NSU:Spuren nach Schweden

Bilder und Videos von Neonaziaufmärschen - bei den Ermittlungen zur Terrorgruppe NSU gibt es immer wieder Bezüge zu Skandinavien. Eine Analyse des Verfassungsschutzes legt nahe, dass sich das Trio für ihre Taten einen rassistischen Serienmörder aus Schweden zum Vorbild nahm.

John Goetz und Tanjev Schultz

Als die drei braunen Kameraden verschwunden waren, kursierten in der Neonazi-Szene Gerüchte über eine Flucht ins Ausland. Es hieß, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die 1998 untergetaucht waren, könnten nach Südafrika gegangen sein oder nach Schweden.

In der ausgebrannten Wohnung des Trios fand die Polizei eine Festplatte mit einem Ordner "Schweden" und Bildern von Neonazi-Aufmärschen in Skandinavien. Hinweise auf Schweden sind den Ermittlern zuletzt immer wieder begegnet, auch wenn darunter keine Belege sind, dass das NSU-Trio, das sich in Chemnitz und Zwickau versteckte, jemals selbst dorthin reiste.

Ausgerechnet nach Schweden - für Deutsche Inbegriff eines sozialdemokratisch geprägten Landes - hatten deutsche Neonazis in den Neunzigerjahren und Anfang des Jahrtausends gute Kontakte. Die Deutschen organisierten Rechtsrock-Konzerte oft in Kooperation mit schwedischen Partnern. Jan W., einer der mutmaßlichen NSU-Unterstützer, soll einmal eine Freundin in Schwedin gehabt haben.

Ein Zeuge, der Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt während eines Urlaubs auf Fehmarn kennengelernt hatte, ohne ihren terroristischen Hintergrund zu kennen oder auch nur zu ahnen, hat ausgesagt, 2009 oder 2010 habe das Trio in Kiel Besuch aus Dänemark oder Schweden treffen wollen. Dabei könnte es sich allerdings um deutsche Bekannte gehandelt haben, die von einem Skandinavien-Urlaub heimfuhren.

In einer vertraulichen Analyse hält es das Bundesamt für Verfassungsschutz für möglich, dass die Taten des Schweden John Ausonius, eines rassistischen Serientäters, den deutschen NSU-Terroristen als "Blaupause" dienten. Ausonius, Sohn einer deutschen Einwanderin, hatte 1991/92 in Stockholm und Uppsala zehn fremdenfeindliche Mordanschläge verübt. Ein Einwanderer starb, viele wurden sehr schwer verletzt. Bei seinen ersten Attacken verwendete Ausonius ein Gewehr mit einer Laservorrichtung, was ihm in der Öffentlichkeit den Namen "Lasermann" eintrug. Er kannte seine Opfer nicht, bei Einwanderern löste die Anschlagswelle große Ängste aus.

Parallelen zum Vorgehen des "Lasermannes"

Wie später die NSU-Terroristen nutzte der Lasermann mitunter einen Mietwagen, um zum Tatort zu kommen. In Dresden soll er sich einen falschen Pass besorgt haben auf den Namen Tilo Ulbrich; 1992 flog er nach Südafrika. Nach einem Banküberfall in Schweden wurde Ausonius schließlich gefasst und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Er bekannte sich erst später zu den Taten, auch zu einer Serie von Banküberfällen, bei denen er mit einem Fahrrad geflüchtet sein soll.

Die deutschen NSU-Terroristen nutzten ebenfalls Fahrräder, die sie fernab vom Tatort in ein Wohnmobil luden. Dem NSU werden neun Morde an Kleinunternehmern mit türkischen oder griechischen Wurzeln sowie der Mord an einer Polizistin zugeschrieben. Es gibt keine Belege dafür, dass die Terroristen ihre Opfer persönlich kannten. Die Analyse des Verfassungsschutzes spricht von "deutlichen Parallelen" zum Vorgehen des "Lasermannes" Ausonius.

Die Ähnlichkeiten können freilich Zufall sein. Ermittler sehen keinen zwangsläufigen Zusammenhang, da Banküberfälle oder das Anmieten von Fahrzeugen für terroristische Täter nicht untypisch sind.

Die Taten des Lasermannes wurden allerdings in der Neonazi-Szene durchaus diskutiert. Im Jahr 2000 - dem Jahr, in dem der NSU mutmaßlich seinen ersten Mord beging - veröffentlichte ein in Norwegen geborener Rechtsextremist unter dem Pseudonym Max Hammer das Strategiepapier "Field Manual". Hammer war ein Aktivist der militanten Neonazi-Gruppe "Blood & Honour", die im Umfeld des NSU eine Rolle spielte. Hammer vertrat das Konzept eines "führerlosen Widerstands" und der Bildung militanter Zellen. Den Lasermann erwähnte er als ein mögliches Vorbild.

In der schwedischen Stadt Salem fand 2005 ein Gedenkmarsch für einen Rechtsextremisten statt. Videos und Bilder davon fanden sich in der Wohnung des NSU-Trios in Zwickau. Die Dateien stammen womöglich von der Familie E. aus Zwickau, mit der das Trio regen Kontakt hatte. In der Wohnung der Familie fand man Datenträger mit den gleichen Ordnern. Auf einem der Bilder aus Schweden ist nach Ansicht der Ermittler ein Bruder des mutmaßlichen NSU-Unterstützers André E. zu sehen.

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