Das hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat nach der Veröffentlichung von geheimen NSU-Berichten Strafanzeige gestellt. Die Strafanzeige sei wegen der unrechtmäßigen Weitergabe von als Verschlusssachen eingestuften Dokumenten gegen Unbekannt gestellt worden, teilte die Behörde am Montag in Wiesbaden mit. Das hessische Landeskriminalamt befasse sich nun mit den Ermittlungen.
Die Plattform "Frag den Staat" und das "ZDF Magazin Royale", das von Jan Böhmermann moderiert wird, hatten die Dokumente veröffentlicht und ins Internet gestellt. Die Strafanzeige des LfV richtet sich nur gegen die unrechtmäßige Weitergabe der Dokumente und nicht gegen die Veröffentlichung.
Die Wiesbadener Behörde erklärte, wenn ihr Hinweise auf die Begehung von Straftaten bekannt werden, gebe sie diese grundsätzlich an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weiter, so auch im vorliegenden Fall. Bei den Dokumenten handele es sich um als Verschlusssachen eingestufte Berichte aus den Jahren 2013 und 2014. Diese hätten das Ergebnis einer rückblickenden internen Prüfung der Erkenntnislage des LfV Hessen aus dem Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 30. Juni 2012 zum Gegenstand. Dabei handele es sich nicht um sogenannte "NSU-Akten", sondern um die Berichte "Aktensichtung 2012 - Fachlicher Abschlussbericht zur Aktenprüfung im LfV Hessen" vom 19. Dezember 2013 sowie "Abschlussbericht zur Aktenprüfung im LfV Hessen im Jahre 2012" vom 20. November 2014.
Eine Weitergabe von Verschlusssachen an unbefugte Dritte stelle eine Straftat dar
Die beiden Aktenprüfungsberichte hätten dem NSU-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags vorgelegen und lägen auch dem aktuell laufenden Untersuchungsausschuss zum Mord am nordhessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke vollständig vor. Darüber hinaus hätten alle Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission Verfassungsschutz jederzeit die Möglichkeit, die Berichte einzusehen. Zudem habe der hessische Verfassungsschutz die Aktenprüfungsberichte auch anderen Behörden zu deren jeweiliger Aufgabenerfüllung zur Verfügung gestellt, so dem Bundeskriminalamt, der Bundesanwaltschaft sowie dem hessischen Landeskriminalamt.
Die Berichte "konnten und können" von dem Amt aber aus rechtlichen Gründen nicht veröffentlicht werden, weil sie als Verschlusssache eingestuft seien und klassifizierte Erkenntnisse des Verfassungsschutzes und anderer Behörden enthielten. Darunter seien auch dem Quellenschutz unterliegende Erkenntnisse. Eine Weitergabe von Verschlusssachen an unbefugte Dritte stelle eine Straftat dar.
Bundesregierung sieht Veröffentlichung als problematisch an
Unterdessen sieht die Bundesregierung die Veröffentlichung als problematisch an. Es gebe aus guten Gründen Einstufungen von Akten, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit im Auftrag von Olaf Scholz in Berlin. Verstöße dagegen sollten nicht Schule machen. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums führte aus, wenn eingestufte Akten veröffentlicht werden, sei unter Umständen damit zu rechnen, dass daraus etwas über die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden abzuleiten sei.
Der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) hatte über Jahre unerkannt mordend durch Deutschland ziehen können. Die Opfer der Rechtsterroristen waren neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft und eine deutsche Polizistin.