Süddeutsche Zeitung

NSU-Prozess:Uwe Mundlos soll für V-Mann gearbeitet haben

Unter falschem Namen hat der NSU-Täter angeblich als Bauleiter bei einer Abrissfirma gejobbt. Doch an der Geschichte gibt es Zweifel.

Von Annette Ramelsberger

Die mutmaßlichen NSU-Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt lebten 13 Jahre im Untergrund - bis sie und ihre Terrorzelle NSU im November 2011 aufflogen. Das ist bekannt. Was sich jedoch so abgeschottet und geheimnisvoll anhört, stellt sich immer mehr als halböffentliche Veranstaltung dar: Nicht nur, dass eine ganze Reihe von Neonazis aus Chemnitz und Jena den dreien bei ihrer Flucht vor der Polizei geholfen haben und dies auch dem Verfassungsschutz durch mehrere Quellen bekannt wurde. Nun soll der NSU-Täter Uwe Mundlos möglicherweise sogar in der Firma eines V-Manns des Bundesverfassungsschutzes gearbeitet haben.

Ermittler fanden keine Beweise, die Nebenkläger fordern Aufklärung

Das legen Recherchen der Tageszeitung Die Welt nahe. Demnach war Mundlos wohl unter dem Namen Max-Florian Burkhardt in der Abrissfirma eines Zwickauer Neonazis beschäftigt, der gleichzeitig V-Mann des Verfassungsschutzes war. Dieser Mann namens Ralf Marschner soll bei einer Vernehmung durch das Bundeskriminalamt gesagt haben, ein Max habe bei ihm gearbeitet. Ein ehemaliger Mitarbeiter einer Zwickauer Baufirma hat Mundlos bei der Vorlage eines Fotos laut Welt zweifelsfrei als "Max Burkhardt" erkannt.

Dieser Max habe als Bauleiter der Abrissfirma fungiert. "Max Burkhardt" war der Tarnname von Uwe Mundlos. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe jedoch betont: "Die Ermittlungen haben bislang keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Mitglieder des NSU in einem von Ralf M. betriebenen Unternehmen beschäftigt waren."

Einen Max-Florian Burkhardt gibt es wirklich, er hat für Zschäpe und ihre Gefährten nicht nur seine Wohnung, sondern auch seinen Pass zur Verfügung gestellt. Aber in Zwickau hat er nie gearbeitet. Er war Steinmetz in Dresden. Deswegen zieht die Welt den Schluss, dass in Zwickau der andere Max Burkhardt gearbeitet hat, nämlich Uwe Mundlos. Auch viele Nebenkläger im NSU-Prozess wollen nun wissen, was es mit dem V-Mann Ralf Marschner und den Hinweisen auf die Beschäftigung von Mundlos auf sich hat. Für sie scheint klar zu sein, dass Marschner Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gekannt haben muss. Nachgewiesen ist, dass er auch deren engsten Vertrauten André E. kannte, der nun mit Zschäpe auf der Anklagebank sitzt.

"Wenn nur einmal der Zoll aufgetaucht wäre, wäre er aufgeflogen"

Marschner hatte nur wenige Hundert Meter vom Unterschlupf des NSU in Zwickau entfernt seinen Szeneladen und er war Sänger in der Band "Westsachsengesocks". Ein Zeuge im NSU-Prozess will ihn bei einem Fußballturnier der rechten Szene gesehen haben - zusammen mit Mundlos und Böhnhardt, und das nach deren Untertauchen. Marschners Geschäftspartner gab zudem nach dem Auffliegen des NSU an, dass öfter eine Frau im Laden war, die er als Beate Zschäpe wiedererkannt habe. Sie habe an dem Computer des Chefs gesessen.

Das BKA hat diesen Computer überprüft und nichts Relevantes festgestellt, was auf den NSU oder Zschäpe hindeute, berichten Ermittler der Süddeutschen Zeitung. Sie halten es für höchst fragwürdig, dass Mundlos das Risiko eingegangen wäre, unter falschem Namen auf dem Bau zu arbeiten: "Wenn nur einmal der Zoll aufgetaucht wäre, wäre er aufgeflogen."

Eine ganze Reihe von Nebenklägern um die Berliner Anwältin Antonia von der Behrens fordern nun, den ehemaligen V-Mann als Zeugen im NSU-Prozess zu laden. "Wir gehen davon aus, dass Marschner wusste, dass sich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in Zwickau aufhalten. Und dass er das auch seinem V-Mann-Führer beim Verfassungsschutz mitteilte", sagt von der Behrens. Es sei möglich, dass der Verfassungsschutz schon 2001 von dem Versteck wusste. Zu einer Zeit, als noch viele Morde hätten verhindert werden können.

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SZ vom 08.04.2016/pamu
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