NSU-Prozess in München:Das NSU-Trio aus der Sicht des Handwerkers

Hat Beate Zschäpe die Wohnung des NSU-Trios angezündet, und hat sie dabei in Kauf genommen, dass andere Hausbewohner ums Leben kommen? Das ist die Frage des 16. Prozesstages. Ein Handwerker und der Hausverwalter schildern ihre Erlebnisse mit den Bewohnern - und für einen Moment erwacht Zschäpe aus ihrer Lethargie.

Aus dem Gericht von Tanjev Schultz

Hat die alte Holztreppe im Hausflur geknarrt? Im NSU-Prozess sind auch die Nebengeräusche aus dem Alltag des Neonazi-Trios wichtig. Am 16. Prozesstag ist der Hausverwalter aus Zwickau als Zeuge geladen. Er betreute die Wohnung in der Frühlingsstraße, in der Beate Zschäpe und ihre Freunde unter falschem Namen lebten. Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer erkundigt sich ganz genau nach der Treppe. Ja, sagt der Verwalter, wenn jemand fest aufgetreten sei, habe man das sicherlich im Haus hören können. So sei das eben bei altem Holz.

Zschäpes Verteidigern kommt diese Aussage vermutlich gelegen. Denn so werden sie argumentieren können, Beate Zschäpe habe mitbekommen, wenn jemand das Haus verließ. Am 4. November 2011 soll sie ihre Wohnung in Brand gesteckt haben, und dieser Vorwurf gehört zu jenen Punkten in der langen Anklage gegen die mutmaßliche Terroristin, der womöglich am leichtesten nachzuweisen sein wird. Zur schweren Brandstiftung kann dabei auch noch versuchter Mord kommen. Da fällt ein Nachweis deutlich schwerer.

Eine Nachbarin und zwei Handwerker, die im Auftrag der Hausverwaltung das Dachgeschoss renovierten, hätten in den Flammen umkommen können, argumentiert die Bundesanwaltschaft. Die Nachbarin ist gerade noch rechtzeitig aus der Wohnung geholt worden, und die beiden Handwerker machten Pause und waren in einem etwa 200 Meter entfernten Cafe, als sie eine Explosion hörten. "Wir waren's nicht!", habe er zu seinem Kollegen gesagt, erzählt einer von ihnen vor Gericht. Später habe er die Flammen gesehen.

Sollte am Ende der Beweisaufnahme feststehen, dass Zschäpe den Brand legte, können ihre Verteidiger immer noch argumentieren, ihre Mandantin habe unter anderem wegen der Geräusche auf der Treppe gewusst, dass die Handwerker das Haus verlassen hatten und nicht in Gefahr geraten konnten.

Der Hausverwalter schildert vor Gericht seine wenigen Erlebnisse mit den Bewohnern. Ein anderer habe einmal gesagt, er solle sich nicht wundern, "die Leute sind manchmal ein bisschen komisch". Der Verwalter wusste gar nicht, welche Mieter - und wie viele - da in der Frühlingsstraße in Zwickau eigentlich genau wohnten. Die Hausverwaltung hatte wenige Monate vor dem Brand gewechselt, die Miete sei "überpünktlich" eingegangen. Die Miete war 2011 drastisch erhöht worden, von 369 auf 389 Euro und dann auf 500 Euro kalt. In Zwickau sei die Frühlingsstraße eine "gefragte Lage", sagt der Verwalter. Früher hatten die Neonazis in einer recht heruntergekommenen Gegend gewohnt, in die Frühlingsstraße zogen sie im Jahr 2008.

Hinter einer mit Kameras gesicherten Fassade

Das Neonazi-Trio, das da hinter einer bürgerlichen, mit Minikameras gesicherten Fassade wohnte, konnte sehr penibel sein. Unter seinem Tarnnamen, auf den auch der Mietvertrag lief, hat offenbar einer von Zschäpes Freunden, also mutmaßlich Uwe Mundlos oder Uwe Böhnardt, den Verwalter im September 2011 für eine Beanstandung in die Wohnung zitiert: In der Küche würde sich der Fußboden absenken. "Vielleicht wollte er mich auch nur mal kennenlernen", sagt der Verwalter. Der Schaden sei eigentlich nicht so dramatisch gewesen, dass er den Anruf gerechtfertigt hätte.

Der Verwalter rückte in dieser Sache noch ein zweites Mal an, diesmal wurde ihm von einer Frau die Tür geöffnet, die er mittlerweile für Zschäpe hält. Als der Richter ihm Fotos anderer Personen zeigt, hält er bei einem Bild von Susann E. inne. Vom Typ her hätte es auch diese Frau sein können, sagt der Zeuge. Susann E. gilt als gute Freundin Zschäpes und soll diese oft besucht haben. Ihr Mann, Andre E., ist einer der fünf Angeklagten im NSU-Prozess.

"Ne hübsche Frau, wie wir Handwerker sagen"

Von der Frau, die ihm die Tür öffnete, habe er nicht viel mitbekommen, erzählt der Zeuge. Es seien nur wenige Worte gefallen. Der Verwalter drückt sich manchmal unfreiwillig komisch aus. Er sagt zum Beispiel, er habe die Frau zuvor "gegenständlich" nie gesehen.

Richter Manfred Götzl möchte noch wissen: "In welchem Zustand war die Wohnung?"- "Ordentlich." Angeblich hat sich einer der Bewohner einmal bei einem Handwerker beschwert, als die Bäume vor dem Haus ausgelichtet wurden. Nun könne man in die Fenster der Wohnung hineinschauen, habe es empört geheißen.

Richter Götzl befragt die Zeugen zu ihren Eindrücken von der Frau, die sie damals sahen und von der sie heute glauben, dass es Beate Zschäpe war. Der Verwalter kann sie nicht näher beschreiben, und beim Handwerker wird es peinlich: "Ne hübsche Frau, wie wir Handwerker sagen." Götzl fragt sachlich nach, immerhin ist zu klären, ob es wirklich Zschäpe war. Doch der Zeuge ist auf einer anderen Schiene unterwegs: "Soll ich den Handwerker-Jargon anlegen?" Götzl bleibt unbeirrt und fragt, wie denn die Haare ausgesehen hätten. "Dunkel", sagt der Zeuge knapp. Viel mehr kommt nun auch nicht mehr. Beate Zschäpe hört sich das alles an und verzieht kaum eine Miene.

Der Handwerker mag wirken wie eine ungeschlachte Person, man kann aber auch Mitgefühl mit ihm haben. Durch den Brand verlor er seinen Auftrag und seine Werkzeuge; auf etwa 3000 Euro sei er sitzen geblieben. Dazu kommt der Schock für einen Mann, der vor Gericht persönliche und gesundheitliche Probleme preisgibt.

Zschäpe sieht ziemlich fassungslos aus

Der Zeuge soll dann noch ein paar Lichtbilder anschauen, auf denen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt zu sehen sind. Er kommt zum Richter nach vorne. Beim Blättern geraten die beiden, wohl versehentlich, zu einem Foto, das ein Gesicht der Leiche von Mundlos oder Bönhardt zeigt, die sich am 4. November selbst erschossen hatten. Ein entstellter Kopf, ein grausamer Anblick. Wie die anderen Fotos wird das Bild kurz an die Wand des Gerichtssaals projiziert. Beate Zschäpe sieht für einen kurzen Moment ziemlich fassungslos aus.

Es wird ein langer Tag im Gerichtssaal. Am späten Nachmittag kommt noch ein Zeuge: der zweite Handwerker, der in dem Haus in Zwickau als Bauhelfer gearbeitet hat. Er berichtet, wie die Explosion das Gebäude stark beschädigte und die Flammen sich ausbreiteten. Ansonsten will er nicht viel mitbekommen haben, aber immerhin so viel, dass da zwei Männer und eine Frau gewohnt hätten. Die Frau will er später als Zschäpe erkannt haben. Und er sagt auch noch, dass es ein sehr hellhöriges Haus gewesen sei.

Verteidiger muss zum Zug

Zum Schluss des Prozesstags gibt es eine ausufernde Debatte darüber, ob man nicht langsam mal zum Ende kommen sollte. Ein Verteidiger Zschäpes führt an, er müsste nun eigentlich zum Zug. Es gibt eine Unterbrechung, dann ein Hin und Her zwischen Gericht, Nebenklage-Vertretern und Verteidigern. Zschäpes Anwälte sagen, ihre Mandantin könne sich nicht mehr konzentrieren. Richter Götzl meint, das müsse man dann aber ärztlich überprüfen lassen. So verstreicht Minute um Minute, ohne dass es weitergeht mit der Zeugenbefragung. Eine längere Pause wird angesetzt. Um halb sieben am Abend teilt Götzl mit, der zu Rate gezogene Arzt habe keine Auffälligkeiten feststellen können. Es sei allerdings kein Facharzt gewesen, der die Konzentrationsfähigkeit hätte beurteilen können. Der Richter fragt noch einmal nach bei Zschäpes Verteidigern. Sie bekräftigen, ihre Mandantin könne der Verhandlung nicht mehr konzentriert folgen. Richter Götzl ruft den Zeugen herein und entlässt ihn wieder. Damit ist die Verhandlung an diesem Mittwoch beendet.

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