NSU-Prozess:Waffen weg, die Kinder kommen

NSU-Prozess

Zschäpes Verteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl (von links) fordern den Tonbandmitschnitt des NSU-Prozesses. Die Ankläger wehren sich.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Beate Zschäpe berichtet von der Freundschaft zu André E. und dessen Frau Susann. Sie belastet beide schwer.

Von Annette Ramelsberger

Beate Zschäpe hatte im Untergrund eine allerbeste Freundin. Susann heißt sie, die Frau von André E., der mit Zschäpe auf der Anklagebank im NSU-Prozess sitzt. André E. ist ein eingefleischter Rechtsradikaler, der sich die Worte "Die Jew Die" (Stirb, Jude, stirb) auf den Bauch tätowiert hat, auf seiner Hand prangt ein Totenkopf. Ansonsten schweigt er. Auch seine Frau Susann ist schwer tätowiert, man weiß das, weil Fotos von den beiden im Gericht gezeigt wurden. Auch Fotos eines Kindes: Der Sohn krabbelte auf dem tätowierten Bauch des Vaters herum, im Strandkorb am Meer.

Susann und ihre zwei kleinen Söhne waren auch oft bei Beate Zschäpe zu Hause. Bevor die Kinder kamen, räumte Zschäpe auf: Sie ließ die Waffen verschwinden, die ihre Freunde zu ihrem Verdruss herumliegen ließen. "Ich achtete darauf, dass keine Waffen offen herumlagen", erklärte Zschäpe, schon wegen der Kinder. Ordnung musste sein. Dafür legte sie sich sogar mit ihrem Freund Uwe Böhnhardt an. Als sie ihn mal wieder wegen einer Waffe, die herumlag, kritisierte, habe er sie auch geschlagen. Überhaupt habe er Diskussionen oft mit Schlägen beendet. Verbal sei er ihr nicht gewachsen gewesen. So erzählt sie das alles. Besser: Sie lässt erzählen. Von ihrem Anwalt.

Aber nicht die Berichte aus Beate Zschäpes Alltag im Untergrund erregten am Mittwoch besonderes Aufsehen, sondern ihr Bekenntnis, dass Familie E. schon seit Jahren darüber Bescheid wusste, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Raubüberfälle begingen, um ihr gemeinsames Leben zu finanzieren. Das hätten die drei ihrem Freund André im Jahr 2007 anvertraut. André E. und seine Frau Susann belastet Zschäpe damit schwer.

Zschäpe antwortete am Mittwoch mal wieder auf Fragen des Gerichts, das diese bereits vor Wochen gestellt hatte. Ihr Wahlverteidiger Herrmann Borchert verlas die sorgsam ausgearbeiteten Antworten auf die 39 Fragen nach der Rolle der Familie E., aber auch nach dem Alkoholkonsum Zschäpes und ihren damaligen Zukunftsplänen, falls ihre Gefährten einmal gefasst würden und sich dann wie geplant selbst töteten.

Zschäpe erklärte, sie habe André E. schon in Chemnitz kennengelernt, kurz nachdem sie 1998 untergetaucht waren, über Freunde aus der rechten Szene. Er habe gewusst, dass sie wegen des Sprengstoffs in ihrer Garage in Jena gesucht würden. Erst nach ein paar Jahren habe sich eine Freundschaft entwickelt. André E. machte mit Zschäpe Großeinkäufe, die Familie kam oft zu Besuch und dann war da noch die Sache mit dem Wasserrohrbruch. Der überschwemmte Zschäpes Wohnung, und sie sollte als Zeugin bei der Polizei aussagen. Eine kitzlige Situation. André E. lieh ihr den Ausweis seiner Frau und gab sich bei der Polizei als ihr Mann aus. Und sie sagte, sie wohne gar nicht in der Wohnung, sondern habe sich nur um die Katzen gekümmert. So entkam Zschäpe der Entdeckung. Es war haarscharf.

Nach dem Tod ihrer Männer wusste Zschäpe nicht, ob sie sich umbringen oder flüchten soll

Auf der Heimfahrt von dieser ziemlich aufregenden Vorsprache bei der Polizei habe André E. gefragt, wann sie eigentlich wieder ins bürgerliche Leben zurückkehren wollten, die Sache von damals müsse doch mal verjährt sein. Daraufhin hätten sie und ihre Gefährten ihn eingeweiht, dass sie immer wieder Überfälle begingen und nicht auftauchen könnten. Wie André E. auf dieses Geständnis reagiert hatte, sagte Zschäpe nicht. Offenbar tat es der Freundschaft aber keinen Abbruch. Die Familie kam weiterhin jede Woche mit den Kindern, das habe ihr gutgetan, ließ Zschäpe ihren Anwalt sagen, weil sie selbst keine Kinder bekommen könne.

Als sie dann am 4. November 2011 vom Tod ihrer Männer erfuhr und die Wohnung in Brand setzte, da habe sie bei André E. angerufen, der ihr Kleider seiner Frau gegeben und sie zum Bahnhof gebracht habe. Susann sei damals nicht in der Wohnung gewesen, betonte Zschäpe. André E. habe sie damals auch gefragt, ob sie sich nun umbringen oder flüchten wolle. Sie konnte ihm aber nicht darauf antworten. Sie habe es selbst noch nicht gewusst. Vier Tage später stellte sie sich der Polizei.

Was Zschäpe noch sagte: Familie E. habe nichts von den Morden ihrer Gefährten Mundlos und Böhnhardt gewusst.

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