NSU-Prozess:Zschäpes finanzieller Förderer

NSU-Prozess

Zschäpe im Dezember 2016 vor Gericht in München

(Foto: dpa)
  • JVA-Vizechefin Mariona Hauck hat im NSU-Prozess ausgesagt. Sie ist eine der wenigen Menschen, die direkten Kontakt zu Beate Zschäpe haben.
  • Zschäpe bekommt von einem 54-jährigen Mann Geld, der in München wohnt und ursprünglich aus Seifhennersdorf im Landkreis Görlitz in Sachsen stammt.
  • Nebenklagevertreter sehen die Geldzahlungen des Mannes als Hinweis dafür, dass sich Zschäpe nicht von der rechten Szene distanziert hat.

Aus dem Gericht von Wiebke Ramm und Annette Ramelsberger

Nur wenige Menschen haben direkten Kontakt zu Beate Zschäpe. Seit November 2011 ist die Hauptangeklagte im NSU-Prozess in Untersuchungshaft, seit März 2013 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) München-Stadelheim. Die stellvertretende JVA-Leiterin, Mariona Hauck, ist eine der wenigen, die Zschäpe in ihrem Alltag erleben.

Am Mittwoch sagte die JVA-Vizechefin im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München aus. Sie sollte erzählen, wie sich die Angeklagte in der Haft verhält. Es waren die Verteidiger Mathias Grasel und Hermann Borchert, die sozusagen Zschäpes Zellentür für die Prozessbeteiligten geöffnet hatten. Sie hatten vergangene Woche angekündigt, eine andere JVA-Beamtin als Zeugin im Prozess hören zu wollen. Einen entsprechenden Antrag kündigten sie mehrfach an, stellten ihn jedoch nie fertig. Richter Manfred Götzl verlor schließlich die Geduld und lud kurzerhand JVA-Vizechefin Hauck als Zeugin.

Durch ihre Aussage kam nun heraus: Zschäpe wird von einem mutmaßlichen Rechtsextremisten finanziell unterstützt. Zschäpe bekomme regelmäßig "mal 100 Euro, mal 200 Euro" von ihrer Familie und von einer Person namens Enrico K., sagte Hauck vor Gericht. Opferanwalt Sebastian Scharmer hatte die Zeugin nach Zschäpes finanziellen Verhältnissen gefragt.

Bei Enrico K. handelt es sich um einen 54-jährigen Mann, der in München wohnt und ursprünglich aus Seifhennersdorf im Landkreis Görlitz in Sachsen stammt. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung überweist er Zschäpe seit mehreren Jahren monatlich meist 200 Euro. Und er schickt Zschäpe nicht nur Geld, sondern auch Briefe und Postkarten. Ob die beiden jemals persönlich Kontakt hatten, ist nicht bekannt. Belegt ist, dass Enrico K. im Juli 2015 bei Gericht um Erlaubnis bat, die Angeklagte in der Haft besuchen zu dürfen. Zschäpe ließ dem Gericht damals ausrichten, dass sie von Enrico K. keinen Besuch wünsche. Sein Geld aber nimmt sie an.

"Freiheit für Bea", fordert Enrico K. auf Facebook

Was treibt den Mann an, einer Frau Geld zu schicken, die wegen Mittäterschaft an zehn überwiegend rassistisch motivierten Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und 15 Raubüberfällen angeklagt ist? Ein Blick auf das Facebook- und Twitter-Profil von Enrico K. zeigt zahlreiche Fotos von Zschäpe und Liebesbekundungen an sie. Enrico K. nennt sie "Bea", veröffentlicht 2015 einen kitschigen Gruß an Zschäpe zum Valentinstag und fordert: "Freiheit für Bea". Auf Facebook sympathisiert er mit den rechtsextremen Parteien NPD und Der Dritte Weg. "Aktiver Widerstand ist kein Terrorismus", hat er im November 2014 auf Twitter veröffentlicht, darunter ein Foto von Zschäpe.

Nebenklagevertreter sehen die Geldzahlungen des Mannes als Hinweis dafür, dass sich Zschäpe nicht von der rechten Szene distanziert hat. Ihr Verteidiger Wolfgang Stahl widersprach und erinnerte daran, dass seine Mandantin in der Haft keinen Internetzugang hat und ihr Enrico K.s Veröffentlichungen mutmaßlich gar nicht bekannt seien.

Zschäpe hatte sich im November 2011 nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt der Polizei gestellt. Zunächst kam sie in Köln in Untersuchungshaft, im März 2013 dann in die JVA München. Dort ist sie seit bald vier Jahren - und damit nach Angaben von Mariona Hauck so lange wie keine andere Untersuchungsgefangene. Zschäpe habe deswegen unter den Gefangenen "eine gewisse Prominenz", sagte sie.

Zschäpe sei "unauffällig, gut integriert, freundlich, korrekt und höflich"

Zschäpes Verhalten im Gefängnis beschrieb die Zeugin als "unauffällig". Sie sei "gut integriert", "freundlich, korrekt und höflich" gegenüber Mithäftlingen und Bediensteten. "Es gibt keinerlei disziplinarische Auffälligkeiten", so Hauck. Die stellvertretende JVA-Leiterin blieb in ihren Beschreibungen recht vage. Zschäpe habe Weihnachten 2015 den Gottesdienst besucht, spiele gern Volleyball, bastele und zeichne gern - viel mehr berichtete sie nicht. Eine Mitgefangene soll einmal hinter Zschäpe "ausgespuckt" haben, woraufhin die Frau in eine andere Abteilung verlegt worden sei.

Psychiater Henning Saß hielt nach der Befragung der JVA-Beamtin an seiner Beurteilung von Zschäpe fest. Saß war in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass Zschäpe im Falle ihrer Verurteilung als NSU-Terroristin weiter gefährlich ist. Der Psychiater machte deutlich, dass er Zschäpes Angaben wenig Glauben schenkt, dass sie "entsetzt" gewesen sei, als sie angeblich immer erst hinterher von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt von den Morden und Anschlägen erfahren habe.

Saß sagte: "Es gehört zu den besonderen Fähigkeiten von Frau Zschäpe, dass sie sich sehr kontrolliert und beherrscht der Situation anpassen kann. Sie hat viele Jahre im Untergrund verbracht, die ohne größere Panne verlaufen sind." Dass sich Zschäpe in der Haft unauffällig verhalte, ändere nichts an seiner Beurteilung. Zschäpe habe sich "über viele Jahre mit Erfolg" verstellt. "Es besteht kein Grund anzunehmen, dass diese Fähigkeit nicht mehr besteht." Dass sie in der JVA nicht auffällig geworden sei, überrasche ihn nicht. Es sei für ihn kein Beleg dafür, dass Zschäpe sich vom rechtsextremen Gedankengut abgewandt hat. Damit beendete das Gericht die Befragung des Psychiaters. Aus Sicht der Richter hat Saß seinen Auftrag erfüllt.

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