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Obama auf der Trauerfeier in Johannesburg:"Mandela hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin"

Tausende jubelnde Menschen begrüßen Barack Obama während der Zeremonie für Nelson Mandela. Mit bewegenden Worten nimmt der US-Präsident Abschied von seinem großen Vorbild. Südafrikas Präsident Zuma hingegen wird ausgebuht.

Die Trauerfeier im Newsblog

Zur offiziellen Trauerfeier für Südafrikas Nationalhelden Nelson Mandela strömten bereits in den frühen Morgenstunden trotz starken Regens Tausende Menschen in das FNB-Fußballstadion in Johannesburg. Auf der Zeremonie gedachten Politiker, Familie und Freunde Mandelas. Das offizielle Programm lässt sich hier als PDF abrufen.

Die Reden

Der Moment vor der Rede von Barack Obama wirkt wie ein Tribut für den US-Präsidenten. Ein Chor singt eine Ballade. Die Kameras zeigen Obama, wie er zu der Musik die Treppen hochgesteigt. "My life is in your hand", singen sie. Als Obama dann ans Mikrofon tritt, jubelt das Stadion.

Der US-Präsident vergleicht Mandela mit Gandhi und Martin Luther King, aber auch mit amerikanischen Politikern: "Wie Abraham Lincoln hielt er sein Land zusammen, und wie die Gründer der USA gab er dem Land eine Verfassung. Er war keine Marmorbüste, er war ein Mann aus Fleisch und Blut, ein Ehemann, ein Sohn - deswegen können wir von ihm lernen." Obama hält immer wieder inne - die Menschen applaudieren, jubeln. Vor allem, als er betont, dass die Menschen in der Welt durch ihr Menschsein miteinander verbunden sind: "Es gibt dafür ein Wort in südafrikanisch: 'Ubuntu'".

Auch in den USA habe es jahrzehntelang Benachteiligung aufgrund von Hautfarbe gegeben, sagt Obama. "Michelle und ich haben von den Bestrebungen Mandelas profitiert". Dann wendet sich der US-Präsident an die jungen Menschen in Südafrika: "Ihr könnt euer Leben in die Hand nehmen. Als ich ein Student war, habe ich von Mandela und den Kämpfen in Südafrika gelernt. Er hat mich geändert, er hat mich geformt und zu dem gemacht, der ich heute bin". Dann lässt Obama Mandela sprechen und zitiert Worte, die den Freiheitskämpfer im Gefängis trösteten: "Ich bin der Herr meines Schicksals, ich bin der Kapitän meiner Seele".

Die vollständige Rede Obamas hat der Guardian veröffentlicht.

Als der südafrikanische Staatschef Jacob Zuma nach Obama ans Mikrofon tritt, wird er mit Buh-Rufen empfangen. Zumas Popularität ist in Südafrika, das er seit 2009 regiert, nicht sonderlich groß. Er steht in der Kritik, wegen Misswirtschaft und Korruption.

Sofort wird Musik gespielt, ein Chor singt. Die Musik übertönt die Unmutsbezeugungen der Menschen. Auf Twitter waren vorher Forderungen laut geworden, die Rede Zumas zu stören. Der indische Präsident Pranab Mukherjee musste seine Rede sogar unterbrechen, weil die Zuschauer so laut lärmten. ANC-Vizepräsident Cyril Ramaphosa rief die Zuschauer daraufhin zur Disziplin auf.

Mit Erfolg. Denn als Zuma schließlich spricht, wird es ruhig im weiten Rund des Stadions. Dabei ist der Präsident kein guter Redner. Er liest seine Ansprache, die er auf Englisch hält, vom Blatt ab. Zuma würdigt Mandela für sein Lebenswerk, geht auf die wichtigsten Stationen im Leben des Friedensnobelpreisträgers ein. Immer wieder ruft er: "Madiba war einzigartig". Zuma lässt nach außen kaum Emotionalität erkennen. Auf Twitter wird ihm vorgeworfen, es gehe ihm nur darum, etwas vom Glanz Mandelas abzubekommen. (Hier die vollständige Rede Zumas.)

Die Eröffnungsrede hatte der südafrikanische Politiker Cyril Ramaphosa gehalten: Mandela sei "der Vater unserer Demokratie". "Er war unser Lehrer, unser Mentor. Er baute unsere Nation auf", sagte Ramaphosa. Nach einem südafrikanischem Sprichwort verheiße Regen bei einer Beerdigung Gutes: Der Tote sei im Himmel willkommen.

Dann würdigt der Anti-Apartheids-Aktivist Andrew Mlangeni seinen Freund: Mandela sei während seiner Zeit im Gefängnis bereits ein Führer gewesen, habe dabei aber immer an die Gemeinschaft gedacht.

Mehrere Familienmitglieder nehmen auf der Bühne Abschied von Nelson Mandela, darunter seine drei Urenkel. Unter großem Beifall stellen sie sich hinter dem Rednerpult auf. Mbuso Mandela spricht über die Demut seines Ur-Großvaters. Immer wenn Mandela ein Kompliment erhalten habe, habe er geantwortet, dass es auch andere Menschen auf der Welt gibt, die ein solches Kompliment verdient hätten. "Wir bewundern dich."

Anschließend tritt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ans Pult, die Menschen jubeln ihm zu. Er sagt: Mandela war ein großer Mann mit einem großen Leben. "Welch ein Glück für diese Regenbogen-Nation. Ein Regenbogen entsteht aus Regen und Sonne und symbolisiert die heutige Trauer und Dankbarkeit", sagt Ban Ki Moon. Mandela sei bereit gewesen für Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie alles aufzugeben. Er sei die Flamme der Menschenrechte gewesen.

Die Stimmung im Stadion

Das Stadion "Soccer City" mit 90.000 Plätzen hat sich mit Tausenden Menschen gefüllt. Viele von ihnen singen und tanzen, tragen bunte Kleider, halten die südafrikanische Fahne und Transparente in den Händen. Die Stimmung ist feierlich und ausgelassen. Die Feier hat mit einem Gebet begonnen. Baleka Mbete, eine südafrikanische Politikerin, singt anschließend: "Nelson Mandela, viva Madiba" - die Menschen im Stadion wiederholen die Worte im Chor. Während der darauf folgenden Reden singen die Menschen oft weiter, mehrmals wird zu Ruhe aufgerufen.

Die Trauerfeier für Südafrikas Nationalhelden Nelson Mandela bringt auch alte Feinde einander näher: US-Präsident Barack Obama schüttelte am Rande der Zeremonie die Hand von Kubas Präsidenten Raúl Castro. Castro lächelte, als Obama auf dem Weg zum Podium seine Hand ergriff. Es war das erste Mal, dass es zu solch einer Geste zwischen den Spitzenpolitikern der beiden Länder kam. Die USA und Kuba sind seit mehr als 50 Jahren verfeindet.

Prominente Gäste

Zur Zeremonie sind etwa 70 amtierende und zehn ehemalige Staats- und Regierungschefs angereist. Die Maschinen von US-Präsident Barack Obama und Bundespräsident Joachim Gauck landeten am Morgen nacheinander auf dem Militärflughafen Waterkloof nahe Pretoria. Neben Obama reden unter anderem UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der kubanische Staatschef Raúl Castro und die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff. Die zentrale Ansprache hält Südafrikas Präsident Jacob Zuma.​​ Zur Trauerfeier sind Schauspieler und Sänger wie der irische Sänger Bono und die südafrikanische Schauspielerin Charlize Theron gekommen. Vertreter europäischer Königshäuser wie die schwedische Kronprinzessin Victoria und Haakon von Norwegen sind ebenfalls angereist. Familie und Freunde nehmen an der Feier teil - unter ihnen auch Mandelas Ex-Frau Winnie Mandela.

Nelson Mandela - Nationalheld und Versöhner

Mandela, der erste schwarze Präsident Südafrikas, ist am Donnerstag nach langer Krankheit im Alter von 95 Jahren gestorben. Mandela schloss sich 1944 der schwarzen Widerstandsbewegung gegen die südafrikanische Apartheidpolitik an und wurde Mitglied des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC). Von 1962 bis 1990 saß Mandela in Haft und wurde zu einer Symbolfigur des Kampfes für die Rechte der Schwarzen in Südafrika. Für seine Verdienste als Versöhner erhielt Mandela 1993 den Friedensnobelpreis. Ein Jahr später wurde er Staatspräsident Südafrikas.

Mandela wird nicht im Stadion, aber nach der Trauerfeier in dem Gebäude in Pretoria aufgebahrt sein, wo er den Eid für das Präsidentenamt leistete. Mandela soll am kommenden Sonntag in seiner Heimatstadt Qunu beigesetzt werden.

Linktipps zu Mandelas Wirken und Leben

Ronald Reagan sprach sich gegen Mandelas Freilassung aus, Franz Josef Strauß begeisterte sich für die Rassentrennung - konservative Politiker taten sich lange schwer mit Südafrikas Nationalhelden.

Die Menschheit ist voller Schurken, aber manchmal schickt die Geschichte jemanden wie Mandela - über das Glück Südafrikas.

Global betrachtet: SZ-Redakteur Stefan Kornelius gibt im Video eine Einschätzung zur aktuellen Lage in Südafrika.

Mandelas Biografie ist unvergleichlich: Er wurde vom Ausgestoßenen zum Versöhner Südafrikas. Ein Nachruf.

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