Obama, Atomwaffen und Abrüstung:Eine Vision mit Risiken

Washington und Moskau wollen abrüsten, US-Präsident Obama strebt sogar eine atomwaffenfreie Welt an - ein Vorschlag, der Entspannung bringt, aber nicht unproblematisch ist.

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Obama, Atomwaffen und Abrüstung:Annäherung und Entfremdung

bush putin ap

Quelle: SZ

Mit dem Ende des Kalten Krieges rückten Russland und die Vereinigten Staaten näher zusammen.

Abrüstungs- und Kooperationsabkommen wurden unterzeichnet (wie Start-I, Start-II und Salt-I), ein Nato-Russland-Rat wurde geschaffen.

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 brachten die damaligen Präsidenten George W. Bush und Wladimir Putin zunächst noch enger zusammen, doch bald kühlte sich das Klima drastisch ab.

Die von Washington betriebene Irak-Invasion 2003, aber vor allem der von den USA geplante Raketenabwehrschild im östlichen Mitteleuropa ließen den Kreml misstrauisch werden.

So aggressiv wie die Bush-Administration ihre Außenpolitik betrieb, so harsch reagierte der Kreml: Präsident Putin setzte im Sommer 2007 Moskaus Beteiligung am KSE-Vertrag aus - vorher hatte er wegen des US-Schildes mit dem Moratorium gedroht. Der Militärhaushalt der russischen Armee versiebenfachte sich unter Putins Ägide zwischen 1999 und 2008. Bis 2015 wolle Russland 200 Milliarden Dollar vor allem in strategische Bomberstaffeln, die atomare Flotte und Raketentruppen pumpen, verlautete es aus dem Kreml.

Der Ton zwischen Moskau und Washington wurde immer schriller, die Rede war von einem "neuen Kalten Krieg".

Foto: AP. Dieses Foto der entfremdeten Staatschefs entstand im April 2008 im russischen Sotschi kurz bevor Putin das Präsidenten-Amt an Dmitrij Medwedjew übergab.

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Obama, Atomwaffen und Abrüstung:Signale aus Washington

AFP

Quelle: SZ

Auf das Ende der Ära Bush, der Neuwahl des US-Präsidenten im November 2008, reagierte der Kreml undiplomatisch.

Russlands Präsident Medwedjew drohte am Tag nach dem Wahlsieg Barack Obamas mit der Stationierung von Kurzstreckenraketen im Raum Kaliningrad - und verwies erneut auf die geplante US-Raketenabwehr in Europa.

Die neue US-Administration machte früh deutlich, dass sie eng mit Russland zusammenarbeiten will - Präsident Obama und sein Vize Joseph Biden verkündeten eine Abkehr von der Außenpolitik Bushs.

Foto: AFP. Als Symbol für einen Neuanfang übergab die neue US-Außenministerin Hillary Clinton im März 2009 ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow diesen Kopf: Auf ihm steht in englischer Sprache "Reset", zu Deutsch "Zurücksetzen, Neustart". Clinton sagte, darüber sei das Gleiche auf Russisch geschrieben. Lawrow entgegnete, es müsse sich um einen Tippfehler handeln, denn da stehe das Wort "Überlastung". Moskaus Minister war sichtlich amüsiert - der Knopf hatte seine Aufgabe erfüllt.

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Obama, Atomwaffen und Abrüstung:Tauwetter in London

medwedjew obama london april 2009 abrüstung reuters

Quelle: SZ

US-Präsident Barack Obama und Kremlchef Dmitrij Medwedjew treffen sich im April in London. Wenige Wochen zuvor hatte der russische Staatschef den eigenen Streitkräften noch eine Erhöhung der Verteidigungskraft, "vor allem unserer strategischen Atomwaffen" verordnet, beim Londoner Treffen herrscht ein anderer Ton. Beide Präsidenten einigen sich auf Gespräche zur Reduzierung der Offensivwaffen.

Man vereinbart, einen neuen Abrüstungsvertrag zu erarbeiten - eine drängende Maßnahme: Ende des Jahres läuft der Start-I-Vertrag aus. Moskau und Washington hatten 1991 das Abkommen geschlossen, das eine Reduzierung auf 6000 Sprengköpfe und 1600 strategische Trägersysteme vorsieht.

Das neue Abkommen solle ein "Rekordmaß an Reduzierung" bringen, verkünden die beiden Präsidenten in London.

Nach dem Treffen bekräftigen sowohl Obama, als auch Medwedjew den Willen zur Abrüstung.

Foto: Reuters. Die Präsidenten bei ihrem Treffen in London

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Obama, Atomwaffen und Abrüstung:Das Ziel heißt Global Zero

barack obama afp

Quelle: SZ

Barack Obama erklärt kurz nach dem Londoner Treffen bei einer Rede in Prag, nukleare Waffen abschaffen zu wollen. Im Namen der USA gibt er "ein Versprechen ab, eine Welt ohne Atomwaffen" anzustreben.

Ähnlich äußert sich Medwedjew: Russland strebe ein "umfassendes Abrüstungspaket" an, verkündet er Anfang Mai.

Die Vision einer nuklearer Totalabrüstung, für die sich auch namhafte "Kalte Krieger" wie der frühere US-Außenminister Henry Kissinger einsetzen, hat auch einen Namen: Global Zero.

Foto: AFP. Obama während seiner Prager Rede.

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Obama, Atomwaffen und Abrüstung:Gewaltiges Arsenal

medwedjew Topol rakete atomwaffen russland reuters

Quelle: SZ

Zehn Staaten besitzen Atomwaffen, die mit Abstand meisten lagern in den Arsenalen Russlands und der Vereinigten Staaten - zusammen ein Potential von unvorstellbarer Zerstörungskraft. Moskau verfügt über etwa 7200 Sprengköpfe, Washington über geschätzte 5700.

Foto: Reuters. Dieses Foto zeigt Medwedjew vor einer Topol-Rakete. Sie gilt als eines der modernsten Trägersysteme für den Bodeneinsatz von Atomwaffen.

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Obama, Atomwaffen und Abrüstung:Problematische Dritte

china uboot reuters

Quelle: SZ

Während die USA und Russland über Abrüstung sprechen, stocken andere Atom-Mächte ihre nukleare Bewaffnung auf. China etwa steigert 2008 seinen Verteidigungsetat um 19 Prozent - und modernisiert seine mehr als 200 Atomsprengköpfe. Unlängst präsentiert Peking erstmals stolz seine Atom-U-Boote - die Volksrepublik würde gerne gleichziehen mit den beiden Großen.

Frankreich verfügt über rund 350 Sprengköpfe. Paris hat bislang nur verhalten auf die Abrüstungsvision Obamas reagiert. Immerhin erklärt der angeschlagene britische Premier Gordon Brown, die Abrüstungsinitiative zu unterstützen.

Andere Staaten wie Israel (etwa 150 Sprengköpfe) und Indien (mindestens 50 Sprengköpfe) halten ihre Nuklearschlagkraft für lebenswichtig mit Blick auf verfeindete Nachbarländer.

Die wohl problematischsten Mitglieder im Atom-Klub sind jedoch Pakistan und Nordkorea: Das islamische Land wird von Unruhen, Anschlägen und Bürgerkrieg verheert, die Welt fürchtet, dass die etwa 55 Sprengköpfe in die Hand von Terroristen fallen könnten.

Das stalinistische Nordkorea verfügt schätzungsweise über fünf Sprengköpfe, die das Land trotz aller internationaler Bemühungen entwickeln konnte. Was Diktator Kim Jong Il von Obamas atomwaffenfreier Vision hält, lässt sich leicht erahnen: Unmittelbar bevor der US-Präsident seine Prager Rede hält, startet Pjöngjang eine Rakete, die Atomsprengköpfe tragen kann.

Foto: Reuters. Chinesisches Atom-U-Boot.

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Obama, Atomwaffen und Abrüstung:Eine Welt ohne Atomwaffen und mögliche Folgen

kampfpanzer t-90 russland ap

Quelle: SZ

Kritiker der "Global-Zero"-Idee warnen vor einer atomwaffenfreien Welt. Schaffe man die Bombe ab, würde unweigerlich die Aufrüstung konventioneller Waffen steigen, meint etwa Lee Willett vom britischen Royal United Services Institute in der Zeit. Ohne Atomwaffen gäbe es ein militärisches Übergewicht der USA. Russland und China würden gezwungen sein, ihre Flotten, Geschütze und Luftstreitkräfte zu verstärken - Waffen, die viel eher eingesetzt werden, als eine Atombombe, so Willett.

Foto: AP. Der modernste russische Kampfpanzer T-90 während einer Parade in Moskau.

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Obama, Atomwaffen und Abrüstung:Knifflige Verhandlungen

plutonium ap

Quelle: SZ

Mitte Mai begannen die Verhandlungen über den Nachfolgevertrag von Start-I. Bei der Reduzierung der Atomsprengköpfe dürften sich beide Seiten schnell einigen: Amerika hat eine Reduzierung auf 1000 nukleare Gefechtsköpfe vorgeschlagen, Russland bietet 1400 an. Doch dann wird es kompliziert: Welchen Einfluss nehmen der US-Raketenschild, zählt man die strategischen Trägersysteme mit, was ist mit Sprengköpfen in Silos?

Foto: AP. Diese Aufnahme von 2005 zeigt waffenfähiges Plutonium in einer amerikanischen Produktionsstätte.

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Obama, Atomwaffen und Abrüstung:Kurz vor dem Kompromiss

Medwedjew und Obama in Moskau, dpa

Quelle: SZ

Moskau, Anfang Juli 2009: Bei seinem ersten Besuch in der russischen Hauptstadt legte Obama mit Medwedjew die Rahmenbedingungen das Nachfolgeabkommen des Start I-Vertrag fest.

Die Staatschefs unterzeichneten eine Reihe von Abkommen - und nannten zum ersten Mal konkrete Zahlen: Beide Länder wollen in den nächsten sieben Jahren ihre Nuklearstreitkräfte auf 500 bis 1100 Trägersysteme, also Raketen oder Bomber, reduzieren. Die Zahl der Nuklearsprengköpfe soll auf 1500 bis 1675 Stück sinken. Der Vertrag soll zehn Jahre gelten.

Russland erreichte, dass in den Vertrag ein Passus aufgenommen wird, der den "Zusammenhang zwischen strategischen Angriffs- und Defensivwaffen" festhält - ein Verweis auf den geplanten US-Raketenschild in Osteuropa. Russland macht den Verzicht darauf zur Bedingung für einen Kompromiss.

Jetzt muss der Vertrag schnell festgezurrt werden: Es sind nur noch wenige Monate, bis Start-I im Dezember 2009 ausläuft.

Foto: dpa (sueddeutsche.de/odg/jja/liv)

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