Ostalgie:Hammer, Zirkel, Ärger

Ostalgie: Hammer, Zirkel, Ährenkranz und Ärger: Der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur schmeckt der Verkauf von DDR-Nostalgie-Produkten bei Rewe nicht.

Hammer, Zirkel, Ährenkranz und Ärger: Der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur schmeckt der Verkauf von DDR-Nostalgie-Produkten bei Rewe nicht.

(Foto: Hendrik Schmidt/picture alliance / dpa)

Bei Rewe gibt es Suppen mit DDR-Emblem, das schmeckt nicht allen. Der gescholtene Konzern beruft sich auf den Wunsch der Kundschaft.

Von Iris Mayer, Leipzig

Ist es abgekochte Ostalgie in Dosen? Verharmlosung von DDR-Unrecht gar? Oder doch nur eine Mischung aus Wasser, gelben Erbsen, Bockwurst und Nitritpökelsalz, die unter ständigem Rühren langsam erhitzt wird? Und das möglicherweise gerade ein bisschen zu sehr? "Kelles NVA-Feldsuppe", seit elf Jahren auf dem Markt, erhitzt derzeit die Gemüter, weil die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur die Konserven gerade im Angebot des Großhändlers Rewe in ostdeutschen Regalen entdeckte.

Verharmlosung von DDR-Unrecht beklagt nun Stiftungsdirektorin Anna Kaminsky und fährt schweres Geschütz auf. Konservendosen mit DDR-Staatswappen gehörten nicht in die Supermarktregale, Hammer und Zirkel im Ährenkranz seien das Symbol einer Diktatur, die die Nationale Volksarmee (NVA) zur Absicherung des Mauerbaus eingesetzt habe. Verantwortungslos sei das, schimpft Kaminsky auf Rewe. Der gescholtene Konzern beruft sich auf den Wunsch der Kundschaft und weist darauf hin, Verpackung und Produktaufmachung lägen "im Verantwortungsbereich des Inverkehrbringers". Verbotene Kennzeichen seien nicht auf den Etiketten, in der Tat ist es erlaubt, das DDR-Staatswappen zu zeigen. Auch Edeka und Norma führen das Produkt seit Jahren in ostdeutschen Filialen.

"Es geht uns wirklich nur um die Suppe."

Anruf also bei der "Inverkehrbringerin". Antje Mandelkow hat "Kelles Klädener Suppenmanufaktur" 2011 mit einem Euro Startkapital gegründet und kann die Kritik nicht nachvollziehen. "Es geht uns wirklich nur um die Suppe", sagt sie, "und die wurde nun mal bei der NVA so gekocht. Das kennen die Leute hier noch und mögen das." Künstliche Aromen, Farbstoffe und Geschmacksverstärker kommen bei ihr nicht in den Kessel, künstliche Aufregung liegt ihr ebenso fern. 28 Beschäftigte hat ihr Familienbetrieb, allein acht Vollzeitarbeitsplätze finanziere sie mit der NVA-Suppe. Nie habe sich jemand beschwert - im Gegenteil, es gab Fernsehreportagen und Kundenzuspruch. Auch auf der Grünen Woche 2018 präsentierte sie ihren Verkaufsschlager. 2012 wurde ihr Betrieb für "gelungene Integration behinderter Menschen" ausgezeichnet und gerade hat Mandelkow einen "Kulinarischen Stern" des Landes Sachsen-Anhalt für ihre Hochzeitssuppe bekommen. Warum also sollte sie auf ihr Erfolgsrezept verzichten?

Rewe verweist auf SZ-Anfrage auch auf die "speisekulturelle Identität" im Osten. "Es sind Lebensmittel einer ganzen Generation, die rar geworden sind und in aller Regel auf ursprüngliche Aufmachungen setzen, um im vollen Supermarktregal wiedererkannt zu werden", teilt ein Sprecher mit: "Vor der Mail der Bundesstiftung haben uns zu den Produkten auch noch nie kritische Stimmen erreicht." Der Großhändler MHV hat neben der Feldsuppe weitere Klassiker der DDR-Küche gelistet. Auf dem Etikett der Schulküchen-Soljanka wirbt ein Kind mit dem roten Halstuch der Thälmannpioniere. Ebenfalls unter DDR-Wappen im Angebot: "Tote Oma", Grützwurst mit Kartoffeln, Werbeslogan "nicht nur bei Rentnern beliebt". Einen Teller NVA-Suppe zu genießen, das sei "wie eine Reise in die Vergangenheit", heißt es auf der Homepage der Suppenmanufaktur Kelle. Vielleicht ist der angezeigte Suppenstatus da nur folgerichtig: aktuell nicht lieferbar.

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