NSU-Prozess in München:Wenn Frau Zschäpe plaudert

NSU-Prozess Beate Zschäpe

Beate Zschäpe wird am 2. Juli 2013 von Polizisten in den Gerichtssaal geführt. Am selben Verhandlungstag berichtet ein Polizist von einem Gespräch mit der Hauptangeklagten.

(Foto: dpa)

Keine Silbe hat Beate Zschäpe beim NSU-Prozess bisher verlauten lassen. Umso interessanter ist der Bericht eines Polizisten - er sprach mit der Hauptangeklagten, nachdem sich diese in Zwickau gestellt hatte. Das Gespräch ist eines der wenigen Zeugnisse, die Einblick in das Leben im NSU-Untergrund geben.

Von Annette Ramelsberger

Beate Zschäpe trug einen übergroßen Jogginganzug, den ihr die Polizei gegeben hatte, sie hatte ihre Unterwäsche für die Spurensicherung abgeben müssen und tagelang nicht geduscht. Den Polizisten, die sie vernehmen sollten, sagte sie, hoffentlich rieche sie nicht nach Schweiß. So saß sie am 8. November 2011 abends in der Polizeidirektion Zwickau zwei Polizisten gegenüber und sagte erst mal - nichts. Denn Angaben zur Sache lehnte sie ab. Aber dann musste sie eine Weile warten, und in dieser Zeit entspann sich ein Gespräch. "Es hat sich so ergeben", sagt der Polizist, der am Dienstag als Zeuge im NSU-Prozess aussagt. "Warum soll man sich eine halbe Stunde anschweigen?"

Dieses Gespräch ist eines der wenigen Zeugnisse, die Einblick in das Leben von Beate Zschäpe im Untergrund geben - und dementsprechend intensiv wurde am Dienstag nachgefragt.

Es geht um ein paar Sätze von Zschäpe, aber die sagen viel. Sie hatte den beiden Polizeibeamten in Zwickau Persönliches verraten. Dass sie ein schlechtes Verhältnis zu ihrer Mutter habe und eher ein "Omakind" sei. Und dass sie es bedauere, nicht noch Kontakt zu ihrer Oma aufgenommen zu haben, bevor sie sich der Polizei stellte. Und dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in all den Jahren im Untergrund ihre Familie geworden seien.

Zschäpe hatte keine behütete Kindheit

Zu diesen beiden Uwes hatte sie einen interessanten Satz gesagt: Ihre Lebensgefährten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätten doch eine behütete Kindheit gehabt - im Gegensatz zu ihr selbst. Sie könne sich nicht erklären, wie die beiden Uwes "so" geworden seien. Was das "so" denn bedeute, fragten Richter und Nebenkläger den Polizisten. Das bedeute wohl schon "kriminell", erklärte der Zeuge. Aber das Wort "kriminell" habe Frau Zschäpe nicht benutzt.

Und sie habe erklärt, sie sei von den beiden zu nichts gezwungen worden. Genauer erfuhr man das nicht. Der psychiatrische Gutachter Henning Saß fragt: "Die beiden Uwes waren ja nicht eine Person, gab es da eine Differenzierung oder wurden sie immer als Einheit genannt?" - Nein, auch den Tod des einen habe sie nicht mehr bedauert als den Tod des anderen, sagte der Zeuge.

Zschäpe dachte mehrfach an Suizid

Zschäpe hatte nach dem Tod ihrer beiden Männer die beiden Mütter angerufen und sie informiert, dass ihre Söhne nicht mehr am Leben sind. Und sie habe auch zum Ausdruck gebracht, dass sie nach dem Tod ihrer Familie mehrfach daran gedacht habe, sich das Leben zu nehmen. Aber sie habe nicht die Kraft dazu gefunden. Gut eine halbe Stunde dauerte das Gespräch. Und die Atmosphäre muss locker gewesen sein. Zschäpe habe sich immer wieder nach ihren beiden Katzen erkundigt, und ob es ihnen gutgehe. Der Polizist konnte sie damals beruhigen: Die Katzen hätten den Brand überlebt und seien im Tierheim.

Beate Zschäpe presst während der Aussage des Zeugen die Lippen aufeinander, es steht ein eingefrorenes Lächeln in ihrem Gesicht, die Arme hat sie vor der Brust verschränkt. Dabei müsste ihr das ausgeprägte Sächsisch des Polizisten doch sehr vertraut in den Ohren klingen. Mit ihm und seiner Kollegin aus Baden-Württemberg hatte sie sich über eine halbe Stunde unterhalten - bei Zigaretten und Brötchen. Am nächsten Morgen bekam sie noch Kaffee und Baguette - "wie es sich gehört", sagt der Polizist.

Immer wieder verweist der Kriminalhauptmeister auf seinen Vermerk von damals. Wer dachte, hier seien noch Erinnerungsschätze zu heben, der wurde enttäuscht. Doch der Verteidigung ist auch das zu viel. War Zschäpe überhaupt noch vernehmungsfähig?, fragen ihre Anwälte. Nicht viel zu übermüdet nach tagelanger Flucht? Waren die Umstände nicht unwürdig - so ohne Dusche, in fremden Kleidern? Warum wurde überhaupt mit ihr geredet, wenn sie doch nichts sagen wollte? Nach der Aussage erklärt die Verteidigung, die Angaben könnten nicht verwertet werden.

Am Nachmittag sprach der Beamte, der Zschäpe nach Karlsruhe gebracht hatte. Er habe sie genau beobachtet, als ihr die Mordfälle der NSU vorgehalten wurden und sie über den Tod ihrer Männer informiert wurde. "Ich habe mich da schon gewundert, sie hat das sehr emotionslos über sich ergehen lassen", sagte der BKA-Mann. "Auch als es um den Tod der Uwes ging, gab es keine Tränen, sie hat nicht geschluckt, nicht geschwitzt."

Damals sagte sie auch, sie habe sich nicht gestellt, um nicht auszusagen. Ein Satz, der die Ermittler noch immer hoffen lässt. Während die beiden vor dem Ermittlungsrichter in Karlsruhe warteten, erzählte Zschäpe, sie und die Uwes hätten sich in Zwickau vorwiegend mit dem Fahrrad fortbewegt und sich aus Tarngründen auch keinen Hund angeschafft. Es sei ihnen schon klar gewesen, dass sie eines Tages auffliegen würden.

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