Süddeutsche Zeitung

NSU-Prozess:Zschäpe muss Sturm behalten

Im NSU-Prozess muss Beate Zschäpe weiterhin mit ihren drei Verteidigern auskommen - auch mit Anwältin Anja Sturm. Das Münchner Oberlandesgericht hat einen entsprechenden Antrag Zschäpes abgelehnt.

Von Tanjev Schultz

Von einem Sturm im Wasserglas hatten einige Verfahrensbeteiligte schon gewitzelt. Wochenlang gab es rund um den NSU-Prozess Aufregung um die Vertrauenskrise zwischen Beate Zschäpe und ihren Anwälten. Nun ist klar: Die Angeklagte wird ihre Pflichtverteidigerin Anja Sturm nicht los. Schon im vergangenen Jahr hatte das Oberlandesgericht München einen Antrag Zschäpes auf Entbindung ihrer drei Anwälte abgelehnt, weil ihre Begründung nicht ausreichte. Nun schmetterte es auch die jüngste Forderung ab, zumindest Anja Sturm von dem Mandat zu entbinden. Am Freitag verfügte der 6. Strafsenat: Sturm bleibt.

In der Entscheidung des Gerichts heißt es, es bestünden keine "konkreten, hinreichenden und nachgewiesenen Anhaltspunkte dafür, dass das Vertrauensverhältnis" zwischen Zschäpe und ihrer Verteidigerin so nachhaltig gestört sei, dass eine "sachgerechte Ausübung" des Mandats unmöglich wäre. Der von Zschäpe erhobene Vorwurf, Sturm habe vertrauliche Informationen im Prozess öffentlich gemacht, sei "lediglich pauschal" erhoben worden.

Es könne auch nicht von einem Abbruch der Kommunikation zwischen Zschäpe und ihren Anwälten gesprochen werden, argumentiert das Gericht. Denn die Angeklagte habe zuletzt sehr wohl noch mit ihren beiden weiteren Verteidigern Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl gesprochen.

Tatsächlich hatte man am Mittwoch zumindest beobachten können, wie Heer am Morgen kurz etwas zu Zschäpe sagte und diese darauf mindestens mit einem leichten Nicken, womöglich sogar einer knappen Äußerung reagierte. Und als Zuschauer weiß man auch nicht, ob und welche Gespräche hinter den Kulissen des Gerichtssaals stattgefunden haben.

Gleichwohl: Die Atmosphäre wirkte zuletzt weiterhin frostig. Zwischen Zschäpe und Sturm war keine Interaktion erkennbar. Nun sollen sie sich trotzdem miteinander arrangieren; einige Monate wird der Prozess in jedem Falle noch dauern.

Hohe juristische Hürden

Die juristischen Hürden dafür, einen Pflichtverteidiger abzuberufen, sind sehr hoch. Ein Angeklagter soll den Verweis auf eine Vertrauenskrise nicht als Erpressungsmittel benutzen können, um den Prozess zu torpedieren. Zschäpe hatte in ihrer jüngsten Begründung für den Antrag nicht nur Sturm, sondern auch Stahl und Heer attackiert und ihnen beispielsweise vorgeworfen, während der Verhandlung im Internet zu surfen oder zu twittern. Die Anwälte verwahrten sich dagegen und wiesen die Behauptungen zurück.

Das Gericht geht auf diese Punkte gar nicht erst ein und konzentriert sich auf die Vorwürfe gegen Sturm. Dass diese angeblich nur Anwaltsgebühren kassieren wolle, sie Zschäpe psychisch unter Druck setze und unvorbereitet in der Verhandlung erscheine, sei "nur pauschal und unsubstantiiert vorgetragen" worden. Sturm hatte sich gegen die Behauptungen gewehrt. Das Gericht springt ihr nun auch mit dem Hinweis zur Seite, es liege auf der Hand, dass die Rechtsanwältin mit dem Mandat "berechtigterweise auch wirtschaftliche Interessen verfolgt".

Es gebe, so fasst es der Vorsitzende Richter Manfred Götzl zusammen, keine ausreichende Grundlage, um eine endgültige und nachhaltige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses festzustellen. Dies wäre aber nach dem Gesetz die Voraussetzung, um einen Pflichtverteidiger abzuberufen.

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