Süddeutsche Zeitung

Nuklear-Terror:Der größte Schrecken

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2009 rief Barack Obama eine Initiative für eine Welt ohne Atomwaffen aus. Sieben Jahre später ist man davon weiter entfernt denn je. Auch die Gefahr eines nuklearen Terroranschlags ist nicht gebannt.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Eine Atombombe in den Händen von Terroristen - das ist Stoff für einen Thriller, aber auch der ultimative Albtraum von Sicherheitspolitikern und Geheimdienstlern zwischen Washington und Moskau, Peking und Berlin. Es ist die kaum vorstellbare Zerstörungskraft der Waffen, die sie so furchterregend macht: Ein Feuerball von Hunderten Metern Durchmesser, der durch die Straßen einer Millionenstadt tobt, die pilzförmige Wolke am Himmel über einer Metropole. Tausende Tote, Zehntausende Verletzte und eine strahlenverseuchte Trümmerlandschaft.

So stellt sich vielleicht Terror-Kalif Abu Bakr al-Bagdadi vom Islamischen Staat (IS) den Anfang der herbeigesehnten Apokalypse vor. Schon Osama bin Laden, Spiritus Rector al-Qaidas und des global angelegten dschihadistischen Terrors, hatte Interesse an dieser Massenvernichtungswaffe. Der IS hat den Leiter eines Atomforschungszentrums in Belgien ausgespäht und versucht, sich radioaktive Substanzen zu verschaffen. Chemiewaffen hat er schon ohne Skrupel eingesetzt.

Der beste Schutz ist, bombenfähiges Material zu sichern

Größte Hürde für Terroristen bei dem Versuch, eine Atomwaffe zu bauen, ist es, sich genug spaltbares Material zu verschaffen: Plutonium oder besser hochangereichertes Uran, das schon in sehr simpler Anordnung das Höllenfeuer entfacht. Es reicht ein Kanonenrohr und eine Sprengladung. Die Uran-Bombe, die Hiroshima zerstörte, hatten die USA zuvor nicht getestet.

Es ist schwer vorstellbar, dass Terroristen bombenfähiges Material herstellen. Der beste Schutz gegen nuklearen Terrorismus ist es also, es bestmöglich zu sichern. Da hat die von US-Präsident Barack Obama 2009 in Prag ausgerufene Initiative durchaus etwas bewirkt: Aus Forschungsreaktoren wurde Material in die USA oder nach Russland gebracht, wo es unter Verschluss ist. Auch der Schutz einiger Atomanlagen ist verbessert worden.

Zugleich wächst anderenorts das Risiko: Pakistan und Indien bauen ihre Atomarsenale aus; gerade das pakistanische gilt als verwundbar, weil das instabile Land an kleinen, taktischen Sprengköpfen bastelt. Es gibt ernste Zweifel, dass sie adäquat gesichert sind. Nordkorea testet Bomben, ohne harte Sanktionen befürchten zu müssen. Japan produziert durch Aufarbeitung von Brennstäben Plutonium. Russland modernisiert seine Streitkräfte, und Obama lässt für Milliarden Dollar 40 Jahre alte Bomben zu Hightech-Waffen aufrüsten.

Viele zivile Atomanlagen sind unsicher

Es ist wenig geblieben von seiner Vision einer Welt ohne Atomwaffen. Sie gewinnen wieder an Bedeutung, trotz des Nuklear-Deals mit Iran. Damit wächst das Risiko, dass eine Bombe gezündet wird - mehr als einmal ist die Welt im Kalten Krieg der Katastrophe nur mit Glück entgangen.

Auch eine wahrscheinlichere Gefahr ist nicht gebannt: eine schmutzige Bombe. Radioaktives Material, das durch eine konventionelle Sprengladung verteilt wird. Die Folgen wären weniger zerstörerisch als bei einer nuklearen Explosion, der psychologische Effekt aber verheerend. Radioaktivität ist unsichtbar, man kann sie nicht riechen oder schmecken - ideal, um Panik zu schüren. Selbst in Industrieländern sind viele zivile Atomanlagen unzureichend gesichert.

Viele Entwicklungsländer steigen gerade ein in diese Art der Energieerzeugung. Um die Schwachpunkte zu beheben, bedarf es hartnäckiger Kleinarbeit. Obamas Nukleargipfel in Washington am Donnerstag und Freitag ist ein Signal, dass das Problem Priorität genießt. Der Elan hat in den vergangenen zwei Jahren schon deutlich nachgelassen. Das ist gefährlich, denn Terroristen streben nach nichts mehr als nach spektakulären Anschlägen. Ein nuklearer Anschlag wäre eine neue Dimension des Schreckens.

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Quelle:
SZ vom 02.04.2016
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