Süddeutsche Zeitung

NSU-Prozess:Wie viel Schutz sein muss

Selbst wenn die mutmaßliche Terroristin Beate Zschäpe verurteilt wird: Dass sie in Sicherungsverwahrung kommt, ist unwahrscheinlich. Das liegt am dritten Strafsenat des Bundesgerichtshofs, der wohl das letzte Wort haben wird.

Von Wiebke Ramm

Lebenslange Freiheitsstrafe, Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und Sicherungsverwahrung - deutlicher kann ein Gericht nicht machen, dass ein Täter möglichst nie wieder freikommen soll. Auch der mutmaßlichen NSU-Terroristin Beate Zschäpe drohen nicht nur eine lebenslange Haftstrafe und die Feststellung, dass ihre Schuld besonders schwer wiegt.

Ein Gutachter ist zu dem Ergebnis gekommen, dass bei ihr aus psychiatrischer Sicht auch die Voraussetzungen für die Sicherungsverwahrung vorliegen, sofern das Oberlandesgericht München zu der Überzeugung gelangt, dass sie als Mittäterin zehn Morde und alle anderen überwiegend rassistisch motivierten Verbrechen des NSU begangen hat.

Sicherungsverwahrung ist keine Strafe, sondern eine sogenannte Maßregel der Besserung und Sicherung. Sie dient dem Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Tätern, die ihre Gefängnisstrafe abgesessen haben. Weil sie gefährlich sind, bleiben sie weiter eingesperrt. Auch Zschäpes Gutachter geht im Falle ihrer Verurteilung als NSU-Terroristin von ihrer anhaltenden Gefährlichkeit aus. Und doch rechnen selbst viele Opferanwälte nicht damit, dass Zschäpe wirklich jemals in Sicherungsverwahrung kommen wird - was am dritten Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) liegt.

Der dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat wohl das letzte Wort in Sachen NSU

Der dritte Senat des BGH wird das Urteil gegen Zschäpe wohl eines Tages überprüfen. Und dieser Senat hat 2013 im Fall eines Kindsmörders und Sexualstraftäters eine vom Landgericht Stade verhängte Sicherungsverwahrung wieder aufgehoben. Der sogenannte Maskenmann hatte sich in Norddeutschland über Jahre an die Betten von Jungen geschlichen, sie missbraucht und drei Jungen getötet. Der BGH-Senat entschied: Lebenslang und besondere Schwere der Schuld reichen aus, weil der Kindsmörder auch so erst dann freikommt, wenn er nicht mehr gefährlich ist. Andernfalls bleibt er im Gefängnis, womöglich ein Leben lang. Zum Schutz der Allgemeinheit sei die Anordnung der Sicherungsverwahrung daher keineswegs "unerlässlich" und komme daher nicht in Betracht (Az: 3 StR 330/12).

Schon eine lebenslange Freiheitsstrafe und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld bedeuten im Durchschnitt 24 Jahre Gefängnis, könnten aber auch tatsächlich Haft bis zum Tod heißen. Zschäpe käme erst frei, wenn sie für die Bevölkerung keine Gefahr mehr darstellte. Bei nachgewiesener Ungefährlichkeit fehlten aber auch die Voraussetzungen für den Vollzug der Sicherungsverwahrung.

534 Menschen befinden sich laut Statistischem Bundesamt (Stand: Ende August 2016) in Sicherungsverwahrung - unter ihnen eine einzige Frau. Die heute 60-jährige Maria K. wurde 1999 vom Landgericht Bielefeld wegen Mordes durch Unterlassen, gefährlicher Körperverletzung und Vergewaltigung zu 13 Jahren Haft verurteilt. Sie hatte in Tunesien eine junge Frau zu Tode gequält, ihre Leiche zerstückelt und verbrannt. Schon zuvor hatte K. eine ähnliche Tat begangen. Das Gericht ordnete die Sicherungsverwahrung nach ihrer zeitlich begrenzten, nicht lebenslangen Haft an. 2012 hatte K. ihre Freiheitsstrafe verbüßt. Da sie weiter als gefährlich galt, kam sie in die Sicherungsverwahrung nach Frankfurt. Dort ist sie nach Angaben des hessischen Justizministeriums noch heute.

Bei den RAF-Prozessen spielte Sicherungsverwahrung übrigens keine Rolle. Denn bis 2002 konnte sie nicht zusätzlich zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe angeordnet werden. Die frühere RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt blieb auch so 24 Jahre im Gefängnis.

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SZ vom 26.01.2017
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