NSU-Untersuchungsausschuss:Maskiert in den Bundestag

Mit Perücke und falschem Bart? Vor dem NSU-Untersuchungsausschuss soll am Montag ein Verfassungsschutz-Beamter aussagen, dessen Identität das Stuttgarter Innenministerium unbedingt geheim halten will. Der Beamte hat eine V-Frau namens "Krokus" betreut, für deren Freund sich der Ausschuss nun interessiert. Dieser gilt als Waffennarr und soll sich früher Zypern und der Türkei als Spion angeboten haben.

Von Tanjev Schultz

Wenn V-Männer als Zeugen vor Gericht aussagen, kommen sie manchmal verkleidet. Beliebt sind Perücken und falsche Bärte, die das wahre Gesicht eines Spitzels verbergen sollen. So eine Maskerade könnte an diesem Montag auch vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags zu bewundern sein. Dort soll ein V-Mann-Führer vernommen werden: ein Beamter des baden-württembergischen Verfassungsschutzes, der eine V-Frau namens "Krokus" betreut hat.

"Krokus" hat seltsame Geschichten über den NSU erzählt, deshalb soll der Beamte befragt werden. Sein Tarnname ist Rainer Öttinger, und das Innenministerium in Stuttgart hält den Mann für so schutzbedürftig, dass es beabsichtigt, sein Aussehen von einem Maskenbildner verfremden zu lassen. Was genau geplant ist, wird nicht verraten; mit ein bisschen Schminke ist es sicherlich nicht getan.

Am liebsten wäre es dem Ministerium, wenn Öttinger unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagen würde. Doch die Abgeordneten legen Wert auf so viel Transparenz wie möglich, und es dürfte bis zuletzt um die Bedingungen des Auftritts gerungen werden. Der Ausschuss hat angeboten, eine Spanische Wand zum Schutz des Zeugen aufzustellen. Das Ministerium in Baden-Württemberg hält es zwar für sinnvoll, dies vorzubereiten. Ausreichend sei die Wand aber nicht, denn ein Teil des Publikums auf der Tribüne habe vermutlich dennoch freie Sicht auf den Zeugen.

Da nicht auszuschließen ist, dass sich die Abgeordneten durchsetzen und Zuschauer zugelassen werden, will das Innenministerium seinen Beamten vorsorglich in jedem Falle zum Maskenbildner schicken. Sollte dann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, könne man die Verfremdung des Äußeren rasch rückgängig machen. In Ausschusskreisen zeigt man sich etwas verwundert über die besondere Vorsicht und fragt sich, ob der Beamte tatsächlich so gefährdet ist. V-Frau "Krokus" hat zwar einen Freund, der als schwierig gilt. Aber zumindest "Krokus" müsste das wahre Aussehen ihres früheren Betreuers beim Verfassungsschutz ohnehin kennen.

Der Freund der V-Frau gilt als Waffennarr, der bereits Haftstrafen verbüßen musste. Auch mit Drogengeschäften soll er Berührungen gehabt haben, zeitweise diente der Mann aber auch als Tippgeber für die Polizei. Gleich nach dem Ende des NSU im November 2011 meldete er sich und präsentierte den Ermittlern eine unglaubliche Geschichte. Er schlug einen Bogen von diversen Neonazis, über die Irisch-Republikanische Armee und den deutschen Verfassungsschutz bis zum NSU und streute allerlei Gerüchte.

Früher war der Mann dadurch aufgefallen, dass er ehemalige Soldaten als Söldner zu rekrutieren versuchte. Auf Zypern soll er sich einmal als Spion angeboten haben - zuvor allerdings schon den Türken, weshalb die Behörden der Insel ihn lieber zügig nach Deutschland auswiesen.

Das Leben des Verfassungsschutz-Beamten Rainer Öttinger mag nicht ganz so schillernd sein. Aber der Einsatz eines Maskenbildners könnte ihm das Gefühl geben, in einem echten Geheimdienst-Krimi mitzuspielen.

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