NSU-Prozess:Helfer ohne Erinnerung

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  • Der Zeuge Gunther F. soll dem Trio Unterschlupf geboten und ihnen mit Personalausweis und Bahncard beim Untertauchen geholfen haben.
  • Vor Gericht will der Mann sich an nichts erinnern, auch seine Kontakte zur rechten Szene spielt er herunter. Glaubwürdig wirkt er dabei nicht.

Aus dem Gericht von Tanjev Schultz, München

Richter Manfred Götzl ist erkältet, seine Stimme etwas belegt, als er am Mittwoch im NSU-Prozess den Zeugen Gunther F. aufruft. Nach eigener Aussage half der 37-jährige Metallbauer, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einer Wohnung unterzubringen, als das Trio sich im Jahr 1998 vor der Polizei versteckte. Der Zeuge gehörte zur rechten Szene von Chemnitz, er und sein Zwillingsbruder hatten den Spitznamen "die Geklonten".

Nun sitzt also einer der beiden am 187. Prozesstag im Gerichtssaal, er trägt ein martialisches Tattoo am Hals, Turnschuhe und Kapuzenpulli. Er sei damals von Thomas S., einer Szene-Größe in Sachsen, angerufen worden, ob sein Bruder und er drei Leute abholen könnten? Die bräuchten eine Unterkunft, sie seien vor der Polizei abgehauen. Gunther F. tat es. Die "Geklonten" brachten das Trio zu einer Bekannten, die die drei schließlich in der Chemnitzer Wohnung ihres Freundes einquartierte. So begann vor 17 Jahren das Leben im "Untergrund".

Er verlieh bereitwillig seinen Personalausweis

Besonders auskunftsfreudig ist der Zeuge nicht, angeblich will er mit niemandem über die drei gesprochen haben. Er und sein Bruder seien "diskret" mit dem Thema umgegangen. Angeblich hat er das Trio zuvor gar nicht gekannt. Dennoch hätten er und sein Bruder die drei ein paar Mal in dem Unterschlupf besucht. "Wir sind davon ausgegangen, dass denen wohl langweilig sein würde." Man habe bei den Besuchen nur "Belanglosigkeiten" ausgetauscht. Konkretes wisse er nicht mehr.

Allerdings: Gunther F. lieh bereitwillig seinen Personalausweis, damit einer der Uwes damit einen Reisepass für sich selbst beantragen konnte. Angeblich planten die Untergetauchten, ins Ausland zu gehen, auch dabei wollte Gunther F. helfen. Da das Trio aber nach mehreren Monaten noch immer in Chemnitz gewesen sei, habe er die Herausgabe des falschen Reisepasses verlangt und diesen von einem der Uwes auch erhalten.

Einer der Untergetauchten nutzte den Namen des Zeugen offenbar auch für eine Bahncard. Davon will Gunther F. nichts mitbekommen haben. Der Richter konfrontiert ihn mit einem Bild der Bahncard. Er sehe das zum ersten Mal, sagt der Zeuge. Die Untergetauchten verfügten auch über eine handschriftliche Aufstellung mit Angaben über die Familie und die Arbeit des Zeugen. Auch davon will er nichts gewusst haben.

Möglicherweise war das Trio auch in seiner Wohnung

Der Zeuge gehörte einer Gruppe von Rechtsradikalen an, die sich als "88er" bezeichneten. Die Zahlenkombination steht in der rechten Szene für "Heil Hitler" (weil das H der achte Buchstabe im Alphabet ist). Das seien nur ein paar Freunde gewesen, die Bier getrunken hätten, sagt Gunther F. Es habe da nur diesen Aufnäher der "88er" gegeben, den man an der Jacke getragen habe. Mehr sei da nicht gewesen.

Möglicherweise empfing der Zeuge das Trio auch in seiner eigenen Wohnung. So hat es ein anderer Zeuge ausgesagt, und Gunther F. mag das, als er dazu befragt wird, nicht ausschließen: "Es sind viele Leute ein- und ausgegangen bei mir."

Dass Gunther F. keinen ausgeprägten Hang hat, alles preiszugeben, was er weiß, wird offensichtlich, als er zu zwei Freunden befragt wird. Bei der Polizei tat er in einer Vernehmung so, als würde er die beiden gar nicht kennen. Vor Gericht redet er sich nun damit raus, er würde die beiden nicht mit vollem Namen kennen. Angesicht der Intensität der Freundschaft ist das wenig glaubhaft.

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