NSU-Prozess:"Keiner weiß was, keiner sagt was"

NSU Prozess

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, steht am 25. Februar 2014 im Gerichtssaal in München bei ihren Anwälten Anja Sturm und Wolfgang Heer.

(Foto: dpa)

Zwei Tage lang windet sich eine Ex-Freundin des Angeklagten Ralf Wohlleben im Zeugenstand. Zwei Tage wiederholt sie im NSU-Prozess, dass sie sich kaum noch erinnert. Sie hält sich womöglich an ein Gebot der rechten Szene.

Aus dem Gericht von Tanjev Schultz

Sie war erst 17, als der Verfassungsschutz sie ansprach. Zwei Männer wollten von Juliane W. wissen, wo das untergetauchte Neonazi-Trio aus Jena steckte. Sie saß mit den beiden Beamten in einem Auto, nahm dankbar Geld an, sagte aber, sie habe keine Ahnung, wo sich Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos aufhielten. Das war 1998. Juliane W., Deckname "Jule", war damals die Freundin von Ralf Wohlleben, der als mutmaßlicher NSU-Helfer vor Gericht steht. Zwei Tage lange windet sich seine Ex-Freundin als Zeugin, zwei Tage lang wiederholt sie in fast jedem Satz, sie könne sich an die Zeit damals kaum noch erinnern.

Einige Details - zum Beispiel blaue Müllsäcke, in denen sie Zschäpes Kleidung transportiert haben will - sind ihr erstaunlicherweise noch präsent, zentrale Abläufe und Gespräche dagegen nicht mehr. Manche ihrer Aussagen widersprechen dem, was sie früher bei der Polizei gesagt hat. Viele im Saal fühlen sich verschaukelt. Eine Anwältin der Nebenklage überlegt deshalb am Donnerstag, ein Ordnungsgeld gegen die Zeugin zu beantragen. Nach kurzer Beratung und dem Signal des Richters, dass so ein Antrag wohl keine Chance habe, verzichtet sie darauf.

So mühsam die Befragung ist, sie erhellt immerhin die Arbeit des Verfassungsschutzes. Der versuchte, über die als "Gelegenheitsinformant" eingestufte "Jule" das Trio aufzuspüren. Die Frau wohnte damals mit Ralf Wohlleben zusammen, den die Behörden schon früh im Verdacht hatten, einen engen Draht zu den Untergetauchten zu haben. Vor Gericht erinnert sich Juliane W. nur an zwei Treffen mit dem Geheimdienst. Ihr Kontaktmann vom Verfassungsschutz spricht dagegen von "drei bis sechs" Treffen.

Familiäre Bezugsperson war Zschäpes Oma

Juliane W. erkennt ihre Handschrift auf einem Notizzettel wieder, den das Amt abheftete. Es sollen Namen und Telefonnummern gewesen sein, die Wohlleben damals bei sich getragen habe. Stimmen die Vermerke des Geheimdienstes, teilte die Informantin mit, Wohlleben stelle seine Wohnung als "Szene-Treffpunkt" zur Verfügung. Über das gesuchte Trio spreche er allerdings nicht.

Über Beate Zschäpe notierte der Verfassungsschutz nach drei Treffen mit der Informantin im August und September 1998: Die familiäre Bezugsperson sei Zschäpes Oma. Und: In der Szene werde erzählt, dass Zschäpe einen neuen Liebhaber habe.

Vor Gericht versichert Juliane W., Wohlleben nicht gesagt zu haben, dass sie sich mit dem Verfassungsschutz eingelassen hatte. Sollte sie es doch getan haben, wäre er gewarnt gewesen. Der Plan des Geheimdienstes, über die noch sehr junge Freundin Wohllebens an das Trio zu kommen, ging jedenfalls nicht auf.

Der Mann vom Verfassungsschutz sagt, in der rechten Szene sei die Parole ausgegeben worden: "Keiner weiß was, keiner sagt was." Die Informantin "Jule" habe auf Nachfragen des Amtes gar nicht oder nur ausweichend geantwortet. Dass sie das gut kann, hat Juliane W. auch als Zeugin vor Gericht gezeigt.

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