Nürburgring-Prozess:Herr Deubel kommt in Rage

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224 Seiten lang ist die Verteidigungsansprache, die Ingolf Deubel vor dem Koblenzer Landgericht hält. Der frühere Finanzminister von Rheinland-Pfalz war für den gescheiterten Freizeitpark am Nürburgring verantwortlich. Doch von einer Schuld will er nichts wissen. Fehler findet er nur bei anderen. Deubels selbstgerechter, teils zorniger Auftritt irritiert die Prozessbeobachter.

Marc Widmann, Koblenz

Drei Jahre hat Ingolf Deubel vor allem geschwiegen, während andere über ihn geredet haben, geschrieben - und gelacht, vor allem das. Zuletzt konnte er sein Schweigen kaum mehr aushalten, sagt er. Jetzt redet er vor dem Koblenzer Landgericht. Und wie er redet. 224 Seiten umfasst seine Verteidigungsansprache, die er von seinem Computer vorträgt. Es ist die wohl wichtigste Rede seines Lebens.

Der frühere Finanzminister von Rheinland-Pfalz will sein Ansehen restaurieren, aber ob ihm das durchweg gelingt, erscheint nach der ersten Verhandlungswoche fraglich. Denn es geht bei diesem öffentlichen Prozess nicht allein um Fakten, es geht auch um den richtigen Ton. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Untreue in neun Fällen vor, den Missbrauch seiner Stellung, Verschleierung, eine Liste von Peinlichkeiten bei der geplatzten Privatfinanzierung des Freizeitparks am Nürburgring, für die Deubel verantwortlich war.

Deubel aber ist nicht nach Demut, ihm ist nach Attacke. Schon seine ersten Worte zeigen, wie viel Zorn sich in ihm aufgestaut hat, dass er jetzt zurückschlagen will, ganz der alte Judoka, der den zweiten Dan trägt. Er kämpft gegen die in seinen Augen voreingenommenen Staatsanwälte, die nicht einmal einfache Vermerke verstehen könnten, dafür "infame Vorwürfe" erhöben. Gegen Journalisten, die "niveaulose Schmierenstücke" verfassten. Und vor allem gegen den mitangeklagten Michael Nuß, den Finanzcontroller der landeseigenen Nürburgring GmbH, und dessen "systematische Lügengeschichten".

Da ist einer wütend. Richtig wütend.

Die anderen sind schlicht zu doof oder unwillig, die Tatsachen zu erkennen, so stellt es Deubel dar. Stundenlang. Mit 300 Fußnoten. Und er selbst? "Die ein oder andere Handlung mag suboptimal gewesen sein", sagt er, "aber hinterher ist man immer schlauer." Zu mehr Selbstkritik scheint der SPD-Politiker vor Gericht nicht bereit zu sein. Lieber tut er das, wofür er in Mainz berüchtigt war, er erklärt über Stunden, warum sein Vorgehen logisch und der intelligenteste aller Wege war. Das Gericht wird in diesen Phasen zu einem Hörsaal. Deubel doziert, die anderen lernen dazu.

Dumm nur, dass der Steuerzahler am Ende womöglich auf Hunderten Millionen Euro für die überflüssigen Ring-Bauten sitzen bleibt; dass Deubels Finanzierungsideen in der Praxis nicht funktionierten. Ein bisschen Demut stünde einem Politiker da nicht schlecht zu Gesicht, finden viele Zuhörer in Koblenz.

Der 62-Jährige aber findet es noch immer absolut richtig, dass er die Bauten am Ring mit dem Kauf von amerikanischen Risikolebensversicherungen finanzieren lassen wollte. Solche Geschäfte hält nicht jeder für ehrenwert, der frühere Finanzminister aber zeigt keinerlei moralische Zweifel. Es war doch ein "innovatives und wirtschaftlich sehr attraktives Modell", schwärmt er vor Gericht.

Deubel findet es immer noch angemessen, dass eine landeseigene Firma unter seiner Aufsicht 45.000 Euro an dubiose Finanzvermittler zahlte. Die gründeten mit dem Geld eine neue Firma, weil ihre bisherige im Ruf stand, mit der mexikanischen Drogenmafia verbandelt zu sein. Selbst zahlen wollten sie nicht. Kopfschütteln im Gericht. Gelächter.

Später soll Deubel weitere 100.000 Euro an die Finanzvermittler bewilligt haben, damit diese in der Schweiz eine neue Firma gründeten - um in Deutschland keine Steuern auf ihre Provisionen zahlen zu müssen. So erzählt es der Controller Nuß vor Gericht. Ein deutscher Finanzminister unterstützt Steuerflucht? Deubel weist auch diese Anschuldigung zurück.

"Bösartige Verleumdungen" mit Folgen

Der Vortrag von "Prof. Dr. Ingolf Deubel", wie er sich auf seiner Präsentation selbst nennt, ist doppelt eindrucksvoll. Einerseits die Detailversessenheit, mit der er allen Vorwürfen entgegentritt und dabei Entlastendes vorbringt. Noch eindrucksvoller aber ist seine unerschütterliche Selbstgewissheit, die viele Beobachter irritiert. Wer derart von sich überzeugt ist, sagen Zuschauer in den Pausen, der hält sich wohl für unfehlbar, der findet Fehler allenfalls bei anderen. Vielleicht erklärt das schon, wie das Projekt Nürburgring so spektakulär scheitern konnte. Wer weiß.

Manchmal wird es auch verletzend. Wenn Deubel den Nürburgring-Mitarbeiter Nuß angreift, der ihn schwer belastet, belässt er es nicht dabei, Fakten sprechen zu lassen. Er wirft Nuß vor, sich als "armer geknechteter Mensch" darzustellen, obwohl er immer nur sage, was den Wichtigen gefalle.

Dessen "bösartige Verleumdungen" würden noch Folgen haben. Nuß scheint diesem Duell nur bedingt gewachsen zu sein. Er will sich später im Prozess erneut äußern. Nach Deubels Attacken sitzt er am Donnerstag fahl auf seinem Stuhl, zusammengesunken. Und weint.

© SZ vom 19.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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