NSU-Prozess:Zschäpe bekommt Hilfe von ihrer Mutter

NSU-Prozess

Die Angeklagte Beate Zschäpe bekommt nun Hilfe von ihrer Mutter.

(Foto: dpa)
  • Psychiater Bauer hält Beate Zschäpe für vermindert schuldfähig - was ihr bei einer Verurteilung die lebenslange Haft ersparen könnte.
  • Bauer bezieht sich in seinem Gutachten allerdings unzulässigerweise auf die Aussage von Zschäpes Mutter.
  • Zschäpes Mutter hat Gericht und Psychiater jetzt die Verwendung ihrer Aussage erlaubt - und muss deswegen nun gegen ihren Willen erneut vor Gericht erscheinen.

Aus dem Gericht von Wiebke Ramm

Beate Zschäpes Wahlpsychiater Joachim Bauer war ein wenig ins Schwimmen geraten bei der Frage des Richters. Manfred Götzl hatte ihn vergangene Woche im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München gefragt, was von seinem Gutachten übrig bleibt, wenn er die Aussage von Zschäpes Mutter nicht verwenden darf. Es ist Zschäpes Mutter selbst, die Bauer nun aus der Patsche und damit auch ihrer Tochter helfen will.

Über Zschäpes Verteidiger ließ Annerose Zschäpe am Mittwoch erklären, dass das Gericht und der Gutachter ihre Aussage beim Bundeskriminalamt (BKA) doch verwerten dürfen. Als Mutter der Angeklagten hatte sie sich bisher auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Sie bat in ihrem jetzigen Schreiben allerdings darum, weiterhin nicht vor Gericht aussagen zu müssen. Verteidiger Grasel beantragte stattdessen, das Protokoll ihrer BKA-Aussage zu verlesen.

Das Gericht hat sie nichtsdestotrotz für nächsten Mittwoch als Zeugin geladen. Das teilte es den Prozessbeteiligten am Nachmittag außerhalb der Verhandlung mit. Sollte sie sich nicht äußern, hat das Gericht bereits dafür gesorgt, dass auch die BKA-Beamten kommen werden, die sie damals vernommen haben.

Bauer ist überzeugt, dass Zschäpe vermindert schuldfähig ist

Psychiater Bauer ist nach 14 Stunden Gespräch mit Zschäpe zu der Überzeugung gelangt, dass bei der mutmaßlichen NSU-Terroristin eine schwere sogenannte abhängige Persönlichkeitsstörung vorliegt und sie zum Zeitpunkt der zehn Morde, zwei Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle vermindert schuldfähig war.

Er leitet Zschäpes psychische Störung unter anderem aus den schwierigen Bedingungen her, unter denen sie aufgewachsen sei: eine Mutter mit Alkoholproblem, wechselnde Betreuungspersonen schon im Säuglingsalter und damit unsichere Beziehungen von klein auf. Er bezieht sich dabei auf die Angaben von Zschäpe und ihrer Mutter. Von der Ansage des Richters, die Aussage der Mutter dürfe nicht verwendet werden, zeigte er sich überrascht. Es seien "hoch wichtige Angaben", so Bauer. Er selbst wird die Mutter dennoch nicht erleben. Ihn hat das Gericht nicht für nächsten Mittwoch geladen.

Wenn es nach den drei anderen Verteidigern von Zschäpe geht, sollte sich wohl noch ein weiterer Gutachter auch mit der Aussage der Mutter befassen. Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl beantragten, ein neues Gutachten über Zschäpe einzuholen. Es wäre nach dem Gutachten von Bauer und dem Gutachten von Gerichtspsychiater Henning Saß das dritte Schuldfähigkeits-und Prognosegutachten.

Sturm begründete ihren Antrag mit den Mängeln, die Psychiater Pedro Faustmann in dem Saß-Gutachten ausgemacht hat. Faustmann wirft Saß schwere methodische Fehler und fehlende Kompetenz vor. Saß hält Zschäpe für psychisch gesund, allerdings hält er sie auch für gefährlich. Laut Faustmann ist jedoch kein Psychiater wie Saß, sondern ein Psychologe für die Prognose bei gesunden Angeklagten zuständig. Darüber hat nun das Gericht zu entscheiden.

Es geht auch um Verstrickungen zwischen "Blood & Honour" und dem NSU

Die Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben und auch mehrere Nebenklagevertreter forderten zudem, Berichten von ARD und "Tagesspiegel" nachzugehen, wonach der frühere Deutschland-Chef der Neonazi-Organisation "Blood & Honour" V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz gewesen sei. Es gibt vielfältige Verstrickungen zwischen Mitgliedern von "Blood & Honour" und den mutmaßlichen NSU-Terroristen.

Es könnten die letzten Beweisanträge im NSU-Prozess gewesen sein. Denn an diesem 363. Verhandlungstag verstrich die Frist des Richters für die Prozessbeteiligten, zum Beispiel die Vernehmung weiterer Zeugen oder die Verlesung weiterer Akten zu fordern. Anträge, die nach Ablauf der Frist kommen, kann das Gericht nun leichter ablehnen.

Die Beweisaufnahme nähert sich nach vier Prozessjahren damit nun wirklich dem Ende. Doch wann die Plädoyers beginnen und schließlich das Urteil fallen wird, ist weiter unklar.

An diesem Donnerstag muss sich zunächst Professor Bauer den Fragen des Gerichts stellen. Dann wird er noch einmal in freier Rede erklären müssen, wie er auf die Idee kommt, dass die Hauptangeklagte an einer Persönlichkeitsstörung leidet.

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