NSU-Prozess:Schlechte Nachricht für Zschäpe

Der NSU-Prozess stockt, weil Beate Zschäpe eine halbe Stunde nach Verhandlungsbeginn über Übelkeit klagt und sich nicht mehr vorführen lassen will. Der Landgerichtsarzt stuft sie dennoch als verhandlungsfähig ein. Eine schlechte Nachricht scheint die Angeklagte schwer getroffen zu haben.

Aus dem Gericht von Annette Ramelsberger

Sie war blass an diesem Morgen, dem ersten Jahrestag des Beginns des NSU-Prozesses. Doch sie ist immer blass. Aber es dauerte dann gerade mal eine halbe Stunde, bis Beate Zschäpe um eine Pause bat. Der Richter gewährte sie. Er schickte einen Arzt zu ihr. Der fand sie auf der Liege der Arrestzelle, doch sie habe sich sofort aufgesetzt und gefragt, ob er der ärztlichen Schweigepflicht unterliege.

Offenbar wollte Zschäpe, die vor Gericht nie spricht, über etwas reden. Aber der Landgerichtsarzt ist dazu verpflichtet, dem Gericht die Gründe mitzuteilen, warum die Angeklagte nicht verhandlungsfähig ist. Darauf habe Zschäpe die Untersuchung abgelehnt, teilte der Arzt dem Gericht mit.

In der Mittagspause kam der Arzt noch einmal in die Arrestzelle, in der Zschäpe sich erholen sollte, und redete mit ihr. Da habe sie ihm gesagt, sie habe kurz vor der Verhandlung eine Nachricht bekommen, die ihr Übelkeit verursacht habe. Was der Inhalt dieser Nachricht war, das sagte Zschäpe vielleicht dem Arzt, der sicher auch dem Gericht, aber das Gericht teilte es in der Verhandlung nicht mit. Der Landgerichtsarzt betrachtete Zschäpe aber als verhandlungsfähig. Auch das Gericht sah in der offenbar seelisch bedingten Übelkeit von Zschäpe keinen Grund, die Verhandlung zu unterbrechen.

Richter Götzl erwägt, Zschäpe von Wachtmeistern mit Gewalt herschaffen zu lassen

Um 13:15 Uhr erscheint Richter Manfred Götzl, gewillt, den Prozess fortzusetzen. Zschäpe ist nicht da. "Die Wachtmeister sagen, sie lasse sich nicht vorführen", sagt Götzl irritiert: "Sie weigert sich, in der Hauptverhandlung zu erscheinen." Götzl erwägt nun, sie von Wachtmeistern gegen ihren Willen vorführen zu lassen. So eine gewaltsame Prozedur ist bisher im NSU-Prozess noch nie vorgekommen. Beate Zschäpe hält die Prozesstage bisher gut durch, nur zwei-, dreimal hat sie in diesem ganzen letzten Jahr gebeten, den Prozess abzukürzen, wegen Kopfschmerzen. Auch Nebenklageanwälte sagen, sie mache nicht den Eindruck, Krankheit vorzuschützen und den Prozess verzögern zu wollen.

Anwälte stellen Befangenheitsantrag gegen den Arzt

Zschäpe scheint von der Nachricht, die sie kurz vor Prozessbeginn erhalten hat, schwer getroffen zu sein. Man kann nur mutmaßen, was sie so mitgenommen hat. Sie hat nicht mehr viele Menschen, die ihr nahestehen. Ihre beiden Gefährten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die sie ihre "Familie" nannte, sind tot. Sie haben sich 2011 getötet, als sie nach einem Banküberfall von Polizei umstellt waren. Zu ihrer Mutter hat Zschäpe ein eher gespanntes Verhältnis. Am nächsten steht ihr sicher ihre Großmutter aus Jena, bei der sie aufgewachsen ist. Die Großmutter ist mittlerweile eine sehr alte, gebrechliche Frau. Zschäpe hatte sie während der Haft besuchen dürfen.

Die Verteidiger von Zschäpe versuchen, Richter Götzl davon abzuhalten, in Abwesenheit ihrer Mandantin die Erkenntnisse des Landgerichtsarztes darzulegen - und damit den Grund für die Unpässlichkeit Zschäpes deutlich zu machen. Doch das Gericht beschließt, dass das zulässig ist.

Um 15:24 Uhr dann stellen die Anwälte einen Befangenheitsantrag gegen den Arzt. Zschäpe habe die körperliche Untersuchung nicht abgelehnt, der Arzt habe sie im Gegenteil für nicht ratsam gehalten, weil sie ein Magenmedikament eingenommen habe. Das sollte erst wirken. Der Arzt habe also unwahre Tatsachen behauptet. Aber auch die Anwälte erklären nun, Zschäpe habe "eine schlechte Nachricht" erhalten. Sie habe deswegen schon die Befragung des ersten Zeugen nicht mehr mitbekommen und dagegen gekämpft, sich im Gerichtssaal zu übergeben. Auch jetzt gehe es ihr nicht besser, sondern schlechter. Um kurz vor 16 Uhr beendet der Richter den Prozess für diesen Tag. Zschäpe wird in ihre Zelle nach Stadelheim zurückgebracht.

Wie am Dienstagabend bekannt wurde, erwägt das Gericht, drei Briefe Zschäpes an einen Gesinnungsgenossen in Nordrhein-Westfalen zu beschlagnahmen - darunter ein neuer, bisher unbekannter Brief von Mitte April. Das geht aus einem Schreiben hervor, das nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa am Montag an die Prozessbeteiligten verschickt wurde. Mit Hilfe der Briefe könnte ein Sprachgutachten erstellt werden, um zu klären, ob Zschäpe Mit-Autorin eines Manifests des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) war. Das könnte sie weiter belasten, das Papier zeugt von der rassistischen Ideologie des NSU.

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