Wer im US-Außenministerium mit den Verhandlungen zur Abrüstung der Atomwaffen beauftragt wird, gilt als armer Hund. Das Thema wird als langweilig erachtet, als unbedeutend für die tatsächlichen außenpolitischen Probleme Amerikas.
Abrüstungspolitik, einst Königsdisziplin unter den Fachleuten, ist zum Nischenthema verkommen. Die Experten aus dem Kalten Krieg sind längst pensioniert oder umgeschult, Karriere wird heute mit Themen wie Terror und asymmetrische Konflikte gemacht.
Mit der Abrüstungspolitik ging in den USA auch das Interesse an Russland verloren. George W. Bush, der einst Wladimir Putin in die Augen schaute und dessen Seele zu sehen glaubte, fiel anderseits durch gnadenlose Unkenntnis auf.
Russland lebt im amerikanischen Bewusstsein als Antagonist aus dem Kalten Krieg fort. Und weil es aus Sicht gerade der amerikanischen Konservativen einen klaren Sieger in diesem Kalten Krieg gibt, paarte sich Triumphalismus mit dem Mangel an Sachverstand.
Barack Obama kann dieses Defizit nicht übertünchen, auch wenn er mal wieder den Neustart der Beziehungen beschwört. Beide Seiten haben sich für diesen Neubeginn ein altes Thema ausgesucht - die strategische Abrüstung, die zwar wichtig ist, aber nicht die eigentlichen Probleme beider Nationen berührt. Über die Abrüstungsgespräche wollen Washington und Moskau zu den tatsächlich brennenden Themen finden - aber das wird nicht ausreichen.
Washington möchte sich vor allem der russischen Hilfe bei der Konfrontation mit Iran, Nordkorea und dem islamistischen Terror-Problem versichern. Außerdem braucht Obama einen schnellen außenpolitischen Erfolg. Und Russland will seine Rolle als globale Macht wiedererlangen.
Es erwartet von den USA Zurückhaltung in der als Einflusszone empfundenen Nachbarschaft (besonders in der Ukraine) und verbittet sich jede Kritik am eigenen autoritären Regierungssystem. Unter den Konditionen des Westens will Russland nicht kooperieren (deswegen die politische Rohheit im Georgien-Krieg und die Forderung nach einer neuen europäischen Sicherheitsordnung nach russischen Spielregeln).
Obama bedient diesen Machtanspruch, indem er Russland mit den strategischen Abrüstungsgesprächen adelt. Das verleiht Moskau eine Bedeutung, die sich aus dem Arsenal nicht ableiten lässt. Aber: Die Zeit der nuklearen Bedrohung ist vorbei. Einflusszonen werden ebenfalls nicht mehr zugeteilt - freie Nationen suchen sich ihre Partner selbst aus. Mit den Gesprächen werden Russlands Identitätsprobleme also nicht gelöst werden. Eine Großmachtinszenierung bringt die Welt nicht zurück in die Bipolarität.
Russlands Rolle in der Welt entscheidet sich an seinem Umgang mit Europa. Hier wird über die ökonomische Prosperität entschieden, hier formt sich das Bild von Russland als Partner oder Russland als Bedrohung. Obama kann dabei nur begrenzt helfen.