NSU-Prozess:Zschäpes Bote darf nur Zeuge sein

NSU-Prozess

Ob Zschäpe den Psychiater Bauer von der ärztlichen Schweigepflicht entbindet, bleibt abzuwarten.

(Foto: dpa)
  • Das Gericht will den von der Verteidigung beauftragten Psychiater Joachim Bauer nur als Zeugen statt als Sachverständigen hören.
  • Psychiater Bauer soll am Donnerstag im NSU-Prozess von seinen Gesprächen mit Beate Zschäpe berichten.
  • Gerichtspsychiater Henning Saß soll während der Aussage von Zschäpes Psychiater anwesend sein.

Aus dem Gericht von Wiebke Ramm

Das Oberlandesgericht München will Psychiater Joachim Bauer am nächsten Donnerstag nicht wie von Beate Zschäpes Verteidigung beantragt als psychiatrischen Sachverständigen, sondern nur als Zeugen im NSU-Prozess hören. Als Sachverständiger soll stattdessen Gerichtspsychiater Henning Saß an jenem Tag erneut an der Hauptverhandlung teilnehmen und Bauers Ausführungen folgen. Das gab das Gericht am Freitag bekannt.

Es ist ein Alarmsignal für Zschäpe und ihre Verteidiger Hermann Borchert und Mathias Grasel. Dass das Gericht Zschäpes selbst gewählten Psychiater in Anwesenheit von Saß nur als Zeugen hören will, macht deutlich, dass Bauers Aussage primär der Ergänzung von Saß' eigenem Gutachten dienen soll. Zschäpe spricht nicht mit Saß, also soll Bauer der Bote ihrer Worte sein. Auf Bauers psychiatrische Einschätzung verzichtet das Gericht offenbar und legt dies auch weiterhin in die Hände von Saß.

Ob Zschäpe Bauer trotzdem von der ärztlichen Schweigepflicht entbindet, bleibt abzuwarten. Die Verteidiger Grasel und Borchert waren für eine Stellungnahme am Freitag zunächst nicht zu erreichen.

Bauer hat mit Zschäpe rund zwölf Stunden lang gesprochen

Grasel hatte am vergangenen Donnerstag im NSU-Prozess beantragt, das Gericht möge Bauer nicht bloß als Zeugen hören, sondern als Sachverständigen bestellen und ihn mit der Begutachtung Zschäpes beauftragen.

Bauer hat mit Zschäpe insgesamt rund zwölf Stunden lang gesprochen. Er soll dabei zu der Erkenntnis gelangt sein, dass bei der mutmaßlichen NSU-Terroristin im Tatzeitraum der NSU-Verbrechen eine schwere sogenannte dependente Persönlichkeitsstörung vorlag. Zschäpes Verteidiger sehen damit die Voraussetzungen für eine verminderte Schuldfähigkeit als erfüllt an. Folgt das Gericht dieser Einschätzung, könnte Zschäpe auch bei einer Verurteilung wegen Mittäterschaft an zehn vorwiegend rassistischen Morden, zwei Bombenanschlägen und 15 Raubüberfällen die lebenslange Freiheitsstrafe erspart bleiben.

Bisher deutete nichts im Prozess darauf hin, dass Zschäpe an einer Persönlichkeitsstörung leidet. Saß war in seinem Gutachten zu der Erkenntnis gelangt, dass Zschäpe im Zeitraum der angeklagten Taten voll schuldfähig war. Mit Saß hat Zschäpe allerdings nie geredet. Für sein Gutachten wertete er Tausende Aktenseiten aus, nahm fast vier Jahre an der Hauptverhandlung teil und hörte Hunderte Zeugen. Bauer hingegen hat den NSU-Prozess nie besucht, er hat auch keine Zeugen gehört. Bauer stützt seine Einschätzung nahezu ausschließlich darauf, was Zschäpe ihm erzählt hat.

Die mutmaßliche NSU-Terroristin soll Bauer bislang unbekannte Details über das Zusammenleben mit ihrer Mutter und noch nicht genannte Einzelheiten über ihr Leben mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos berichtet haben. So soll Zschäpe in der Zeit des Untergrunds "fortgesetzten schweren körperlichen Misshandlungen durch Uwe Böhnhardt" ausgesetzt gewesen sein, wie Grasel am 355. Hauptverhandlungstag verriet. In Zschäpes bisherigen Aussagen, die von ihren Anwälten im Prozess vorgelesen worden waren, hatte sie Schläge durch Böhnhardt eher am Rand erwähnt. Nach ihren bisher bekannten Angaben soll Böhnhardt Zschäpe geschlagen haben, wenn ihm bei einem Streit die Argumente ausgingen.

Saß war in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass das Bild, das Zschäpe in ihrer bisherigen Aussage von sich gezeichnet hat, wenig glaubhaft ist. Zschäpe hatte angegeben, dass sie die Morde und Sprengstoffanschläge angeblich nicht gewollt hat und nur aufgrund emotionaler Abhängigkeit von Mundlos und Böhnhardt bei ihren Lebensgefährten geblieben ist. Saß sieht bei Zschäpe allerdings viel mehr Hinweise auf eine starke, denn auf eine schwache Persönlichkeit. Zschäpe ist eine Frau, die weiß, was sie will und auch danach handelt - so hat Saß sie erlebt. Es wäre eine Überraschung, käme er nach der Aussage von Bauer zu einer anderen Einschätzung.

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