Nürburgring-Affäre:Revolte gegen König Kurt

Kurt Beck urlaubt an der Mosel, aber sich zu erholen dürfte dem Mainzer Ministerpräsidenten schwerfallen: Die Nürburgring-Affäre lässt seine und die Umfragewerte der SPD in Rheinland-Pfalz einbrechen. Aus den Reihen der Opposition werden Forderungen nach Neuwahlen laut.

Klaus Ott und Marc Widmann

Kurt Beck versucht sich zu erholen in diesen Tagen, er ist dazu wie jedes Jahr an die Mosel gefahren. Radfahren steht auf dem Programm und die ausführliche Beschäftigung mit Cameron, dem Hund des Hotelbesitzers. Doch ob sich der Mainzer Ministerpräsident rundum entspannt, ist zweifelhaft.

Kurt Beck

Schwere Zeiten für Kurt Beck: In der Wählergunst ist der rheinland-pfälzische Ministerpräsident abgestürzt-

(Foto: dpa)

Die schlechten Nachrichten verhageln ihm den Sommerurlaub. Laut einer Umfrage des Südwestrundfunks ist Becks SPD in Rheinland-Pfalz in der Wählergunst um fünf Punkte abgestürzt, auf einen historisch schlechten Wert. Sie liegt nun sechs Zähler hinter der CDU und erreicht gerade noch 31 Prozent. Auch Becks persönliche Werte haben sich eingetrübt, noch 47 Prozent der Landsleute sind mit seiner Arbeit zufrieden, bei der vorherigen Umfrage im Mai waren es zehn Punkte mehr. In der Landesregierung macht man sich keine Illusionen, woran der Absturz liegt: an der Nürburgring-Affäre.

Die Pleite der landeseigenen Nürburgring GmbH in der vergangenen Woche bringt den Regierungschef in Not, vor allem, weil er stets von einem Erfolg des Projekts in der Eifel redete. Auch dann noch, als die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young im Juli 2010 in einem internen Arbeitspapier vor gewaltigen Verlusten am Ring warnten, wie die SZ am Donnerstag berichtete. Diese Warnung kam lange vor der Landtagswahl im März 2011.

"Hier geht es um Wahlbetrug", sagt die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner. Für sie gibt es keinen Zweifel daran, dass die erschreckenden Prognosen der Regierung bekannt sein mussten, schließlich hätten die Prüfer ja auch in deren Auftrag gearbeitet. "Wer trotz deutlicher Warnungen die Lage schönredet und den Wählern vor der Wahl geplant die Unwahrheit sagt, der hat sie betrogen, nur um an der Macht zu bleiben", sagt Klöckner. Als Konsequenz fordert sie nichts weniger als Neuwahlen: "Hätte der Ministerpräsident Anstand, würde er zusammen mit seinen Gehilfen den Hut nehmen und den Weg frei machen für Neuwahlen."

Betrügerisch oder überfordert

Auch für die nicht mehr im Landtag vertretene FDP hat der Skandal um den Nürburgring eine neue Dimension erreicht. "Während Kurt Beck noch im Wahlkampf behauptete, dass der Nürburgring auf dem Weg zu einem Erfolgsmodell sei, verfügte die Landesregierung bereits über deutliche Warnungen vor dem bevorstehenden Millionendebakel", sagt FDP-Landeschef Volker Wissing. Er verlangt ebenfalls Becks Abgang: Entweder habe der Regierungschef die Informationen gekannt, dann habe er die Öffentlichkeit belogen, so Wissing; oder er wusste nichts von den düsteren Zahlen, dann sei er "mit der Führung der Regierungsgeschäfte überfordert und ebenfalls nicht länger tragbar".

Scharfe Töne sind das, die gut illustrieren, wie aufgeheizt die Stimmung in Rheinland-Pfalz derzeit ist. Bereits seit Tagen kursiert dort ein Papier der Wirtschaftsprüfergesellschaft Dornbach und Partner vom Mai 2012 für die inzwischen insolvente Nürburgring GmbH. Die Expertise ergibt, dass das Ring-Desaster die Steuerzahler 300 Millionen Euro kosten könnte. Die Schulden der Nürburgring GmbH werden auf etwa 400 Millionen Euro beziffert; der sogenannte Verkehrswert der Gesellschaft und ihrer Anlagen wird mit gerade mal 98 bis 126 Millionen Euro berechnet. Die riesige Lücke muss im schlimmsten Fall dauerhaft mit Mitteln des Landes geschlossen werden.

Inzwischen hat ein vom Gericht eingesetzter "Sanierungsgeschäftsführer" am Ring das Sagen. Der Sanierer will sich nun zuerst mit der privaten Betreibergesellschaft NAG einigen, der das Land kündigen ließ. Die NAG, die bislang den Rennkurs samt angeschlossenen Freizeitpark managt, keilt kräftig zurück. Die Probleme am Nürburgring seien "so hochkomplex, das überforderte und überfordert ganz offensichtlich auch Herrn Beck", sagt Kai Richter, einer der beiden NAG-Chefs. "Wir haben im Streit mit dem Land bislang 2,5 Millionen Euro an Anwalts- und Beratungskosten bezahlt, das ist totaler Wahnsinn."

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