NSU-Prozess:Sekt und Feuer

Gutachter beschäftigen sich mit dem Alkoholkonsum der Angeklagen Beate Zschäpe. Das ist durchaus relevant - wegen des Brands, den sie gelegt hat.

Von Tanjev Schultz

Beate Zschäpe hat gerne mal einen Sekt getrunken. Manchmal auch einen mehr. Das hat sie nicht nur selbst so erklärt, ehemalige Nachbarinnen habe es bestätigt. "Sie kam etwas schwer aufs Fahrrad", sagte einmal eine Zeugin und beschrieb, wie Zschäpe sich auch "härtere Sachen" gemischt habe. Auch bei einer feucht-fröhlichen Männerrunde in einem Partykeller, in dem sich Nachbarn unter einem Hitler-Bild trafen, soll Zschäpe öfter mit Prosecco aufgetaucht sein. Muss man wissen, was und wie viel sie trank? In Strafverfahren spielt der Alkoholkonsum eines Angeklagten durchaus eine Rolle. Und so ging es im NSU-Prozess am Donnerstag in allen Details um Promille-Berechnungen und um die Frage, in welchem Zustand die mutmaßliche Rechtsterroristin ihre Wohnung in Zwickau in Brand steckte. Ein Sachverständiger präsentierte Kalkulationen zur Blutalkoholkonzentration.

Zunächst verlas Zschäpes Verteidiger eine neue Einlassung seiner Mandantin. Seit Ende des Jahres 2006 - nachdem der NSU neun Morde verübt hatte - habe sich Zschäpes Alkoholkonsum gesteigert. Vor allem, wenn ihre Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nicht zu Hause waren, will sie mehr als sonst getrunken haben. Sie habe allerdings nie unter Entzugserscheinungen gelitten, wenn sie nichts getrunken habe. Angeblich war das Leben für sie nur noch durch den Konsum von Alkohol "erträglich".

Zschäpe hat detaillierte Angaben dazu gemacht, wie sie am 4. November 2011 die Wohnung anzündete. Zuvor will sie im Laufe des Tages eine Flasche Sekt getrunken haben, am Vortag sogar drei Flaschen. Das ist nicht wenig, dennoch kam ein Rechtsmediziner nun zu dem Ergebnis, dass "keine relevante Beeinträchtigung der kognitiven oder physischen Leistungsfähigkeit bestanden" habe.

Für das Urteil ist dies wichtig, denn bereits die Brandstiftung kann zu einer langen Haftstrafe führen. Laut Anklage wurde sie begangen in Tateinheit mit versuchtem Mord in drei Fällen, da eine Nachbarin und zwei Handwerker akut gefährdet worden seien. Zschäpe bestreitet den versuchten Mord.

Nach Berechnungen des Gutachters hatte Zschäpe, sollten ihre Angaben zum Sektkonsum zutreffen, noch Alkohol im Blut, als sie Benzin in der Wohnung verteilte und anzündete. Allerdings gibt es eine große Spannweite möglicher Promille-Werte, da der Sekt über einen längeren Zeitraum getrunken wurde und nicht ganz klar ist, wie viel Zschäpe damals wog. Zwei Promille, zweieinhalb Promille, vielleicht auch deutlich weniger oder mehr - vieles ist möglich. Mehrere Zeugen, die Beate Zschäpe kurz nach der Brandstiftung gesehen haben, erkannten bei ihr keine Anzeichen für eine auffällige Alkoholisierung. Zschäpe soll den Tatort zügig zu Fuß verlassen haben. Angeblich, so gab sie es selbst an, hatte sie in einer Tasche zwei Flaschen Sekt dabei.

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