NSU-Prozess:Zschäpe gibt sich reuig

Nach drei Jahren ergreift die Hauptangeklagte erstmals das Wort und äußert Bedauern über ihr Fehlverhalten. Die Nebenkläger sprechen von einem "taktischem Schachzug".

Von Annette Ramelsberger

Zum ersten Mal in dreieinhalb Jahren NSU-Prozess hat die Hauptangeklagte Beate Zschäpe selbst das Wort ergriffen und im Gerichtssaal gesprochen. In einer kurzen, vorbereiteten Erklärung räumte sie am Donnerstag mit ruhiger, fester Stimme ein, dass sie in den Neunzigerjahren in Jena durchaus rechtsradikal gewesen sei, diese Einstellung habe sich aber in ihren 13 Jahren im Untergrund verändert. Heute lehne sie Nationalismus ab. Wörtlich sagte sie: "In der damaligen Zeit, als ich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos kennengelernt habe, identifizierte ich mich mit Teilen des nationalistischen Gedankenguts. In den Jahren nach dem Untertauchen wurden diese Themen wie zum Beispiel Angst vor Überfremdung zunehmend unwichtiger. Heute hege ich keine Sympathien mehr dafür." Wie und warum sich ihre politische Einstellung verändert hat, dazu machte Zschäpe keine Angaben.

Erneut distanzierte sie sich von den Taten ihrer beiden Freunde. Sie erklärte, sie verurteile, was ihre Freunde den Opfern angetan haben und bedauere auch ihr eigenes Fehlverhalten - so wie sie das bereits bei ihrer ersten Erklärung vor Gericht, am 9. Dezember 2015, durch ihre Anwälte vortragen ließ. Offenbar schien ihr das nicht zu reichen und sie wiederholte ihre Distanzierung von den Taten. Zschäpe sieht offenbar höchstens eine moralische Schuld bei sich, weil sie nicht fähig gewesen sei, sich von ihren mörderischen Gefährten zu trennen. Von juristischer Schuld spricht sie nicht. Dagegen wirft ihr die Bundesanwaltschaft vor, den Männern die Tarnung geliefert zu haben, unter der diese zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle begingen. Die Anklage sieht Zschäpe nicht nur als Helferin ihrer Gefährten, sondern als Mittäterin. Ihr droht eine lebenslange Strafe. Mundlos und Böhnhardt töteten sich im November 2011 nach einem missglückten Banküberfall selbst.

Mehrere Nebenklagevertreter beurteilten die Erklärung Zschäpes als rein taktischen Schachzug und sahen darin keine wirkliche Abkehr vom "Nationalsozialistischen Untergrund" und dessen rechtsradikalem Weltbild. "Dann könnte sie ja auch die Fragen der Angehörigen beantworten", sagte Anwalt Sebastian Scharmer. Er vertritt Gamze Kubaşık aus Dortmund, deren Vater der NSU ermordet hat. Zschäpe lehnt es ab, auf die Fragen der Opferfamilien einzugehen. Sie beantwortet nur Fragen von Gericht und Verteidigern. Das wolle sie weiter so handhaben, erklärte ihr Verteidiger Hermann Borchert. Er hatte vor Zschäpes eigener Erklärung in ihrem Namen auch gesagt, sie habe sich zwar Gedanken darüber gemacht, warum ihre Freunde so viele Ausländer getötet hatten, und über einen ausländerfeindlichen Hintergrund der Taten nachgedacht. Aber sie habe von Mundlos und Böhnhardt keine Antworten dazu bekommen. Sich selbst stellte sie als Frau dar, die Gewalt ablehnt. "Für mich war das Töten eines Menschen das Unfassbare und Erschreckende, und nicht, ob es sich dabei um einen Deutschen oder einen Ausländer gehandelt hat", ließ sie erklären. Der Prozess geht nun in seine Endphase. Bereits in drei Wochen soll der psychiatrische Sachverständige sein Gutachten über Zschäpe vorlegen.

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