Süddeutsche Zeitung

Nukleardoktrin von Barack Obama:Teheran wirft USA "atomare Erpressung" vor

Irans UN-Botschafter geißelt die neue US-Nukleardoktrin, Staatschef Ahmadinedschad richtet nettere Worte an Präsident Obama. Der drängt auf "mutige" Sanktionen gegen Iran.

Der zweitägige Washingtoner Gipfel zur Atomsicherheit ist im Konsens zu Ende gegangen, dissonante Töne kamen von einem Staat, dessen Vertreter bei der Konferenz fehlten: Iran.

Über weite Strecken überlagerte der Atomstreit mit Teheran den Gipfel, zuletzt durch einen Brief des iranischen UN-Botschafters Mohammad Khazaee. Teherans Mann bei den Vereinten Nationen warf im Namen seines Landes den USA "atomare Erpressung" vor.

Washingtons neue Nukleardoktrin sähen ausdrücklich den Einsatz von Atomwaffen gegen Staaten vor, die nicht solche Waffen haben, heißt es in einem in New York veröffentlichten Schreiben Khazaees an Sicherheitsrat, Vollversammlung und Generalsekretär der Vereinten Nationen.

Amerikanische Politiker hätten die neue Politik zudem als "starke Botschaft an den Iran" bezeichnet. "Solche aufrührerischen Äußerungen sind gleichbedeutend mit nuklearer Erpressung gegen einen Nicht-Atomwaffen-Staat", schrieb Khazaee.

Die "wahre Gefahr"

In ihrer vor einer Woche vorgestellten neuen Nukleardoktrin verpflichten sich die USA entgegen ihrer bisherigen Strategie erstmals dazu, keine Atomwaffen gegen Nicht-Atommächte einzusetzen, die sich an den Atomwaffensperrvertrag halten. Khazaee sprach jedoch von "grundlosen Beschuldigungen gegen das friedliche Atomprogramm" Irans.

Die neue Atomstrategie der USA sei die "wahre Gefahr" für den internationalen Frieden. Die fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrates und Deutschland beraten in diesen Tagen in New York darüber, wie sie den Iran zur Öffnung seines angeblich friedlichen Atomprogramms für unabhängige Kontrolleure bringen können.

Während Diplomat Khazaee harsche Kritik übte, kamen von Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad harmonischere Töne. Der Staatschef wandte sich direkt an US-Präsident Barack Obama.

Vorteile für beide Seiten

Ahmadinedschad forderte seinen Amtskollegen auf, die amerikanischen Beziehungen zu Iran auszubauen. "Beide Seiten werden von einer Anerkennung des Iran (durch Obama) profitieren", sagte Ahmadinedschad an diesem Dienstagabend im staatlichen Fernsehen. Sein Land sei nicht auf Konfrontation aus, beteuerte der Staatschef.

Allerdings hatte ein iranischer Außenamtssprecher zuvor erklärt, die Beschlüsse des Washingtoner Gipfels werden an den Nuklearprojekten Teherans nichts ändern.

US-Präsident Obama sprach sich zum Abschluss der Konferenz für rasche und mutige UN-Sanktionen gegen den Iran wegen seines Atomprogramms ausgesprochen. Er wolle nicht monatelang verhandeln, sagte Obama. Er verwies aber auch darauf, dass China, das im UN-Sicherheitsrat ein Vetorecht hat, Bedenken hegt. "Ich denke, die Verhandlungen können schwierig werden", sagte Obama.

Insgesamt zog er eine positive Bilanz des Gipfeltreffens, an dem 47 Staats- und Regierungschefs teilnahmen. Es seien Maßnahmen vereinbart worden, die den USA und dem Rest der Welt mehr Sicherheit brächten.

Diplomatie als Königsweg im Atomstreit

Obama dankte Chinas Präsident Hu Jintao dafür, dass die Volksrepublik zugestimmt habe, über neue UN-Sanktionen gegen den Iran zu verhandeln. Die Länder des Westens dringen auf solche Strafmaßnahmen. Dazu benötigen sie aber die Unterstützung Chinas und Russlands, die mit ihrem Veto im Sicherheitsrat Sanktionen verhindern können. Die USA und andere Staaten befürchten, dass der Iran unter dem Deckmantel eines Programms für zivile Zwecke nach der Atombombe strebt. Iran bestreitet dies.

Chinas Vize-Außenminister Cui Tiankai mahnte, Sanktionen dürften nicht die wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran beschädigen. China sei überzeugt, dass der beste Weg im Atomstreit die Diplomatie sei. Die Volksrepublik sei aber bereit, auch andere Mittel zu diskutieren, wenn diese nicht die wirtschaftlichen Beziehungen beeinträchtigten und dem Wohl des iranischen Volkes schadeten. Der Iran, der nicht an dem Treffen in Washington teilnahm, ist der drittgrößte Erdöllieferant Chinas.

Der russische Präsident Dmitri Medwedjew unterstrich in Washington, Sanktionen sollten sich auf die Weitergabe von Atommaterial konzentrieren. "Sie dürfen nicht das Volk bestrafen", sagte Medwedjew.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy drängt dabei auf eine rasche Entscheidung über Sanktionen gegen den Iran. Die Frage nach "gezielten Sanktionen" müsse bis spätestens Ende Mai entschieden werden, "nicht später", sagte er beim Atomgipfel.

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