NSU-Prozess in München:Latente Spannung vor Gericht

NSU-Prozess

Blick in den Saal des Oberlandesgerichts München

(Foto: dpa)

Angespannte Stimmung, Wortgefechte über Detailfragen: Der erneute Ausbruch von Richter Götzl am 50. Tag des NSU-Prozesses wirkt wie eine Kleinigkeit - auf den ersten Blick. Er offenbart aber die latente Spannung im Gerichtssaal.

Aus dem Gericht von Tanjev Schultz

Zeuge folgt auf Zeuge, aber ein Ende des NSU-Prozesses ist auch nach dem 50. Verhandlungstag nicht absehbar. Vermutlich ist erst ein Viertel geschafft, Termine sind bereits bis Ende 2014 angesetzt. Richter Manfred Götzl führt den Prozess straff, aber die Anklage ist komplex, und immer wieder tauchen neue Fragen auf. Am Donnerstag verliert Götzl deshalb mal wieder die Geduld. In scharfem Ton sagt er: "Wissen will man im Leben manchmal ganz gerne recht viel. Ich frage nach der Relevanz."

Auslöser des kleinen Ausbruchs ist die Anregung eines Anwalts, einen weiteren Sachverständigen zu laden. Der solle im Detail erläutern, wie bei der Feuerwehr in der Einsatzzentrale Notrufe registriert werden. Eine Polizistin hat zuvor erläutert, wann und von wem Anrufe eingingen, als im November 2011 das Haus brannte, in dem Beate Zschäpe gewohnt hatte.

Die Anklage wirft Zschäpe nicht nur die Mittäterschaft an zehn Morden, sondern auch schwere Brandstiftung vor. Die Feuerwehr erhielt wegen des Brandes mehrere Notrufe, ein Anrufversuch zur fraglichen Zeit ließ sich nicht zurückverfolgen. Zschäpes Verteidiger deuten die Möglichkeit an, dass ihre Mandantin die Feuerwehr verständigen wollte. Allerdings sagt die Polizistin, dass der Anrufer auf keinen Fall etwas gesagt habe, sonst wäre automatisch eine Aufzeichnung erfolgt. Götzl zeigt noch Verständnis, dass die Verteidiger gerne wüssten, von wem der Anruf kam. Dass ein Nebenkläger nun gleich der Technik bei der Feuerwehr im Einzelnen nachspüren will, hält er dagegen für abwegig.

Nebenkläger ärgern sich über Gericht

Was wie eine Kleinigkeit wirkt, zeigt die latente Spannung im Gerichtssaal, die sich in dem Prozess jederzeit entladen kann. Sowohl die Nebenkläger als auch die Verteidiger hatten sich zuletzt zwar recht zufrieden mit der Prozessführung gezeigt. In dieser Woche öffneten sich aber Risse. Viele Nebenkläger nehmen es dem Gericht übel, dass es ablehnte, alte Ermittlungsakten beizuziehen. Der Streit betrifft den ehemaligen Verfassungsschutz-Beamten Andreas T., der sich 2006 in dem Internetcafé aufhielt, in dem ein Opfer des NSU erschossen wurde. Zeitweilig verdächtigte die Polizei damals den Beamten. Der Verdacht ließ sich nicht erhärten.

In Andreas T. personifiziert sich für viele Nebenkläger aber das Versagen des Staates, manche hegen sogar den Verdacht, es könnte doch eine Verbindung zur Mordserie geben. Zumindest verlangen sie Transparenz. Das Gericht sieht dafür keine Grundlage, die Bundesanwaltschaft hat zudem auf den Persönlichkeitsschutz verwiesen. Am Donnerstag liefert sich Götzl auch Wortgefechte mit Zschäpes Verteidigern, nachdem diese beim Vortrag eines Waffengutachters intervenierten. Die Anwälte monierten, der Vortrag sei unverständlich. Es geht hin und her, die Stimmung kippt. "Ich möchte, dass Sie zuhören", ermahnt Götzl den Verteidiger Wolfgang Heer. Der lässt Götzl wissen, dass es ihn nichts angehe, wie er sich verhalte.

Erstmals saß die Ehefrau des Angeklagten Ralf Wohlleben im Gericht. Sie nahm als Beistand neben ihm Platz. Wohlleben soll dem NSU die Tatwaffe beschafft haben. Wie Zschäpe sitzt er seit fast zwei Jahren in Untersuchungshaft. In einer Pause halten sich Wohlleben und seine Frau an den Händen und versuchen, die vielen Zuschauer zu ignorieren.

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