Essens OB Thomas Kufen:Der einzige Top-Ten-Christdemokrat

Forderungen für eine umweltfreundliche Verkehrspolitik mit dem Übergabe von mehr als 23693 Unterschriften an den Oberbü

Im August bekam Thomas Kufen mehr als 23 500 Unterschriften überreicht - für eine umweltfreundlichere Verkehrspolitik.

(Foto: imago images/Gottfried Czepluch)

Essen wird als einzige der zehn größten deutschen Städte von einem Unionspolitiker regiert. Thomas Kufens Amtszeit war geprägt von der Ankunft vieler Geflüchteter, einem befriedeten Clan-Konflikt und der Corona-Krise. An diesem Sonntag hat er gute Chancen, wiedergewählt zu werden.

Von Christian Wernicke

Auf die Frage nach dem Job-Profil eines modernen Oberbürgermeisters hat Thomas Kufen eine simple Antwort parat: "Wir müssen sehen, dass wir irgendwie den Laden in den Großstädten zusammenhalten." Das sei, so fügt der CDU-Politiker hinzu, "oft leichter gesagt als getan".

Was Essens Stadtoberhaupt damit auch meint, das illustriert ein Fall aus dem April 2016. Damals waren in der City Angehörige zweier verfeindeter Clan-Familien mit Messern und Pistolen aufeinander losgegangen (ein Mann verstarb Wochen später). Kufen wusste: Es drohte Blutrache. Also machte sich das Stadtoberhaupt auf zu der Familie des Opfers, gewann die Mutter für sein Anliegen: "Ich möchte nicht wiederkommen und die nächste Mutter trösten müssen." Kufen versprach eine Bestrafung des Täters - und forderte im Gegenzug vom Clanchef Gewaltverzicht: "Sie können alle Rache verhindern, das erwarte ich von Ihnen."

Es blieb dann tatsächlich ruhig. Kufen selbst verweigert bis heute Details zu der Geschichte, sagt nur einen Satz: "Das Opfer war auch ein Sohn meiner Stadt."

Seit fünf Jahren regiert der gebürtige Essener seine Heimatstadt. Als er im Herbst 2015 anfing, brach die Flüchtlingskrise über ihn herein. Nun hält ihn Corona auf Trab. "Wir OBs werden immer mehr zu Krisenmanagern," glaubt Kufen. Er sagt das ohne Klage. Warum auch, er bewirbt sich ja gerade für weitere fünf Jahre an der Spitze der Ruhrmetropole.

Und das dürfte gelingen. Eine Umfrage prophezeit Kufen, dass ihm am Sonntag im ersten Durchgang der Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen sogar schier Undenkbares gelingen wird: Mit 60 Prozent aller Stimmen könnte der 47-Jährige die absolute Mehrheit erringen in einer Stadt, die noch bis Ende der Neunzigerjahre als uneinnehmbare Hochburg der SPD galt. Einen solchen Kantersieg würden auch Kufens Parteifreunde in Berlin zelebrieren - als Zeichen nämlich, dass die CDU doch "Großstadt kann". Essen, die zehntgrößte Stadt der Republik, ist die einzige Top-Ten-Kommune, in der ein Christdemokrat regiert.

Kufen, der 2015 seinen langjährigen Lebenspartner geheiratet hat, genießt Vertrauen. Der Sohn eines Autohändlers aus dem Essener Norden, der ärmeren Hälfte der Stadt, weiß sehr wohl, was manche Wähler bewegt, bevor sie ihr Kreuz machen: "Die fragen sich, ob sie von einem Politiker einen Gebrauchtwagen kaufen würden", sagt der gelernte Bürokaufmann und schmunzelt: "Diesen Test habe ich im Betrieb meiner Familie oft genug bestanden."

Kufen stammt aus dem armen Essener Norden

Kufen ist populär, obwohl er keine Wunder vollbracht hat. Per Sparkurs bescherte er der hoch verschuldeten Stadt drei Etats ohne neue Schulden. Zugleich steckte er mehr Geld in marode Schulen, in neue Kindergärten. Nur, es reicht nie: Noch immer fehlen 2000 Kita-Plätze vor allem im Essener Norden, wo in manchem Stadtteil jeder dritte Haushalt von Hartz IV lebt und in sämtlichen Schulen mindestens jedes zweite Kind einen Migrationshintergrund hat. Kufen nennt das "Herausforderungen" und zitiert einen CDU-Slogan von anno 1949: "Wir können nicht zaubern - aber arbeiten."

Der frühere Landtagsabgeordnete kennt die zähen Probleme von Armut und Zuwanderung. Von 2005 bis 2010 war er Integrationsbeauftragter von NRW, er scheut keine Tabubrüche: Nachdem Essen mehr als 20 000 Syrer aufgenommen hatte, forderte er 2017 per "Obergrenze" einen temporären Zuwanderungsstopp. Grüne und Sozialdemokraten im reichen Süden der Stadt protestierten zwar. Aber manche Genossen im Essener Norden applaudierten, verließen die SPD - und unterstützen nun Kufens Wiederwahl.

Mit wessen Hilfe er künftig im Stadtrat regieren will, dazu schweigt Kufen bisher. Seine neue Liebe für mehr Radwege nährt freilich Spekulationen. Denn für das Projekt Verkehrswende bieten sich die Grünen besser an als der bisherige Partner SPD.

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