NSU-Prozess:NSU-Prozess: Befangenheitsantrag könnte Gericht in Schwierigkeiten bringen

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Die fünf Richter im NSU-Prozess. (Foto: dpa)
  • Der Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben im NSU-Prozess hat einen Befangenheitsantrag gegen die Richter gestellt.
  • Anlass ist eine unglückliche Formulierung in einem Beschluss des Gerichts.
  • Die Richter hatten darin eine "Straftat der Angeklagten" erwähnt, ohne die übliche Einschränkung "mutmaßlich" oder etwas Ähnliches einzufügen.

Aus dem Gericht von Tanjev Schultz

Im NSU-Prozess ist erneut ein Befangenheitsantrag gegen die Richter gestellt worden, der in diesem Fall für das Gericht durchaus unangenehm ist. Die Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben wollen die fünf Richter bei einer Formulierung ertappt haben, die darauf hindeute, dass sie längst ihr Urteil gefällt hätten. Beate Zschäpe schloss sich dem Antrag an.

Gleich zu Beginn des 262. Verhandlungstages beantragte Wohllebens Anwalt Olaf Klemke eine lange Unterbrechung, um das sogenannte Ablehnungsgesuch formulieren zu können. Nach der Pause legte er los: Er warf den Richtern im Namen seines Mandanten vor, bereits vor der Urteilsberatung von der Schuld der Angeklagten überzeugt zu sein.

Richter sind laut Verteidiger für "Beweisergebnisse nicht mehr offen"

Grund dafür ist ein Satz in einem Beschluss, den der Vorsitzende Manfred Götzl am Mittwoch verlesen hatte. Das Gericht hatte es darin abgelehnt, einen ehemaligen Verfassungsschutz-Beamten als Zeugen zu laden, der etliche Akten schreddern ließ. In der Begründung hätten die Richter geschrieben: Die Vernichtung der Akten sei "nach der letzten Straftat" der Angeklagten erfolgt. Es fehle der Hinweis darauf, dass die Schuld noch nicht erwiesen sei. Die Richter hätten ein "mutmaßlich" einfügen oder andere sprachliche Relativierungen treffen müssen.

Klemke sagt, er und seine Kollegen hätten zunächst geglaubt, sie hätten sich verhört. Doch auch in der schriftlichen Version des Beschlusses sei die beanstandete Formulierung enthalten. Belegt sei dadurch, dass die Richter für "entgegenstehende Beweisergebnisse nicht mehr offen" seien. Die vom Gesetz verlangte Unvoreingenommenheit sei nicht mehr gewährleistet.

Unglückliche Formulierung

Von Anfang an lauern die Verteidiger darauf, dass Götzl und seinen Kollegen ein Fehler unterläuft, der den Prozess zum Platzen bringen könnten. Tatsächlich erscheint die nun beanstandete Formulierung mindestens unglücklich und hätte den Richtern lieber nicht durchrutschen sollen.

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Aus dem Gericht berichtet Annette Ramelsberger

Zwar ist die Beweiserhebung in dem schon seit Mai 2013 laufenden Prozess schon weit fortgeschritten. Die Richter mussten auch bereits zu vorläufigen Beweiswürdigungen kommen, da sie zwei Mal über einen Antrag auf Haftverschonung entscheiden mussten und jedes Mal zu dem Ergebnis kamen, dass Ralf Wohlleben, dem Beihilfe zu Mord in neun Fällen vorgeworfen wird, weiterhin in Untersuchungshaft bleiben muss. Doch das Urteil soll nun einmal erst ganz am Ende gesprochen werden.

Mehrere Befangenheitsanträge sind bisher gescheitert

Der Nebenklage-Vertreter Hardy Langer sprang den Richtern am Donnerstag zur Seite. Er sagte, die Befangenheitsanträge halte er für unbegründet, weil die beanstandete Passage "nicht losgelöst vom ganzen Absatz" gelesen werden könne. In der Einleitung sei explizit von Straftaten die Rede, "die den Angeklagten zur Last gelegt werden". Eine Vorverurteilung sei daher nicht gegeben.

Ein anderer Senat des Oberlandesgerichts München wird in den kommenden Tagen über die Anträge entscheiden müssen. In der Vergangenheit sind wiederholt Befangenheitsanträge gescheitert. Die Verteidiger sammeln damit aber auch Stoff für eine mögliche Revision des Urteils.

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Um in dem Verfahren voranzukommen, entschied Götzl, die Hauptverhandlung trotzdem fortzusetzen. So sagten am Donnerstag nach einigen Stunden Verzögerung noch mehrere Sparkassen-Mitarbeiter aus, die im Oktober 2006 Zeugen eines Überfalls waren, den der NSU-Terrorist Uwe Böhnhardt begangen haben soll. Bereits am Mittwoch hatten mehrere Zeugen von dem brutalen Überfall berichtet, bei dem der Täter einem Auszubildenden in den Bauch schoss und später ohne Beute floh.

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