NSU-Prozess in München:Holger G. gesteht Hilfe für NSU-Trio

Nach Carsten S. bricht auch der mutmaßliche Terrorhelfer Holger G. sein Schweigen im NSU-Prozess und schildert, wie er dem Trio im Untergrund unter anderem mit Ausweisen geholfen hat. Von den Morden will er nichts gewusst haben. Als erster Beschuldigter beteuert Holger G. auch sein Bedauern - und wirkt dabei extrem nervös.

Der Prozess im Newsblog. Aus dem Gericht berichtet Anna Fischhaber

Carsten S. und Holger G. sind die wichtigsten Zeugen im NSU-Prozess. Carsten S. hat als erster Angeklagter sein Schweigen gebrochen - und die Waffenlieferung an Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zugegeben. Er hofft darauf, dass seine Aussagebereitschaft ihm Strafmilderung bringt. Ohne ihn hätte die Bundesanwaltschaft wohl den Weg der Ceska-Pistole, mit der der NSU neun Menschen tötete, und die Verbindung zum Mitangeklagten Ralf Wohlleben nicht nachvollziehen können. Gleichzeitig versuchte Carsten S., dem Beihilfe zum Mord vorgeworfen wird, seine eigene Rolle in der rechten Szene kleinzureden. Nun ist Holger G. an der Reihe. Er verliest eine schriftliche Erklärung, Fragen möchte er zunächst nicht beantworten.

  • Vor dem Oberlandesgericht München findet am Donnerstag der siebte Verhandlungstag im NSU-Prozess statt. Fünf Personen sitzen auf der Anklagebank. Mindestens zwei Jahre lang soll die Verhandlung dauern.
  • Hauptangeklagte ist die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe. Ihr wird die Mittäterschaft bei zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen vorgeworfen. Im Prozess will sie schweigen.
  • Holger G. und Carsten S. sind die beiden Angeklagten, die vor Gericht Angaben gemacht haben. Zudem wollen die Anwälte von Ralf Wohlleben zu "gegebener Zeit" eine Erklärung abgeben. André E., der auf dem Oberkörper ein Tattoo mit "Die Jew Die" trägt, will dagegen schweigen.

​+++ Was am Donnerstag vor Gericht passiert +++

+++ Die Aussage von Carsten S. +++

Carsten S. brachte den NSU-Tätern die Tatwaffe, er hat mit Freunden Dönerbuden umgeworfen und bei einem Überfall auf zwei Nazikritiker eingetreten. Das hat er vor Gericht zugegeben. Später brach der in Neu-Delhi geborene Mann mit der rechten Szene, arbeitete zuletzt als Sozialpädagoge bei der Aids-Hilfe in Düsseldorf. Bei der Vernehmung gibt er sich als einer, der seine Vergangenheit selbst nicht mehr versteht - auffällig ist, wie eigenartig seine Erinnerung auseinanderklafft.

Am Mittwochnachmittag bitttet der Anwalt von Carsten S. plötzlich um eine Vernehmungspause. Sein Mandant könne sich nicht mehr konzentrieren. Zudem sei der zuständige Sachverständige nicht da. Carsten S. war zum Tatzeitpunkt erst 19 Jahre alt, in dem Prozess geht es nun auch darum, ob das Jugendstrafrecht angewendet werden kann. Carsten S. hat bereits stundenlang ausgesagt. Doch Richter Götzl will sich am Ende mit den Antworten nicht mehr abfinden, wird immer ungeduldiger. Immer wieder fragt er nach dessen Motivation. Immer wieder windet sich der Angeklagte, sagt: "Ich kann mich nicht erinnern."

Mehr über die Aussage von Carsten S. lesen Sie hier

Ein Porträt von Carsten S. finden Sie hier

+++ Der NSU-Prozess +++

Immer neue Anträge und zähe Debatten prägten lange die Verhandlung. Inzwischen hat der Vorsitzende Richter Götzl die Anklage verlesen lassen und viele der Anträge zurückgewiesen. Etwa den Vorschlag, den Nagelbombenanschlag in Köln in einem zweiten NSU-Prozess abzutrennen. Am Dienstag forderten die Verteidiger von Zschäpe dann eine komplette Einstellung des Verfahrens. Ihre Begründung: die "beispiellose Vorverurteilung", der ihre Mandantin angeblich durch Staatsvertreter ausgesetzt sei. Inzwischen haben Carsten S. und Holger G. erste Angaben zu ihrer Person und zu den Vorwürfen gemacht.

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