten Trump gehen.

Für den Freitag ist in Berlin ein Treffen Obamas mit führenden europäischen Staats- und Regierungschefs geplant. Danach wird der US-Präsident weiter nach Peru fliegen. In Berlin sind mehr als 5000 Polizisten im Einsatz, um alle Orte zu sichern, wo Obama erwartet wird.

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