NSU:Ralf Wohlleben muss zurück ins Gefängnis

2016 sitzt Ralf Wohlleben als Angeklagter beim NSU-Prozess im Saal im Oberlandesgericht München.

2016 sitzt Ralf Wohlleben als Angeklagter beim NSU-Prozess im Saal im Oberlandesgericht München.

(Foto: Peter Kneffel/DPA)

Der ehemalige NPD-Funktionär war wegen Unterstützung des NSU zu zehn Jahren Haft verurteilt, nach zwei Dritteln jedoch freigelassen worden. Jetzt muss er auch die Reststrafe absitzen.

Von Annette Ramelsberger

Ralf Wohlleben war der Mann, der den NSU unterstützte, der wie die Spinne im Netz darüber wachte, dass die rechtsradikale Mörderbande alles hatte, was sie brauchte. Er war der Mann, der die Tatwaffe für neun Morde an Migranten besorgte. Und der Kontakt hielt zu den drei untergetauchten Tätern Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Wohlleben stand auch während des Prozesses treu zu ihnen. Er war, so sieht es der Generalbundesanwalt, die "steuernde Zentralfigur" des NSU.

Der ehemalige NPD-Funktionär wurde 2018 zu zehn Jahren Haft verurteilt - wegen Beihilfe zum neunfachen Mord. Doch kurz nach dem Urteil wurde er in die Freiheit entlassen, er hatte bereits fast zwei Drittel seiner zehn Haftjahre abgesessen - bis auf elf Tage. Und beim Zwei-Drittel-Zeitpunkt besteht die Möglichkeit, auf Bewährung freigelassen zu werden.

Wohlleben gilt in der rechten Szene als Märtyrer

Das hatten seine Verteidiger auch beantragt. Doch bis so etwas entschieden wird, kann es dauern, und das Gericht fand, wegen dieser wenigen Tage sollte Wohlleben nicht weiter in Haft schmoren. Fünf Jahre konnte er dann seine Freiheit genießen. Bis jetzt. Nun aber muss er noch einmal ins Gefängnis.

Wohlleben, mittlerweile 47, gilt in der rechten Szene als Märtyrer. Er wird bis heute umschwärmt von Getreuen, lebt in einer Art germanischer Dorfgemeinschaft und ist nach dem Urteil im NSU-Prozess erneut Vater geworden. Doch das Idyll hat nun bald ein Ende.

Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass von Wohlleben weiter ein Risiko für die Sicherheit der Bundesrepublik ausgehe - zwar nicht durch eigene Gewalttaten, aber das Gericht traut ihm zu, dass er Gewalttaten aus der rechtsextremen Szene "möglichst unauffällig" unterstützen würde, falls so etwas an ihn herangetragen würde. Das heißt: Auch das oberste deutsche Gericht in Strafsachen sieht ihn weiter als aktiven Teil der gewaltbereiten rechten Szene.

Und das ist auch nicht verwunderlich: Man kennt Briefe von ihm, geschrieben an Getreue, in denen er nach seiner Haftentlassung erklärte, er fühle sich nur in "relativer Freiheit", denn die Bundesrepublik betrachtet er als Unterdrückerstaat. Briefe, in denen er sich altgermanischer Wortwahl bedient und von "Ernting" schreibt, wenn er August meint oder vom "Julfest", wenn es um Weihnachten geht.

Er hielt sich auch nicht fern von seinem Mitangeklagten André Eminger und dessen Frau Susann, die engste Freunde des NSU-Mördertrios waren. Eminger hatte Zschäpe bei der Flucht geholfen und Wohnmobile für die NSU-Leute angemietet. Er ist überzeugter Neonazi. Wohllebens und Emingers grillten nach der Haftentlassung gemeinsam, trafen sich en famille und pflegten die rechtsradikale Gemeinschaft. Auch bei Eminger steht noch ein Teil seiner Haftstrafe von zweieinhalb Jahren zur Verbüßung an.

Das Gericht verweist auf die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit

Wohllebens Anwälte hatten lange dagegen gekämpft, dass er den Rest seiner Strafe noch absitzen muss. Wohlleben war von November 2011, als sich der NSU enttarnte, bis zum Juli 2018 in Untersuchungshaft. Auch als das Urteil gegen ihn im Sommer 2021 rechtskräftig wurde, blieb er in Freiheit.

Das Oberlandesgericht München, zuständig für die Haft der Verurteilten, schickte zunächst einen psychiatrischen Gutachter zu Wohlleben, um zu klären, wie gefährlich er noch ist. Danach hatte das Gericht erklärt, Wohlleben müsse seine Reststrafe von gut drei Jahren absitzen. Dagegen hatte er Beschwerde eingelegt. Der BGH hat die Beschwerde nun abgewiesen. Die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit überwögen und ließen eine Aussetzung der Reststrafe auf Bewährung nicht zu, erklärte der BGH am Dienstag.

Wohlleben hatte den Mitgliedern des "Nationalsozialistischen Untergrunds", kurz NSU, eine Pistole samt Schalldämpfer und Munition verschafft. Damit erschossen Böhnhardt und Mundlos von 2000 bis 2006 aus rassistischen Motiven heimtückisch acht türkeistämmige Männer und einen Mann aus Griechenland. Mit einer anderen Waffe töteten sie eine Polizistin. Die Mörder blieben über Jahre unentdeckt.

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